Bill Gates Jahresbrief: Die drei Mythen der Armut und Armutsbekämpfung

Jedes Jahr veröffentlicht Bill Gates einen Jahresbrief im Namen der von ihm und seiner Frau geführten “Bill & Miranda Gates Foundation” in denen sie zusammen Strategien präsentieren, um die Welt zu verbessern. Der diesjährige Brief widmet sich der Widerlegung der drei großen Mythen über Armut und Armutsbekämpfung und initiiert eine neue Kampagne – mit unterhaltsamen Videos von Bill Nye – the science guy, den Mythbusters und vielen mehr.

 Bill Gates Jahresbrief: Die drei Mythen der Armut und Armutsbekämpfung

Bill Gates in Afrika

Der erste Mythos lautet „Arme Länder bleiben arm“ und bezieht sich auf die häufige Fehlannahme, dass reiche Länder immer reicher werden und arme Länder dabei auf der Strecke bleiben, vor allem Afrika. Bill Gates zeigt in dem Brief und in Videos, dass seit 1960 ein Großteil der menschlichen Bevölkerung in die Mittelschicht aufgestiegen ist. Länder wie die Türkei und Chile haben jetzt dasselbe Pro-Kopf-Einkommen, wie die USA im Jahr 1960. Das „Niemandsland“ in Sachen Durchschnittseinkommen zwischen „erster Welt“ und „dritter Welt“ wurde von Ländern wie China, Indien und Basilien gefüllt. China’s BIP pro Kopf hat sich in diesem Zeitraum verachtfacht, Indien’s vervierfacht und Botswana’s sogar verdreißigfacht. Noch einschlägiger ist, dass es nur noch halb so viele arme Menschen gibt wie 1990. In Afrika wurden großartige Fortschritte gemacht, die Lebenserwartung von Frauen in Sub-Sahara Ländern stieg trotz der AIDS-Pandemie von 41 auf 57 Jahre, seit 1970 gehen fast doppelt so viele Kinder in die Schule (75 % heute) und Innovationen in der Medizin, Technologie und bessere Bildung legen ein starkes Fundament für positive Entwicklung.

Es ist ein Mythos, dass Entwicklungshilfe und die Globalisierung Afrika und den Rest der „dritten Welt“ im Regen stehen ließen - die Zahlen, Bilder und Menschen beweisen das Gegenteil. Von den wirtschaftlich zehn schnellst-wachsenden Ländern in den letzten fünf Jahren waren ganze sieben afrikanische Staaten. Bedauerlicherweise gibt es noch immer etwa eine Milliarde Menschen, die in akuter Armut leben und an Hunger leiden, aber jedes Land, das von der Armut in die Mittelschicht wächst, ist ein Land mehr, das keine Hilfe mehr benötigt und für andere Entwicklungshilfe leisten kann.

Der zweite Mythos: „Entwicklungshilfe ist eine große Verschwendung“. Zeitungen und Politiker veröffentlichen oft Berichte nach welchen die Effektivität und Effizienz von Auslandshilfe in Frage gestellt wird. Umfragen haben ergeben, dass Menschen den Anteil von Entwicklungshilfe auf etwa 25 % des Gesamtbudgets schätzen und dass es 10 % sein sollten – in diesem Fall wäre reichlich einzusparen. In Wirklichkeit ist der Anteil nur ein Bruchteil, am meisten gibt Norwegen (drei Prozent) für Entwicklungshilfe aus, die USA und die EU weniger als 1 %. Über ein Drittel dieser Hilfe wird für Gesundheit ausgegeben, also Impfungen, Hygieneartikel und Medikamente. Bill Nye zeigt in einem Video, dass 83 % der Tode von unter Fünf-jährigen übertragbarer Natur sind – in anderen Worten, mehr als vier von fünf toten Kindern hätte überlebt, wenn sie geimpft worden wären.  

Der Triumph von Entwicklungshilfe und ihren Impfungsprogrammen wird anhand von Zahlen noch deutlicher gemacht. Seit 1988 wurden 2,5 Milliarden Kinder gegen Polio immunisiert, die Zahl der Länder mit Polio sank von 125 auf drei. Würden wir eine Umfrage durchführen und Leute fragen, ob sie ein paar Euro entbehren könnten, um ein Kind gegen eine tödliche Krankheit zu immunisieren würde kaum jemand verneinen.
Kinder werden gesünder, gehen zur Schule und leisten später einen wichtigen Beitrag zu der Wirtschaft, Forschung und Politik – eine neue Generation voll Erfolg und Fortschritt.

Die Effizienz von Entwicklungshilfe steigt gleichzeitig rasant an. Korruption war einst ein großes Problem, ist mittlerweile aber zu einem großen Teil erfolgreich bekämpft. Die Bildung der Öffentlichkeit, das Internet und viele direkte Maßnahmen geben einen sehr exakten Überblick der Hilfsmaßnahmen und Aktivitäten. Jedoch selbst wenn ein kleiner Prozentanteil in der Schattenwirtschaft bleibt, z.B. 2 %, wäre das kein Grund Hilfe für Menschen zu stoppen.

Kritiker von Auslandshilfe argumentieren häufig, dass sie oft Abhängigkeit bildet, der lokalen Wirtschaft schadet etc. Bill Gates erklärt jedoch, dass sich die Strategien stark verbessert haben und viel dieser Kritik schlichtweg falsch ist. Ein großer Teil der Entwicklungshilfe in der Vergangenheit konzentrierte sich darauf Saatgut und Landwirtschaft zu verbessern, Programme der Gegenwart, wie die „grüne Revolution“ in Afrika, helfen Ländern mehr und mehr Nahrungsmittel selbst zu produzieren.

Der dritte Mythos bezieht sich auf Überbevölkerung der Erde wenn wir Menschen retten bzw. Lebensstandards erhöhen. In diesem letzten Abschnitt schreibt Melinda Gates über das verbreitete Missverständnis, dass die Weltbevölkerung zu einem Ausmaß wachsen würde, das nicht mehr nachhaltig wäre. Dies ist nicht nur falsch, sondern auch kein Grund Hilfsmaßnahmen zu reduzieren, um Kinderleben zu retten.
Es herrscht eine sehr starke Korrelation hoher Geburtenrate und Sterblichkeitsrate von Kindern, und zwar in armen Ländern. Wenn Länder mehr entwickelt und wohlhabender werden und mehr Kinder überleben, entscheiden sich Familien weniger Kinder in die Welt zu setzen – und es gibt kaum Ausnahmen. Daten von Ländern wie Brasilien und Thailand bestätigen diesen Trend, während die Sterblichkeitsrate von Kindern sinkt, verringert sich auch die Zahl an Kindern pro Familie fast in genau dem gleichen Ausmaß.

Darüber hinaus spielt die Mitwirkungsmöglichkeit von Frauen eine große Rolle, vor allem ihre Bildung. Studien beweisen, dass Frauen mit mehr Bildung später heiraten, mehr Mitbestimmungsrecht haben und weniger Kinder bekommen.

Bessere Bildung, Medizin, Infrastruktur und Gleichberechtigung führen zu beeindruckenden Ergebnissen. Menschen sind keine Maschinen, sondern fällen rationale Entscheidungen.

Ein größerer Prozentanteil der Bevölkerung ist im arbeitsfähigen Alter;  Innovationen und Technologie machen Länder wirtschaftlich und vor allem landwirtschaftlich effizienter und die allgemeine Lebensqualität steigt.

Die drei Mythen der Armutsbekämpfung sind wie Sandburgen zerbröselt. Arme Länder werden immer reicher, unsere Entwicklungshilfe hat die Welt verändert wie noch nie zuvor und Überbevölkerung wird sicherlich nicht stattfinden. Die täglichen Nachrichten vermitteln dramatische Bilder, doch in der Realität geht es Menschen Jahr für Jahr deutlich besser. 2013 starben 6 Millionen Kinder, diese Zahl ist noch immer viel zu hoch, jedoch gleichzeitig die niedrigste jemals aufgezeichnete. Das nächste Mal, wenn Sie einen dieser Mythen hören, erinnern Sie sich an die Fakten, machen Sie ihren Politikern klar, dass Entwicklungshilfe unabdingbar ist und spenden Sie doch etwas mehr, vor allem in Sachen Gesundheit machen ein paar Euro einen großen Unterschied.

Wir haben die Welt verändert und werden das weiterhin tun, bis es nichts mehr zu verbessern gibt.  


Hier noch ein Link zum Originaltext auf Deutsch http://annualletter.gatesfoundation.org/de

Kommentare

Neuer Kommentar

(Mögliche Formatierungen**dies** für fett; _dies_ für kursiv und [dies](http://de.richarddawkins.net) für einen Link)

Ich möchte bei Antworten zu meinen Kommentaren benachrichtigt werden.

* Eingabe erforderlich