Variationen über das Thema Hölle aus katholischer Sicht

Jesus hat der Menschheit nicht nur die Botschaft der Liebe und des Friedens gebracht, sondern auch die schlimmste aller denkbaren Drohungen, denen die Menschheit je ausgesetzt war – die Drohung mit der Hölle, einem ewigen Feuer für die Ketzer und Ungläubigen. Abermillionen von Menschen, vor allem in den Ländern mit einem kaum entwickelten Bildungssystem, litten und leiden bis heute unter dieser unsäglichen Warnung vor ewiger Vergeltung, ewiger Folter. Gemessen an dem Elend, das diese Drohung in den Psychen nicht mehr zu zählender Menschen ausgelöst hat, verblasst die – selbst von Kritikern der christlichen Lehre – Jesus immer noch zugeschriebene einzigartige und vorbildhafte moralische Rolle.

Im derzeit gültigen, offiziellen und zu Abertausenden verteilten katholischen Katechismus von 2005 (Texte 1034 und 1035) heißt es: »Jesus kündigt in ernsten Worten an, daß er ›seine Engel aussenden‹ wird, die ›alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und … in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt‹«. Weiter heißt es dort: »Die Lehre der Kirche sagt, daß es eine Hölle gibt und daß sie ewig dauert.«

So betrachtet ist die Person Jesus (bzw. das ihm zugesprochene Wort) – man wagt es kaum auszusprechen, aber die Logik erzwingt es – Initiator für das größte Unheil, das der Menschheit – zumindest im Einzugsbereich des christlichen Glaubens – je zugefügt wurde. Selbst wenn man einräumt, dass ebenso viele, vielleicht sogar noch mehr Menschen Trost und Hilfe in dieser Lehre fanden – welch ungeheurer Preis musste dafür bezahlt werden!

Eine Religion, die über Jahrtausende und in vielen Ländern dieser Erde bis heute einen solchen Bestimmungsort für Menschen vorsieht, die sich nicht ihren zusammenphantasierten Vorstellungen fügen, ein Glaubenssystem, das ewige, grauenhafteste Bestrafungen selbst für nur einmalige Verfehlungen in einem kurzen Leben androht, eine Kirche, die also Folter (!) als selbstverständliche und von Gott eingesetzte Bestrafung für Glaubensungehorsam betrachtet und die über Wort und Bild schon die Psychen der noch Lebenden mit Horrorvisionen quält, verdient nur ein Urteil: niederträchtig, menschenverachtend, menschenunwürdig!

Nun kommt das Überraschende: Dieser selbe katholische Katechismus kennt gleichzeitig die Hölle als Ort ewig quälenden Feuers in dieser Form nicht mehr! An anderer Stelle tönt es in verharmlosenden Worten über diese Jahrtausende alte, finsterste Androhung, die über unzählige Predigten, Schriften und Bilder in den Köpfen wehrloser Menschen verankert wurde und stets genutzt werden konnte, Schafe samt aufmuckender Böcke bei der Stange zu halten. Welche Erkenntnisse sind denn in den letzten zwanzig, dreißig Jahren gewonnen worden, dass es nun plötzlich absolut bagatellisierend heißt, die Hölle sei ein »Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen«, an anderer Stelle: »Die schlimmste Pein der Hölle besteht in der ewigen Trennung von Gott ...«? (Texte 1033 und 1035). Kein Wort mehr von jenen in der Bibel und später von der Kirche drastisch ausgemalten ewigen und entsetzlichsten Feuerqualen.

Dieses kommentarlose, geradezu skrupellose Fallenlassen einer über zwei Jahrtausende geübten Erpressungspraxis ist von größter Unredlichkeit und Schäbigkeit, vor allem, wenn man sich bewusstmacht, welches unermessliche psychische und physische Unheil in und an Millionen Menschen über die Jahrhunderte angerichtet wurde, und dass sich unter anderem – oder vor allem? – auf Grund dieser von den Menschen bitterernst genommenen Androhung die zahlenmäßige Größe der Kirche erklärt.

Dieser bemerkenswerte – aus der Sicht eines Christen eigentlich erfreuliche – Sinneswandel der Kirche ist nun nicht auf Mitleid mit den Ungläubigen oder auf die Wiederentdeckung des in der Bergpredigt geforderten barmherzigen Miteinanderumgehens zurückzuführen, sondern beruht allein auf der Einsicht, dass man sich mit dieser mittelalterlichen Drohkulisse heute nur noch lächerlich macht. Stillschweigend wird also ein mächtiges und bewährtes Erpressungsmittel gestrichen. Man sieht, die kirchlichen Machtinstrumente greifen aufgrund der wachsenden Aufgeklärtheit der Menschen immer weniger. Und auch was vom dogmatischen Gebälk noch stehengeblieben ist, das ächzt und kracht in allen Fugen.

Anzumerken ist, dass diese »modernisierte« Form von Hölle natürlich nur jene wenigen Menschen bekannt wird, die solche Texte in die Hand bekommen, lesen und verstehen können. Das sind leider nur so Wenige, dass ihre Anzahl als bedeutungslos gelten muss. Es sind jene Intellektuellen unter den Gläubigen, die sich der Argumentation säkularer, denkender Menschen erwehren und auf offizielle, aber – zutiefst unredliche – Verlautbarungen zurückgreifen möchten. Für die anderen, unwissend Gehaltenen gilt nach wie vor die alte Höllendrohung.

Meine Frage: Warum sagen wir nicht noch mehr Menschen, noch lauter, noch öfter, welche menschenverachtende Drohung in einer ewigen Hölle begründet liegt? Jeder Mensch, der heute mit Folter droht, würde geächtet und aus der menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Die Lehre der katholischen Kirche dagegen sollen wir achten und verehren. Sind wir zu höflich, sind wir zu bequem geworden, um dieser Verletzung von Menschenwürde das Bild von Humanität, wie wir sie verstehen, entgegenzusetzen? Oder können wir nur auf das natürliche Abtreten einer verführten und unbelehrbaren Generation von Gläubigen hoffen? (www.uwelehnert.de)

Kommentare

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    marstal08

    Antwort auf #2 von UweLehnert:
    > @Hanspeter: Dann haben Sie offenbar nur eine verkürzte Fassung zu Gesicht bekommen. Ich zitierte aus dem »Katechismus der katholischen Kirche«, Oldenbourg Verlag (München und Wien), St. Benno Verlag (Leipzig), Paulusverlag (Freiburg), 2005, 824 Seiten. Es handelt sich um die neueste, somit aktuelle...

    Ihr Zitat scheint mir den Sinneswandel der Kirche nicht zu belegen.
    "gibt's neuerdings nicht mehr" ist doch nicht Teil des Zitats, und der von Ihnen zitierte Text enthält gar keine Abschaffung der Hölle, sondern lediglich eine angeblich noch schlimmere ( m.E. aber nur lächerliche) Ergänzung derselben.
    Lächerlich u.a. deshalb, weil wir ja erprobt haben und wissen, das man gerade ohne den grausamen und kleinlich nachtragenden Gott mit seiner Höllendrohung besonders glücklich leben kann.

    marstal08

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      marstal08

      Ich habe noch nie verstanden, warum sich die Monotheisten ein so abstoßend grausames (und zum Fremdschämen kleinliches) Monster zum Objekt ihrer Verehrung gemacht haben. Wäre es nicht viel effektiver gewesen, dafür einen zwar hochleistungsfähigen, dabei aber freundlichen und liebevollen Obergott zu bewerben, etwa vom Typ des Gandalf oder Dumbledore?

      Schon die widerliche Folterszene als Logo des Christentums schien mir immer als eine extrem törichte Wahl, die ein sehr zweifelhaftes Licht auf die Phantasien ihrer Vertreter wirft.
      Was muss in den Köpfen von Personen vorgehen, die sich zu so etwas bekennen können?

      marstal08

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        krabat

        In der Tat ist die ständige Drohung mit den ewigen Qualen der Hölle ein beliebtes Instrument der Kirche gewesen. Wenn man die Diskussionen mit führenden deutschen Geistlichen verfolgt, dann ist sicherlich ein Abrücken von dem altertümlichen Bild des Feuers und des flüssigen Schwefels zu beobachten. Wenn nun aber gesagt wird, die Hölle wäre ein Ort ohne Gott, da kann ich als Atheist nur rufen: "Oh ja, da will ich hin!" :-)
        Insgesamt bin ich mir sicher, daß die Anzahl der Kirchenmitglieder und auch der Gläubigen weiter sinken wird. Allerdings geht das noch zu langsam, deshalb sollten wir stets aufklärerisch wirken, jeder nach seinen Möglichkeiten. Und wir sollten uns allen Religionen widmen, nicht nur der christlichen.

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          UweLehnert

          @Hanspeter: Dann haben Sie offenbar nur eine verkürzte Fassung zu Gesicht bekommen. Ich zitierte aus dem »Katechismus der katholischen Kirche«, Oldenbourg Verlag (München und Wien), St. Benno Verlag (Leipzig), Paulusverlag (Freiburg), 2005, 824 Seiten. Es handelt sich um die neueste, somit aktuelle Ausgabe (einschl. DVD). Der von Ihnen vermisste»Sinneswandel« befindet sich in Text 1035. Dort heißt es wörtlich: »Die schlimmste Pein der Hölle besteht in der ewigen Trennung von Gott, in dem allein der Mensch das Leben und das Glück finden kann, für die er erschaffen worden ist und nach denen er sich sehnt.« Ewiges Feuer und ewige Feuerqualen gibt's neuerdings nicht mehr!!

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            hanspeter

            Ich finde auf der Homepage des Vatikans zwei Dokumente, den Katechismus der Katholischen Kirche (1997) und das Kompendium zum Katechismus der Katholischen Kirche (die einführenden Worte des Papstes sind von 2005). Das Kompendium wird dort als eine "getreue und sichere Zusammenfassung des Katechismus der Katholischen Kirche" bezeichnet. Im Katechismus selber finden sich im Kapitel IV Die Hölle nach wie vor die Texte 1033 - 1035 mit der ausführlichen Beschreibung der Hölle. In 1037 wird dann noch festgehalten, dass Atheisten ("freiwillige Abkehr von Gott") auf jeden Fall in der Hölle landen.
            Aber selbst im Kompendium enthält die Anmerkung zum Text 1035: "Christus fasst diese Wirklichkeit in die Worte: "Weg von mir ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!" (MT 25, 41).
            Den von Ihnen festgestellten "Sinneswandel" kann ich eigentlich nicht feststellen.

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