Astrophysiker schreibt brutale Erwiderung auf den WSJ Artikel der behauptete die Wissenschaft hätte die Existenz Gottes bewiesen

Kürzlich – tatsächlich an Weihnachten – hat das Wall Street Journal einen Artikel eines Streiters für das  Christentum veröffentlicht, der kühn erklärte, dass die Wissenschaft Jahr für Jahr zunehmend Gott bestätige.

Astrophysiker schreibt brutale Erwiderung auf den WSJ Artikel der behauptete die Wissenschaft hätte die Existenz Gottes bewiesen

Eric Metaxas, ein bekannter  Biograph, wird (in konservativen Kreisen) auch für seine Arbeiten gefeiert, die die Pro-Life-Bewegung unterstützen und radikale haarsträubende Schlüsse zur Existenz Gottes schlussfolgern. Diese basieren auf allem was gerade als Beleg zur Hand ist. Wenn die radikalen haarsträubenden Schlüsse das „tägliche Brot“ bei Metaxas sind, dann ist der Artikel im Wall Street Journal sein Opus Magnum. Es ist ein Prachtexemplar.

Nach dem Untertitel seiner Arbeit  „Die Chancen für die Existenz von Leben auf anderen Planeten werden immer geringer.  Intelligent Design?“, folgte eine mäandernde Reise in die Gedankenwelt eines Kreationisten, der mit wissenschaftlicher Belesenheit spielte – aber nur, wenn sie zu seinen vorgefassten Schlüssen passte.

Die Argumente sind nicht neu. Wer je in einen christlichen Buchladen gegangen ist und sich ein Buch zur „Entlarvung“ der Evolution herausgegriffen hat, der findet die selben Hiebe. Jede Menge Absätze wie diesen

Heute kennen wir mehr als 200 Parameter, die notwendig sind, damit ein Planet Leben hervorbringen kann – jeder einzelne von ihnen muss perfekt gegeben sein, oder das Ganze fällt in sich zusammen. Ohne einen massiven Planeten wie Jupiter in der Nähe, dessen Gravitation Asteroiden ablenkt, würden tausende mehr davon die Erdoberfläche treffen. Die Chancen gegen Leben im Universum sind schlicht atemberaubend

Nun existieren wir nicht nur, sondern wir reden über Existenz. Wie erklärt sich das? Kann jeder dieser vielen Parameter durch Zufall gegeben sein? An welchem Punkt ist es fair zuzugeben, dass die Wissenschaft zu dem Gedanken anregt, dass wir nicht das Produkt zufälliger Kräfte sein können? Erfordert es nicht viel weniger Glauben, zu schließen, dass eine Intelligenz diese perfekten Bedingungen geschaffen hat, die notwendig waren, als dass eine Leben tragende Erde einfach so entstanden ist, trotz der geringen Chancen, dass dies geschieht?“

Eine Person, die offensichtlich genug von solch pseudo-wissenschaftlich gekünsteltem Nonsens hat, ist Lawrence Krauss, ein weltbekannter theoretischer Physiker und Kosmologe. Seine Arbeit ist, anders als diejenige Metaxas, das Universum tatsächlich zu studieren – und er teilt Metaxas Optimismus, dessen Entdeckungen rechtfertigten Intelligent Design, überhaupt nicht.

In einem Brief an den Editor, entlarvt Krauss systematisch Metaxas oberflächliche Wissenschaft und demonstriert, dass die Wissenschaft nicht nur Gottes Existenz nicht bewiesen (oder widerlegt) hat, sondern, dass die meisten Schlüsse, die Metaxas zieht, schlichtweg falsch sind.

An den Editor:

Ich war ziemlich überrascht, die unglückliche Kolumne „Science increasingly makes the case for God“ zu lesen, die nicht von einem Wissenschaftler, sondern von einem religiösen Autor mit einer Agenda geschrieben wurde. Die Schrift war voller unzulänglicher wissenschaftlicher Fehlinterpretationen. Zum Beispiel:

Wir kennen augenblicklich die Faktoren, die die Evolution des Lebens im Universum zulassen NICHT. Wir kennen die vielen Faktoren, die hier auf der Erde notwendig waren, aber wir wissen nicht, welche Kombination von Faktoren eine andere evolutionäre Entwicklungsgeschichte anderswo zulassen könnten. Der Fehler den der Autor gemacht hat, ähnelt dem zu behaupten, wenn jemand auf all die Faktoren in meinem Leben schaue, die direkt dazu geführt haben, dass ich hier an meinem Computer sitze und das schreibe, käme er auf eine so geringe Wahrscheinlichkeit, dass er daraus schließen müsste, dass niemals jemand sich hinsetzen könnte und einen Brief an die WSJ schreiben könne. Wir haben in unserer Galaxis viel mehr Planeten in der Nähe von Sternen gefunden, als wir uns einst vorgestellt haben und viel mehr Lebensformen auf unserem Planeten, die in extremen Umwelten existieren, als bei den frühen Schätzungen über die Häufigkeit des Lebens im Universum bekannt waren. Wenn überhaupt, dann sind die Chancen gestiegen, nicht geringer geworden. Das Universum würde sicherlich auch dann weiter existieren, wenn die Stärken der vier bekannten Kräfte anders wären. Es stimmt, wenn die Kräfte massiv andere Stärken hätten (derart kleine Abweichungen, wie vom Autor angenommen, reichen dafür aber nicht annähernd aus), dann hätte sich das Leben wie wir es kennen vielleicht nicht entwickelt. Das ist wohl eher ein Beispiel für das Finetuning des Lebens als Anpassung an das Universum in dem es sich entwickelt hat, als umgekehrt. Mein Kollege bei der ASU, Paul Davies hätte vielleicht gesagt, „dass der Anschein für Design überwältigend ist“, aber sein Statement sollte nicht falsch interpretiert werden. Auch der Anschein für das Design von Leben auf der Erde ist überwältigend, aber dank Charles Darwin wissen wir, dass der Anschein von Design nicht das gleiche wie Design ist, es ist tatsächlich ein Zeichen für die bemerkenswerte Effizienz der natürlichen Auslese.

Religiöse Argumente für die Existenz Gottes, fadenscheinig verschleiert als wissenschaftliche Argumente, dienen weder der Religion noch der Wissenschaft und wenn man einem Streiter für das Christentum erlaubt, sich als Wissenschaftler auszugeben, erweist das WSJ seinen Lesern einen Bärendienst.

--(Ende des Briefes)

Und in Erwartung der Erwiderung Metaxas, „befangener“ säkulärer Wissenschaftler zu sein, ist Krauss nicht der einzige – auf beiden Seiten der Debatte – der Metaxas Begründungen absurd findet. Geoffrey A. Mitelman, ein Rabbi der für die Huffington Post schreibt, findet den Artikel ebenso problematisch.

So verlockend es für jemanden wie Metaxas auch sein mag das zu glauben, beweist die Wissenschaft die Existenz Gottes kein Stück mehr, als sie es während der letzten paar Jahrhunderte getan hat.

Ironischer Weise und entgegen der Ansicht des WSJ, stärken mehr und mehr NASA Daten, insbesondere auch von der historischen Kometenlandung in 2014, die Überzeugung der Wissenschaftler, dass das Leben – oder zumindest die Ingredienzien für seine Entstehung – unglaublich häufig im Universum vorkommen. Wenn wir bis jetzt noch nichts von kleinen grünen Männchen gehört haben, könnte es einfach so sein: Das Universum umfasst einen gigantischen Raum und wir haben gerade mal angefangen uns umzusehen.

Übersetzung: Joseph Wolsing, Günter Dantrimont

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

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    Dirk Sork

    Herr Kammermeier, Ihr Kommentar ist brillant - und Ihr Buch würde mich sehr interessieren, wenn es erschienen ist... ;-)

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      Bernd Kammermeier

      Die Erwiderung ist völlig richtig. Vor allem: Falls die Parameter der Naturkräfte so wären, dass Leben unmöglich entstehen könnte, dann hätte Metaxas seinen dämlichen Artikel nie schreiben können. Wer weiß in wie viel Versuchsuniversen die Bedingungen so ungünstig waren, dass es keinen einzigen Metaxas gab?

      Ich habe gestern die Arbeiten an einem Buch (vorläufig) beendet, in dem ich andersherum vorgehe: Unsere Vorfahren konnten nichts von den Trillionen Sternen im Universum wissen, nichts davon, was Sterne überhaupt sind, was Planeten sind oder Naturkräfte. Insofern konnten sie unmöglich mittels Metaxas Quacksalberei "herausfinden", ob es einen Designer des Universums gäbe.

      Es gab für sie nur eine einzige Chance, etwas über "Gott" herauszufinden: Er musste sich ihnen leibhaftig offenbaren! Und genau das behaupten die "heiligen" Schriften. Nirgendwo steht geschrieben, die Astronomen und Physiker der Ägypter oder Babylonier hätten anhand statistischer Überlegungen auf die Existenz eines "Weltalldesigners" geschlossen.

      Also habe ich mich drangemacht und bin der Entstehung dieser Mythen und "Offenbarungen" auf den Grund gegangen. Und ich denke, dass ich recht lückenlos und in sich logisch die Entstehung des monotheistischen "Gottes" herausfand. Und wenn dies kulturhistorisch ausreichend belegt nachweisbar ist, dann erübrigt sich jede Suche nach "Gott" im äußeren Universum. Von diesem - ob er existiert, existierte oder nie existierte - konnten die Menschen damals nichts gewusst haben. Und sämtliche sogenannten "Offenbarungen" lassen sich erstaunlich homogen auf missverstandene Naturphänomene zurückführen. Und aus diesen lassen sich alle "Charaktereigenschaften Gottes" ableiten. Und die Theodizee-Problematik wird dabei auch gelöst: Naturkräften ist es vollkommen egal, wie sie auf uns wirken, so, wie es einem Hammer egal ist, dass es wehtut, wenn er im Zusammenspiel seiner Masse mit der Gravitation auf unseren Fuß fällt.

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