Gottlos

Wie organisieren sich Konfessionslose und was sind ihre Forderungen? Sicher, wer gläubig ist, der hat seine Gemeinde.

Gottlos

Karikatur: Michael Holtschulte

Dessen Interessen hinsichtlich seines Glaubens und der Ausübung seiner Religion vertritt im Zweifel der Imam, der Mönch, der Pastor, der Pfarrer, der Rabbi oder jedweder andere Vorstand einer religiösen Gemeinschaft – alphabetisch sortiert und damit ohne Gewichtung, damit das klar ist.Es gibt aber auch Menschen, die keiner Konfession angehören und auch nicht an einen oder mehrere Götter glauben. Und das sind nicht wenige. Einen Hinweis auf die Zahl konfessionsloser Menschen liefert der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung. 2013 glaubten 27 Prozent der Befragten in Westdeutschland und 68 Prozent in Ostdeutschland „wenig oder gar nicht“ an einen Gott. Auf die Frage: „Als wie religiös würden Sie sich selbst bezeichnen?“, antworten 35 Prozent (West) bzw. 72 Prozent (Ost): „wenig bis gar nicht“. Das wäre eine klare Mehrheit gegenüber denjenigen, die sich als ziemlich oder sehr gläubig bezeichneten (21 bzw. 12 Prozent).

Doch wo finden Konfessionslose, Nichtgläubige, Atheisten Unterstützung, wenn es um ihre weltanschaulichen Interessen geht? Der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst REMID hat eine Liste von Organisationen aufgestellt. Der Humanistische Verband Deutschland (HVD) ist mit 21.000 Mitgliedern die stärkste Kraft. Der Verein Jugendweihe Deutschland hat 9000 Mitglieder – die Jugendweihe ist ein alternatives Fest der Konfessionslosen, vergleichbar mit der Kommunion oder Konfirmation bei den Christen. Die Freidenker zählen 3000 Mitglieder in ihren Reihen. Auf der Liste befinden sich aber auch Gruppen, die Religion parodieren – zum Beispiel die „Kirche des Fliegenden Spaghetti Monsters Deutschland“, die wissenschaftliche Weltanschauungen durch Satire auf Basis der Schöpfungsgeschichte fördern will und 150 Mitglieder zählt.

Zwar gehören diese Gruppen den Konfessionslosen an, in einzelnen Punkten unterscheidet sich ihre Ausrichtung aber. Soll Religionsunterricht an Schulen ganz verboten oder soll nur eine Art Ethik- oder Weltanschauungsunterricht ebenbürtig danebengestellt werden? Soll die Kirchensteuer abgeschafft werden oder soll sie eben auch den Religionsfreien zugutekommen? Solche Fragen sorgen in säkularen Kreisen für Diskussionen. In Hamburg versuchen Konfessionslose seit Juni vergangenen Jahres sich anzunähern und in Zukunft mit einer Stimme zu sprechen. Sieben humanistische, freidenkerische und säkulare Organisationen haben sich zum „Säkularen Forum Hamburg“ (SF) zusammengetan – die Giordano-Bruno-Stiftung, der HVD, die Jugendweihe Hamburg, die Unitarier, die IG Humanistische Lebenskunde, die Stiftung Geistesfreiheit und der Verband freier Weltanschauungsgemeinschaften.

„Unter Religion verstehen wir Selbstbestimmung. Wir wollen als Sprachrohr bei Veranstaltungen auftreten und gerne einmal Staatsverträge unterschreiben, wie sie andere religiöse Gruppen mit den Ländern haben“, sagt SF-Schriftführer Heiko Porsche, der eine Gesamtzahl von rund 1000 Mitgliedern in dem Zusammenschluss zählt, der in Kürze ein eingetragener Verein werden soll. Die Hamburger Säkularen sehen eine Mehrheit der Bevölkerung hinter ihren Ideen, Grundsätzen und Forderungen, wenn sie von „mehr als 60 Prozent konfessionsfreien Hamburger Bürgern“ sprechen. „Man kann doch nicht eine Mehrheit der Bevölkerung negieren. Aber ohne politische Kontakte geht gar nichts“, sagt Porsche. Deshalb sei Netzwerkarbeit gefragt.

In einer Grundsatzerklärung formulieren die Mitglieder des Säkularen Forums Hamburg, was sie erreichen wollen. Eine politische und gesellschaftliche Vertretung konfessionsfreier Bürger. Die Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Gleichbehandlung in öffentlich-rechtlichen Medien, Stichwort wäre hier sozusagen ein „Säkulares Wort zum Sonntag“. Sie wollen einen Lehrstuhl für humanistische Philosophie einrichten und die theologischen Lehrstühle in religionswissenschaftliche Institute umwandeln lassen. Außerdem sind sie stark daran interessiert, den Religionsunterricht in den Schulen zu verändern. „Es kann nicht unser Ziel sein, die Integration durch Gegensätze zu behindern, indem wir die Kinder nach ihren Religionen voneinander trennen“, sagt Porsche. Die Kinder sollten einen integrativen Unterricht bekommen, also gemeinsam alle Religionen kennenlernen.

Das könnte gegenseitige Diskriminierung verhindern. Auch gegenüber Konfessionslosen, ob offen oder versteckt, findet Demütigung statt, sagt Porsche. Auf Veranstaltungen würden sie immer mal wieder mit faschistischen, „gottlosen“ Regimen verglichen oder beleidigt. Im Religionsmonitor wird der Atheismus in Westdeutschland von 36 Prozent, in Ostdeutschland von 16 Prozent der Befragten als „Bedrohung“ wahrgenommen.

Web:
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Kommentare

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    Norbert Schönecker

    Zwei kurze Gedanken dazu:
    1) Wenn ein (offenbar christlicher) Theist wie ich sich regelmäßig mit den Vorwürfen bezüglich Kreuzzüge auseinandersetzen muss, dann muss ein Atheist sich mit Vorwürfen bezüglich Stalinismus auseinandersetzen. Das ist durchaus fair, selbst wenn es fast immer weit an einer sinnvoll-sachlichen Diskussion vorbeigeht.
    2) Es ist sicher schwierig, eine gemeinsame Bewegung von Marxisten, Nihilisten, Freudianern, Dawkinsisten, Anarchisten, .... zu bilden, vielleicht noch ergänzt durch Agnostiker, Satanisten (die ja in gewissem Sinn auch Atheisten sind) oder die breite Masse derer, die einfach nur deshalb unreligiös ist, weil sie sich zu diesem Thema noch nie irgendeinen Gedanken gemacht hat, der über "Die Kirche ist eh so reich und ich könnte das Geld gut brauchen" hinausgeht.
    Aber, naja, macht halt mal. Wir leben ja zum Glück in freien Ländern.

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