Der unantastbare Glaube

Ich erinnere mich, wie die Menschen aus den brennenden Türmen sprangen. Etwas wie die Apokalypse, die von so vielen erwartet worden war, hatte neun Monate nach der Jahrtausendwende vor unseren Augen stattgefunden. Auch ich nahm Bush nicht ernst, als er sagte, dass es Terroristen waren, die uns für unsere Freiheiten hassen.

Der unantastbare Glaube

Marty Lederhandler/AP

Terror ist nach fünfzehn Jahren ein Codewort geworden für Islamismus. Jetzt will der Senat die Codierung beenden. Sie verwirrt diesen Terror mit anderen Formen, entmenschlicht die Opfer des Islam und erschwert die Auseinandersetzung mit ihm.

Obama weigert sich. Die Mehrheit der Muslime sei friedlich und deute den Islam also richtig (er ist eine Religion des Friedens).

Natürlich ist die relative Zahl der Märtyrer (darauf läuft es hinaus, den Westen anzugreifen) gering. Was nicht mehr codiert oder verschleiert werden darf: Die Angriffe auf den Westen, der Islam und die Verhältnisse in den islamisch-mitregierten Staaten bilden ein Kontinuum. Von friedlichen Muslimen und einer Religion des Friedens zu reden, ist in der Tat Appeasement.

Westliche Muslime sprechen nicht für den Islam. Die Verhältnisse in islamisch-mitregierten Staaten sprechen für den Islam. Gruppen wie der Islamische Staat vertreten dieselben Regeln, unter denen die Mehrheit aller Muslime weltweit leidet. Ganz banal und ohne Aufschrei droht Schwulen, Atheisten und Konvertiten im Nahen Osten Verfolgung und oft die Todesstrafe (die einzige freie Gesellschaft dort ist Israel). Eine winzige Minderheit der Frauen im Islam kann davon träumen, sich nach Laune zu kleiden oder zu heiraten, wann und wen sie will.

Religiöse Gewalt und rechte

Die Regime, Kriege, Genozide und generelle Rückständigkeit des Nahen Osten haben natürlich mit der Religion zu tun. Deutungen haben sich an der Wirklichkeit auszurichten, andersrum ist es Schönfärberei. Prägung (aus Jahrhunderten der Kirchenherrschaft) gibt uns ein, den Namen des Glaubens, der mehr getan hat als irgendetwas sonst, das Abendland zu beuteln, gleichbedeutend mit „gut“ zu verwenden (christlich). Die Neigung zu glauben, der Islamische Staat könne mit der wahren Religion nichts zu tun haben (er sei unislamisch), erklärt sich auf dieselbe Weise.

Bezeichnend auch, dass sich Deutschlands Kirchen nach 1945 im Widerstand zeigen. Wer über die Verstrickung der Kirche, die Religiosität Nazideutschlands und die Vorgeschichte der Shoah liest, wird sich wundern. Moderne Hobbyreligiosität (Sonntagsglaube oder glauben, bis es beinah ernst wird) verträgt sich schlecht mit dem, was der Monotheismus ist, wo er herrscht wie heute in der Dritten Welt, der islamischen Welt und in Nischen noch bei uns. Als Phänomen des Kulturalismus waren Kinderehen bis eben (September 2016) erlaubt. Erst nach den Anschlägen im vergangenen Sommer (bei denen Deutsche der religiösen Gewalt in Deutschland persönlich begegnet sind) fanden wir den moralischen Kompass wieder.

Neu ist die Islamophobie-Hysterie. Das Wort Islamophobie ist instrumentalisierte Sprache. Es macht eine Ideologie, einen Glauben (so vielfältig der Islam sein mag), unantastbar. Wer ohne Selbstzensur redet, begibt sich in Terrorgefahr und wird zugleich als Populist isoliert. Die Liste ernsthafter Islamkritiker ist voller Fatwas. Wer sonst hat ins Schwarze getroffen, wenn nicht Konvertiten wie Ayaan Hirsi Ali.

Seit Theo van Goghs Tod wird Islamkritik wahrgenommen wie Rassismus. Nicht islamische Gewalt wird wahrgenommen, sondern ihre Gegenreaktion amplifiziert. Es gilt das Gebot, Muslime nicht zu reizen. Vierundzwanzig Stunden nach dem Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo brachte Asghar Bukari auf Sky News diese neue Sichtweise auf den Punkt: Europas Umgang mit Muslimen sei wie die Rassentrennung in den Südstaaten der Dreißigerjahre.

In Teilen ist die Islamkritik der neuen Rechten sicher fremdenfeindlich. Solange es keine vernünftige Kritik von Seiten des Mainstreams gibt, wird das nur zunehmen. Man begegnet der neuen Rechten genauso falsch wie den Muslimen. Die einen behütet man vor nötiger Kritik, die anderen erklärt man rundheraus für schlecht. Überall fehlt Glaubenskritik (rein sachliche, atheistische Auseinandersetzung mit Ideen) und echter Respekt vor den Menschen.

Die Niederschlagung immer neuer Terrorgruppen wird den Islamismus nicht besiegen. Sogar umgekehrt, die Radikaliserung setzt sich fort—auch in Nischen des Westens. Gerade jetzt im Informationszeitalter, mit seiner eigenen Ahistorität und Fragmentierung, brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Vernunft. Die Islam-Auseinandersetzung, die den Republikanern im Senat von Obama vorschwebt, wäre bestimmt kein guter Kompromiss. Zu sehr hängen die amerikanischen Politiker heute (die Gründerväter waren anders) am Christentum und einer provinziellen Vorstellung von Amerika. Bessere Alternativen liegen an uns.

Was macht eine freie Gesellschaft aus?

Wie wir handeln, ergibt sich immer aus dem, was wir glauben. Auf der einen Seite steht das Glauben, das mit der Welt einen (mehr oder weniger) logischen Dialog führt, das (mehr oder weniger) kluge Glauben. Daneben steht der unantastbare Glaube, abgehoben von der Wirklichkeit: Religionen, Sekten, privater Wahn und weltliche Ideologien.

Die Kritik-Tabuisierung (Islamkritik gleich Islamophobie) ist die Umkehr der Tabu-Kritik der Aufklärung, ein Verrat an den Idealen der eigenen Gesellschaft. Man tut fast so, als kenne das kritiklose Geltenlassen potentiell gefährlicher Ideen nur die Alternative einer Dystopie wie in Minority Report. Glaubenskritiker erscheinen uns, wenn nicht als Nazis, doch als Faschisten der Gedankenpolizei. Dieser Haltung liegt ein Begriff von Freiheit zugrunde, der sein Gegenteil bedeutet.

Nicht nur folgt unser Handeln immer aus dem, was wir von Moment zu Moment glauben, sondern auch Freiheit, die immer persönliche Freiheit ist, besteht nur in bestimmten Formen der Gesellschaft. Solche sind mehrmals in der Geschichte entstanden. Das frühe Bagdad ist ein Beispiel aus dem Mittelalter. Während Europa vom Christentum in einen Fieberwahn versetzt worden war, herrschte relative Offenheit im Kalifat, ein Pragmatismus, zeitweise fast frei von Dogmatismus, mit bleibenden Errungenschaften. Das hier entscheidende ist aber, dass diese Blütezeit zu Ende ging, als Ghazali die Theologie zur zentralen, zur einzigen Wissenschaft im Islam etablierte, und dass seit tausend Jahren keine Tradition des Humanismus oder der Wissenschaft im Islam entstehen konnte.

Wie in der islamischen Welt bis heute sichtbar, bilden Monotheismus und Feudalstaat eine natürliche Einheit. Europa begann sich ab der Renaissance vom Monotheismus zu erholen. Das betraf Christen und Juden, die in Europa lebten. Wie man sich an die Vorbilder aus der Antike erinnerte, wuchs die Skepsis am Obrigkeitsdenken. Von der Kirche zunächst verfolgt und dann Schritt für Schritt absorbiert (die Kirche behauptet heute, sie entstünden aus ihr) entstanden Wissenschaft und Humanismus erneut.

Es ist die Essenz jeder Religion, bereits etablierte Weisheiten mit absurden Behauptungen zu verwirren. In der ersten Phase des Wiedererwachens der Vernunft in Europa riskierte sein Leben, wer die alten Ideen anzweifelte. Man tat es oft nur indirekt, verdeckt. Atheisten in Ländern wie Saudi-Arabien und dem Iran sind noch heute gezwungen, es so zu tun. In Europa entstand eine Streitkultur, angelehnt an das Beispiel der Griechen und Römer, die Streitkultur der Aufklärung. Die Virginia Bill of Rights 1776 (die erste moderne Grundrechtserklärung) und die amerikanische Revolution waren ihr Sieg. Hier fanden konstitutive Form: die Glaubensfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat, die Meinungsfreiheit, das Petitionsrecht, das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit.

Das sind die Fundamente freier Gesellschaften, und freie Gesellschaften sind das Merkmal der modernen Zivilisation. Die Welt ist besser durch sie, bei allen Fehltritten des Westens. Neben Semperoper und Ballermann mag die Einfachheit des Glaubens ein Idyll erscheinen. Unsere Freiheiten gelten mehr.

Jonathan Raphael ist 30 Jahre, Atheist und Kosmopolit aus Trier, seit 3 Jahren Deutschlehrer an einer katholischen Grundschule in Valencia.

Kommentare

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    Vít Zgažar

    Beste Zusammenfassung über die deutsche Massenneurose gerade

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      Mari Luz Iglesias Peral

      How would the Islam-is-peace narrative adjust to a Trump presidency?

      https://twitter.com/islanaboombu/status/775980260970160128

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        Mari Luz Iglesias Peral

        The Shoe Bomber was a Muslim
        The Beltway Snipers were Muslims
        The Fort Hood Shooter was a Muslim
        The underwear Bomber was a Muslim
        The U-S.S. Cole Bombers were Muslims
        The Madrid Train Bombers were Muslims
        The Bafi Nightclub Bombers were Muslims
        The London Subway Bombers were Muslims
        The Moscow Theatre Attackers were Muslims
        The Boston Marathon Bombers were Muslims
        The Pan-Am flight #93 Bombers were Muslims
        The Air France Entebbe Hijackers were Muslims
        The Iranian Embassy Takeover, was by Muslims
        The Beirut U.S. Embassy bombers were Muslims
        The Libyan U.S. Embassy Attack was by Musiims
        The Buenos Aires Suicide Bombers were Muslims
        The Israeli Olympic Team Attackers were Muslims
        The Kenyan U.S, Embassy Bombers were Muslims
        The Saudi, Khobar Towers Bombers were Muslims
        The Beirut Marine Barracks bombers were Muslims
        The Besian Russian School Attackers were Muslims
        The first World Trade Center Bombers were Muslims
        The Bombay & Mumbai India Attackers were Muslims
        The Achille Lauro Cruise Ship Hijackers were Muslims
        The September 11th 2001 Airline Hijackers were Muslims’
        Think of it:
        Buddhists living with Hindus = No Problem
        Hindus living with Christians = No Problem
        Hindus living with Jews = No Problem
        Christians living with Shintos = No Problem
        Shintos living with Confucians = No Problem
        Confusians living with Baha’is = No Problem
        Baha’is living with Jews = No Problem
        Jews living with Atheists = No Problem
        Atheists living with Buddhists = No Problem
        Buddhists living with Sikhs = No Problem
        Sikhs living with Hindus = No Problem
        Hindus living with Baha’is = No Problem
        Baha’is living with Christians = No Problem
        Christians living with Jews = No Problem
        Jews living with Buddhists = No Problem
        Buddhists living with Shintos = No Problem
        Shintos living with Atheists = No Problem
        Atheists living with Confucians = No Problem
        Confusians living with Hindus = No Problem
        Muslims living with Hindus = Problem
        Muslims living with Buddhists = Problem
        Muslims living with Christians = Problem
        Muslims living with Jews = Problem
        Muslims living with Sikhs = Problem
        Muslims living with Baha’is = Problem
        Muslims living with Shintos = Problem
        Muslims living with Atheists = Problem
        MUSLIMS LIVING WITH MUSLIMS = BIG PROBLEM
        *******SO THIS LEAD TO ***********
        They’re not happy in Gaza
        They’re not happy in Egypt
        They’re not happy in Libya
        They’re not happy in Morocco
        They’re not happy in Iran
        They’re not happy in Iraq
        They’re not happy in Yemen
        They’re not happy in Afghanistan
        They’re not happy in Pakistan
        They’re not happy in Syria
        They’re not happy in Lebanon
        They’re not happy in Nigeria
        They’re not happy in Kenya
        They’re not happy in Sudan
        ***** So, where are they happy? **********
        They’re happy in Australia
        They’re happy in England
        They’re happy in Belgium
        They’re happy in France
        They’re happy in Italy
        They’re happy in Germany
        They’re happy in Sweden
        They’re happy in the USA & Canada
        They’re happy in India
        They’re happy in almost every country that is not Islamic! And who do they blame? Not Islam… Not their leadership… Not themselves… THEY BLAME THE COUNTRIES THEY ARE HAPPY IN!! And they want to change the countries they’re happy in, to be like the countries they came from where they were unhappy and finally they will be get hammered
        !!!!
        Islamic Jihad: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        ISIS: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Al-Qaeda: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Taliban: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Hamas: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Hezbollah: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Boko Haram: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Al-Nusra: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Abu Sayyaf: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Al-Badr: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Muslim Brotherhood: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Lashkar-e-Taiba: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Palestine Liberation Front: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Ansaru: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Jemaah Islamiyah: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        Abdullah Azzam Brigades: AN ISLAMIC TERROR ORGANIZATION
        AND A LOT MORE!!!!!!!
        Think about it…….. frown emoticon 20 signs that psychopath Muslims do:
        1] Kill any one who insults Islam or Moham-mad. (Koran.33;57-61).
        2) Kill all Muslims who leave Islam. (Koran.2;217/4;89/Bukhari.9;84-57).
        3) Koran can not be doubted. (Koran.2;1).
        4) Islam is the only acceptable religion. (Koran.3;85).
        5) Muslims must fight (jihad) to non-Muslims, even if they don’t want to. (Koran.2;216).
        6) We the non-Muslims are pigs and apes. (Koran. 2;62-65/Koran.5;59-60/Koran.7;166).
        7) We the non-Muslims cannot be friends with Muslims. (Koran.5;51).
        We the non-Muslims sworn enemies of Muslims and Islam. (Koran.4;101).
        9) We the non-Muslims can be raped as sex slave. (Koran.4;3 & 24/5;89/23;5/33;50/58;3/70;30).
        10) We the non-Muslims the vilest of creatures deserving no mercy. (Koran.98;6).
        11) Muslim must terrorized us (non-Muslims). (Koran.8;12 &59-60/ Bukhar

        Kudos https://www.facebook.com/jane.mann.12

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          Michał Rusin

          germans are too scared to say anything...

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            Udo Endruscheit

            Großartig. Ebenso geschichts- wie gegenwartsbewusst. Ich bin beeindruckt.

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