Das Argument des unvollständigen Wissens

Ein Gedankenexperiment

Das Argument des unvollständigen Wissens

Foto: Pixabay.com / Peggychoucair

Marys Zimmer (auch einfach: Mary) ist ein vom Philosophen Frank C. Jackson ersonnenes Gedankenexperiment. Jackson hat es in Epiphenomenal Qualia erstmalig entwickelt und in What Mary Didn’t Know noch einmal erweitert. Das Argument, das durch dieses Gedankenexperiment untermauert werden soll, wird häufig als das Wissensargument (auch: Argument des unvollständigen Wissens, engl. knowledge argument) bezeichnet. Es richtet sich primär gegen den Physikalismus, der nach Jackson u.a. meint, dass alle Tatsachen physikalische Tatsachen sind.

1. Das Gedankenexperiment

Das Gedankenexperiment wurde von Jackson ursprünglich so formuliert:

Mary ist eine perfekte Neurowissenschaftlerin. Zeit ihres Lebens hat sie sich auf die neurophysiologischen Grundlagen der menschlichen Farbwahrnehmung spezialisiert. Wir nehmen an, dass Mary als Idealwissenschaftlerin alle Informationen über die physikalischen Vorgänge kennt, die vonstattengehen, wenn wir beispielsweise reife Tomaten oder den Himmel sehen und als „rot“ oder „blau“ beschreiben. Aus unempfindlichen Gründen befindet sich Mary jedoch seit ihrer Geburt in einem schwarz-weißen Raum und konnte sich ihr enormes Wissen über die Außenwelt auch nur mittels eines schwarzweißen Monitors aneignen. Zu Ende gedacht heißt das: Mary selbst hat noch nie Farben gesehen, sie weiß jedoch alles, was es (natur-)wissenschaftlich über Farbwahrnehmung zu wissen gibt. Ändert sich nun was, wenn Mary zum ersten Mal Farben zu Gesicht bekommt - wenn ja, was?“

- Frank Cameron Jackson: Epiphenomenal Qualia, S. 399

Nehmen wir an, Mary tritt aus dem schwarz-weißen Raum hinaus und sieht zum erstem Mal eine rote Rose. Erwirbt sie dadurch neues Wissen, da sie nun „weiß, wie es ist, die Röte einer Rose wahrzunehmen“? Und wenn ja, bedeutet dies, dass nicht alles Wissen naturwissenschaftliches-Wissen ist, da sie bereits vorher alles Naturwissenschaftliche über Farbwahrnehmungen gewusst hat?

2. Das Wissensargument

Jackson selbst geht davon aus, dass Mary mit ihrem ersten visuellen Farberlebnis neues Wissen über die Welt und speziell über die menschliche Farbwahrnehmung erlangt. Falls das wahr sein sollte, so folgen daraus zwei Dinge.

(1) Erstens die Existenz von phänomenalen (geistig erlebten), qualitativen Eigenschaften, Aspekten oder Bewusstseinsgehalten, die man nur erleben kann, sogenannte Qualia. Wenn wir das Gedankenexperiment für gültig halten, so glauben wir, dass Mary etwas gewinnt – dass sie Wissen über eine bestimmte Entität erwirbt, das sie vorher nicht besaß. Dieses Wissen, so argumentiert Jackson, ist Wissen von den Qualia des Rotsehens. Deswegen müsste anerkannt werden, dass Qualia reale Eigenschaften sind, da es einen realen Unterschied zwischen einer Person gibt, die Zugang zu bestimmten Qualia hat, und einer, die nicht über diesen Zugang verfügt.

(2) Zweitens folgt, wenn Mary mit ihrem ersten Roterlebnis etwas Neues lernt, nach Jackson die Falschheit des Physikalismus. Insbesondere ist das Wissensargument ein Angriff auf die Behauptung einiger Physikalisten, dass eine physikalische Erklärung mentaler Zustände (wie etwa einer Rotempfindung) vollständig sei. Mary mag alles über die Farbwahrnehmung wissen, was die Wissenschaft darüber wissen kann, aber ihr Wissen ist trotzdem noch nicht vollständig, da sie bis zu ihrer ersten persönlichen Farbwahrnehmung noch nicht weiß, wie es ist, die Farbe Rot zu sehen.

Jacksons Wissensargument lässt sich so formalisieren:

(P1) Mary weiß vor dem Verlassen ihrer schwarz-weißen Umgebung alles, was es physikalisch und physiologisch über das Farbsehen von Menschen zu wissen gibt.

(P2) Mary lernt beim ersten Anblick eines roten Gegenstands nach dem Verlassen ihrer schwarz-weißen Umgebung neues Wissen über das Farbsehen von Menschen.

(K1) Also lernt Mary beim ersten Anblick eines roten Gegenstands nach dem Verlassen ihrer schwarz-weißen Umgebung eine neue Tatsache.

(K2) Also kennt Mary vor dem Verlassen ihrer Umgebung nicht alle Tatsachen, die das Farbsehen von Menschen betreffen.

(K3) Also gibt es im Hinblick auf das Farbsehen von Menschen Tatsachen, die keine physikalischen Tatsachen sind.

(K3) Also gibt es nicht-physikalische Tatsachen.

(K4) Also ist der Physikalismus falsch.

Da Frank C. Jackson (P1) annimmt und (P2) für wahr hält, hält er auch die Konklusionen für wahr.

“It seems just obvious that she will learn something about the world and our visual experience of it. But then is it inescapable that her previous knowledge was incomplete. But she had all the physical information. Ergo there is more to have than that, and Physicalism is false.“

 „Es scheint offensichtlich zu sein, dass sie etwas Neues über die Welt und unser visuelles Erleben dieser lernen wird. Aber dann ist es unausweichlich, dass ihr vorheriges Wissen unvollständig war. Aber sie besaß alle physikalischen Informationen. Somit gibt es mehr, als nur diese zu besitzen, und der Physikalismus ist falsch.“ (Jackson: E.Q., S. 130)

3. Repliken

Das Wissensargument ist intuitiv einleuchtend (Was ihm sogar vorgeworfen wurde, vgl. Denett: „intuition pump“). In der Fachwelt, wo es ein riesiges Echo hervorgerufen hat, ist es jedoch heftig umstritten.

Der zentrale Streitpunkt betrifft die Frage: Ist der Übergang von (P2) zu (K1) gerechtfertigt? Können wir nicht zugeben, dass Mary etwas lernt, ohne einräumen zu müssen, dass es nicht-physikalische Tatsachen gibt? Um diese Frage haben sich drei Gruppen gebildet:

Gruppe I: Mary lernt zwar etwas Neues; aber sie lernt keine neue Tatsache. Sie erwirbt vielmehr eine neue Fähigkeit.

Gruppe II: Mary lernt zwar etwas Neues; aber sie lernt keine neue Tatsache. Sie erwirbt einen neuen Zugang zu einer ihr schon bekannten Tatsache.

Gruppe III: Mary lernt zwar eine neue Tatsache; aber daraus ergibt sich kein Argument gegen den Physikalismus.

3.1. Neue Fähigkeiten

Erkenntnistheoretiker unterscheiden zwischen propositionalem Wissen (knowing that) und Können (knowing how).

i. Propositionales Wissen ist Tatsachenwissen, das in „weiß, dass"-Sätzen formuliert werden kann:

(a1) Peter weiß, dass (knows that) der Mount Everest 8848 Meter hoch ist.

(b1) Peter weiß, dass (knows that) der Central Park in New York liegt.

ii. Dagegen stehen Fertigkeiten und Fähigkeiten [knowing how]:

(a2) Peter kann Posaune spielen (knows how to play the trombone).

(b2) Peter kann schwimmen (knows how to swim).

(P1) beschreibt, dass Mary im schwarz-weißen Zimmer bereits alle physikalischen Tatsachen über Farberlebnisse kennt. Das ist offensichtlich ein Fall von (propositionalem) Wissen (knowing that). Mary weiß, dass bestimmte Gegenstände Licht reflektieren, sie weiß, dass das reflektierte Licht durch die Linse des Auges auf die Netzhaut gelenkt wird und sie weiß auch, dass die von der Netzhaut ausgehende Information über den Sehnerv ans Gehirn weitergeleitet wird, usw.

Doch was beschreibt (P2)? Bejaht man Jacksons Annahme, man könne nicht-physikalische Tatsachen(!) lernen, so ist der Physikalismus (so wie ihn Jackson versteht) falsch. Vielleicht ist das, was sich Mary nach Verlassen ihres schwarz-weißen Zimmers aneignet, aber auch eine Fähigkeit? Welche Fähigkeit könnte das sein? Nun, man könnte argumentieren (siehe insbesondere: Laurence Nemirow, David Lewis), dass Mary lernt bzw. die Fähigkeit erwirbt, sich an Empfindungen dieser Art zu erinnern, sich Empfindungen dieser Art vorzustellen und Empfindungen dieser Art wiederzuerkennen.

Insbesondere Laurence Nemirow und David Lewis haben die These vertreten, dass das, was Mary erwirbt, in genau diesem Sinne eine Fähigkeit, ein Wissen-Wie ist. Die Fähigkeitshypothese besagt also, dass das, was Mary erwirbt, die Fähigkeit ist, sich an Empfindungen dieser Art zu erinnern, sich Empfindungen dieser Art vorzustellen und Empfindungen dieser Art wiederzuerkennen.

Die Fähigkeitshypothese soll nach Nemirow dreierlei erklären können:

(1) Erstens, warum wir im Zusammenhang mit der Frage, wie es ist, eine bestimmte Empfindung zu haben, überhaupt das mit Phänomenen des Wissens verbundene Vokabular verwenden. Wir sprechen davon, dass jemand entdeckt, weiß, sich erinnert oder vergisst, wie sich eine bestimmte Empfindung anfühlt, weil diese Ausdrücke im Zusammenhang mit Fähigkeiten absolut angemessen sind.

(2) Zweitens soll die Annahme uns erlauben, Nagels Schluss auf den subjektiven Charakter von Empfindungen zu vermeiden. Denn, wenn wir Wissen darüber, wie es ist, eine bestimmte Empfindung zu haben, mit der Fähigkeit identifizieren, sich diese Empfindung vorzustellen, ist gar nichts Merkwürdiges mehr an der Feststellung, dass nur diejenigen dieses Wissen erwerben können, die in der Lage sind, eine bestimmte Erfahrungsperspektive einzunehmen.

(3) Und drittens erklärt uns diese Annahme, warum es so schwierig (oder vielleicht sogar unmöglich) ist, unser Wissen, wie es ist, eine bestimmte Empfindung zu haben, in Worten auszudrücken. Denn dies gilt für sehr viele Fähigkeiten – z.B. für die Fähigkeit, mit den Ohren zu wackeln, oder die Fähigkeit, einen Hut auf einem Stock zu balancieren.

Dem entgegnet Jackson aber: „[E]s ist sicher wahr, dass Mary nach ihrer Befreiung eine Reihe verschiedener Fähigkeiten erwirbt. (...) Aber ist es plausibel anzunehmen, dass das alles ist, was sie erwirbt?“ (Jackson 1986, 394) Angenommen, Mary interessiert sich für das Problem des Fremdpsychischen, d.h. für die Frage, ob man wirklich wissen kann, ob andere Menschen dasselbe wie man selbst empfinden, wenn sie Tomaten oder Feuerwehrautos sehen. Nach ihrer Befreiung sieht sie zum ersten Mal eine reife Tomate und sagt spontan zu sich selbst: „So ist es also für mich und für andere, einen Roteindruck zu haben.“

Doch dann fällt ihr das Problem des Fremdpsychischen wieder ein, und sie fragt sich: „Ist es wirklich auch für andere so, einen Roteindruck zu haben?“. Nach kurzem Hin und Her entschließt sie sich, diesen Zweifel zu verwerfen. Letzten Endes glaubt sie also, dass es auch für andere genau so ist, einen Roteindruck zu haben.

„Worum ging es bei ihrem Hin-und-her-Überlegen – um ihre Fähigkeiten? Sicher nicht; denn sie wusste, dass sich ihre repräsentationalen Fähigkeiten die ganze Zeit über nicht veränderten. Worum sonst kann es also in ihren mühsamen Überlegungen gegangen sein als darum, ob sie faktisches Wissen über andere erworben hat oder nicht? Wenn eine Fähigkeit alles gewesen wäre, was sie bei ihrer Befreiung erworben hat, hätte es nichts gegeben, worüber sie hätte nachdenken können.“

- Frank C. Jackson: What Mary didn´t know, S. 394

Also lässt sich das, was Mary lernt, nur so beschreiben:

„Sie wird bemerken, dass es die ganze Zeit (...) über etwas (...) gegeben hat, das ihr entgangen ist. Die ganze Zeit über hatten die Empfindungen [der Menschen, deren Farbsehen sie untersuchte] (...) ein Merkmal, das für [diese Menschen selbst] augenfällig, für sie aber bisher verborgen war (...)“

- Frank C. Jackson: What Mary didn´t know, S. 394

Mary lernt auch bzw. weiß, dass es sich auf eine ganz bestimmte Weise anfühlt, einen roten Gegenstand zu sehen.

3.2. Alte Tatsache

Vertreter dieser Gruppe bezweifeln, dass Mary nach ihrer Befreiung eine neue Tatsache lernt; sie gestehen aber zu, dass sie einen neuen Zugang zu einer ihr schon bekannten Tatsache erwirbt. Ein Blinder kann beispielsweise durchaus in der Lage sein, Farbbegriffe korrekt zu verwenden, und er kann daher auch wissen, welche Farben etwa die Gegenstände haben, die vor ihm auf dem Tisch liegen.

Er benötigt allerdings besondere Instrumente, um dies herauszufinden – z.B. Instrumente, die messen, Licht welcher Wellenlängen von diesen Gegenständen reflektiert wird, und die die Ergebnisse dieser Messungen in akustischer oder tastbarer Form ausgeben. Wir dagegen benötigen keine speziellen Instrumente; wir können ohne weitere Hilfsmittel einfach sehen, welche Farben etwa die Gegenstände haben, die vor ihm auf dem Tisch liegen. Offenbar haben wir zu denselben Tatsachen also einen anderen Zugang als der Blinde.

Genau in diesem Sinne, so die Vertreter der Gruppe 2, gewinnt auch Mary nach ihrer Befreiung einen neuen Zugang zu der alten Tatsache, dass Blaueindrücke durch das qualitative Merkmal der Bläue gekennzeichnet sind. Sie konnte dies auch schon vorher wissen, und zwar im Wesentlichen aus den Berichten der von ihr untersuchten Menschen. Nach dem Verlassen ihres schwarz-weißen Gefängnisses ist sie auf diese Berichte jedoch nicht mehr angewiesen, da sie nun selbst auf direktem Wege in der Lage ist, das Bestehen dieser Tatsache festzustellen.

Wenn Mary aber einen neuen Zugang zu einer ihr schon bekannten Tatsache erwirbt, dann scheint dies zu implizieren, dass sie auch einen neuen Begriff erwirbt. Denn der Ausdruck ‘Röte’ bekommt für sie doch wohl auf jeden Fall einen neuen Sinn, wenn sie zum ersten Mal selbst eine reife Tomate sieht und daher zum ersten Mal selbst einen Roteindruck hat. Wenn das so ist, drückt der Satz „Roteindrücke sind durch das qualitative Merkmal der Röte gekennzeichnet“ für Mary nach ihrer Befreiung aber eine andere Tatsache aus als vorher. Und dies wiederum scheint zu implizieren, dass sie doch Wissen um eine neue Tatsache erwirbt.

3.3. Kein Gegenargument

Vertreter dieser Gruppe unterscheiden zwei Tatsachenbegriffe:

1. Grobkörnige Tatsachen (Wittgenstein): Elementare Tatsachen bestehen darin, dass ein Gegenstand eine bestimmte Eigenschaft hat oder dass eine Reihe von Gegenständen in einer bestimmten Relation zueinanderstehen. Tatsachen sind bestehende Verkettungen von Eigenschaften bzw. Relationen und Gegenständen. Zwei Sätze ‘Fa’ und ‘Gb’ drücken dieselbe Tatsache aus, wenn ‘a’ und ‘b’ denselben Gegenstand und ‘F’ und ‘G’ dieselbe Eigenschaft bezeichnen. Eine (grobkörnige) Tatsache kann also z.B. darin bestehen, dass Hans die Eigenschaft hat, blond zu sein; oder darin, dass Anna zu Laura in der Relation des Schwester-Seins steht.

Dieser Auffassung zufolge drücken die beiden Sätze dieselbe Tatsache aus:

(1) Der Morgenstern ist ein Planet.

(2) Der Abendstern ist ein Planet.

2. Feinkörnige Tatsachen (Frege): „Was ist eine Tatsache? Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist.“ (Frege „Der Gedanke“ 1918/9, 50) Gedanken sind aber die Sinne von Sätzen. Und in ihrem Sinn unterscheiden sich die Sätze (1) und (2). Nach Frege bleibt daher nur der Schluss, dass diese Sätze verschiedene Tatsachen ausdrücken.

Vertreter der dritten Gruppe argumentieren nun, dass Mary nach ihrer Befreiung zwar eine neue Tatsache lernt; dass es sich dabei aber nur im feinkörnigen Sinn um eine neue Tatsache handelt. Grobkörnig gesehen lernt sie nichts Neues.

Deshalb ergibt sich daraus, dass Mary nach ihrer Befreiung eine neue Tatsache lernt, kein Argument gegen den Physikalismus. Denn der Physikalismus behauptet nur, dass alle Gegenstände physische Gegenstände und alle Eigenschaften physische Eigenschaft sind. D.h. der Physikalismus behauptet nur, dass alle grobkörnigen Tatsachen physische Tatsachen sind.

Ich fühle mich dieser dritten Gruppe zugehörig.

Hauptliteratur

Ansgar Beckermann: Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes. 2008.

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Kommentare

  1. userpic
    Stephan W.

    Sehr schön beschrieben.
    Genau in dieser Problematik befinden sich wohl die meisten Diplom Psychologen, denn mir ist in über 40 Jahren nicht ein Psychiater über den Weg gelaufen, der selber mal an einer Depression erkrankt ist!!!
    Somit hatte/habe ich bei dem Gebiet Psychologie immer das Gefühl, es hat mehr mit dem "rumstochern" in einer Blackbox zu tun, als ein wirklicher Kenntnisstand.
    Schönen Gruß
    Der Steph

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    1. userpic
      Thomas R.

      Das Gedankenexperiment enthält mehrere Denkfehler. In einem Gedankenexperiment ist prinzipiell alles Denkbare möglich - das bespochene Gedankenexperiment enthält aber Undenkbares.
      "Mary weiß alles, was es über Farben zu wissen gibt." Diese Prämisse kann man sich zwar in der Form denken, dass da eine Person ist, die das alles weiß, so wie man sich z.B. auch einen allmächtigen Gott denken könnte, aber da man selbst nicht dieses Wissen hat und auch niemals erlangen kann, kann man nicht folgern, was Mary mit ihrem Wissen alles folgern kann. Denn könnten wir wissen, was Mary weiß, wäre das Gedankenexperiment überflüssig.

      "Wird Mary neues Wissen erlangen, sobald sie die Farbe Rot zum ersten Mal wahrnimmt?" Diese Frage können wir nicht beantworten. Damit ist das Gedankenexperiment bereits beendet. Könnten wir diese Frage bejahen, wäre der Physikalismus vorerst gerettet. Da wir die Frage aber auch nicht verneinen können, ist der Physikalismus vorerst auch nicht widerlegt.
      "Alles über Farben zu wissen" umfasst auch das Wissen darüber, wie es ist, wenn man Farben wahrnimmt. (Genau genommen gibt es Farben nur in der Wahrnehmung.)

      Könnte ein Mensch alles(!) über Farben wissen, würde er auch wissen, wie es ist, wenn man Farben wahrnimmt, ohne dass er jemals Farben tatsächlich wahrgenommen hat. Mary könnte blind sein, würde aber trotzdem wissen, wie es ist, Farben wahrzunehmen. Würde sie das nicht wissen, wüsste sie nicht alles über Farben.

      Stellen wir uns ein Wesen vor, dessen Wahrnehmungs- und Denkfähigkeiten die unseren in undenkbarem Umfang überschreiten. Dieses Wesen würde nicht, so wie wir, das von Oberflächen reflektierte Licht der Dinge wahrnehmen, sondern könnte alles Innere der Dinge erkennen - was die kleinsten, physikalischen Teilchen beeinhaltet, aus denen sich (laut Physikalismus) alles zusammensetzt. Dieses Wesen könnte darüber hinaus auch alle Zustände und Abläufe vollständig verstehen, die auf der Teilchenebene stattfinden.
      Das würde bedeuten, dass dieses Wesen, sobald es einen Menschen betrachtet, sich sämtlicher physikalischen Vorgänge in dessen Körper gewahr wird. Es würde erkennen, was auf physikalischer Ebene im Gehirn dieses Menschen vor sich geht, und könnte ebenfalls verstehen, wie sich das auf die höheren Ebenen auswirkt - Dieses Wesen würde wissen, was der betrachtete Mensch denkt und fühlt.
      Sobald dieses Wesen also einen Menschen betrachtet, simuliert es in seinem eigenen Gehirn (oder sonstigem Denkapparat) die phsikalischen Zustände und Vorgänge innerhalb des Körpers dieses Menschen. Im Gehirn dieses Wesen wäre dann eine exakte Kopie des tatsächtlichen Menschen simuliert. Die exakte Kopie denkt und fühlt genau so, wie der tatsächliche Mensch, der gerade betrachtet wird, solange er betrachtet wird. Die Kopie hätte genau so ein Bewusstsein wie sein Original, ohne zu wissen, dass sie eine Kopie ist (die äußere Welt, die der originale Mensch wahrnimmt, müsste dazu nicht simuliert werden, da die Welt, wie sie der Mensch wahrnimmt, bereits im Menschen (Original als auch Kopie) vorhanden ist.)

      Zum Schluß stelle man sich noch vor, dieses Wesen würde sich selbst in einer Art Spiegel betrachten.

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