Das Ende des Glaubens - Teil 1

Anfang 2011 hatte Andrew Zak Williams Personen des öffentlichen Lebens zu ihren Gründen befragt, weshalb sie an Gott glauben. Nun ist es an der Zeit, bekannte Persönlichkeiten nach ihren Gründen zu fragen, weshalb sie nicht glauben.

Das Ende des Glaubens - Teil 1

Maryam Namazie – Menschenrechtsaktivistin

„Ich weiß nicht mehr genau, wann ich aufgehört habe, an Gott zu glauben. Da ich in einer ziemlich aufgeschlossenen Familie im Iran aufgewachsen bin, hatte ich eigentlich keine Begegnung mit dem Islam - bis zu dem Zeitpunkt, als die Islamische Bewegung die Macht ergriffen hat; was durch eine gescheiterte Revolution im Iran begünstigt wurde. Damals war ich 12 Jahre alt.

Ich schätze, dass manche Menschen ihr gesamtes Leben verbringen können, ohne Gott und die Religion, in die sie hineingeboren wurden (worauf sie keinen Einfluss haben), infrage zu stellen - besonders dann, wenn diese Religion eigentlich keinen großen Einfluss auf ihr Alltagsleben hat. Wenn Sie zum Beispiel in Frankreich oder in Großbritannien leben, dann ist es vielleicht niemals nötig, Gott aktiv abzuschwören oder sich als Atheist zu bekennen.

Aber wenn der Staat, in dem Sie leben, einen „Hisbollah“ (die allgemeine Bezeichnung für Islamist) an Ihre Schule schickt, um sicher zu stellen, dass Sie sich nicht mit Ihren männlichen Freunden treffen, der Ihnen das Schwimmen verbietet und Sie zwingt, sich zu verschleiern, der Männer und Frauen als getrennt und ungleich erachtet, der Ihnen und Ihren Freundinnen andere Bücher vorschreibt als den Jungen und Ihnen bestimmte Studienrichtungen vorenthält, weil Sie weiblich sind, und der willkürlich zu töten beginnt - Dann bleibt Ihnen keine andere Wahl, als zu hinterfragen, zu diskreditieren, und sich gegen all dies zur Wehr zu setzen. Und das habe ich getan.“

Philip Pullman – Autor

„Der wichtigste Grund, weshalb ich nicht an Gott glaube, ist der Mangel an Beweisen. Es gibt keine logische Möglichkeit für den Nachweis, dass er nicht existiert. Deshalb bleibt mir nur übrig, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass ich bisher keinerlei Beweise für seine Existenz gefunden habe: Ich habe noch nie persönlich erlebt, dass Gott zu mir gesprochen hätte, und nichts in der Welt um mich herum, egal ob in der Geschichte, in Wissenschaft, Kunst oder anderen Bereichen hat mich je davon überzeugt, dass es das Werk Gottes ist - und nicht vielmehr das der Natur.

Bis zu diesem Grad bin ich Atheist. Ich muss jedoch eingestehen, dass die Möglichkeit besteht, dass Gott existiert und sich vor uns verbirgt - und ich könnte gut verstehen weshalb – mit seinem Strafregister würde ich das auch tun. Wenn ich darüber mehr wüsste, dann könnte ich eine fundierte Vermutung abgeben. Doch mein Wissen gleicht dem winzigsten Flimmern eines einsamen Funkens in einer endlosen und umfassenden Dunkelheit, die für all jene Dinge steht, die ich nicht weiß. Es kann also schon sein, dass er da draußen im Dunkeln ist. Da ich nicht mit Sicherheit behaupten kann, dass er dort nicht ist, müsste ich sagen, dass ich Agnostiker bin.“

Kenan Malik – Neurobiologe, Schriftsteller und Publizist

„Ich bin Atheist, da ich Gott für unnötig halte. Es heißt, dass wir ohne Gott die Entstehung des Kosmos nicht erklären könnten, unsere moralischen Werte nicht verankern und unserem Leben ohne ihn keine Bedeutung und Sinn geben könnten. Dem widerspreche ich:

Sich auf Gott zu berufen, hebt im besten Fall diejenigen Dinge hervor die wir in unserem physikalischen Universum noch nicht erklären können, und nützt im schlimmsten Fall jene Ignoranz aus, durch die Unerklärliches mystifiziert wird. Moralische Werte kommen nicht in ihrer fertigen Form von Gott, sondern müssen von Menschen unter Einsatz von Empathie, logischem Denken und Dialog erarbeitet werden.

Dies gilt auch für Gläubige: Auch sie müssen sich schlussendlich entscheiden, welche Werte aus ihren heiligen Büchern sie nun akzeptieren und welche sie ablehnen.

Und es ist nicht Gott, der unserem Leben einen Sinn gibt, sondern die Beziehungen zu unseren Mitmenschen sowie die Ziele und Verpflichtungen, die daraus entstehen. Im besten Fall ist Gott überflüssig. Im schlimmsten Fall ist er eine Mauer. Warum brauchen wir ihn?“

Susan Blackmore – Psychologin und Autorin

„Welchen denkbaren Grund könnte ich dafür haben, an Gott zu glauben?

Um das Leiden zu erklären? Das kann der Glaube nicht. Außer man glaubt, dass Gott uns den freien Willen geschenkt hat, was wiederum allem widerspricht, was wir über die menschliche Entscheidungsfindung wissen.

Glauben, um mir Hoffnung auf ein Leben danach zu geben? Nach 30 Jahren Arbeit in der parapsychologischen Forschung habe ich diese Hoffnung aufgegeben.

Glauben, um die mystischen, spirituellen und außerkörperlichen Erfahrungen zu erklä-ren, die ich gehabt habe? Nein – unser rasant zunehmendes Wissen über das Gehirn bietet wesentlich bessere Erklärungen, als religiöse Schlussfolgerungen dies tun.

Glauben, um die Existenz und die Komplexität der wundervollen Welt um mich herum zu erklären? Nein – Und das ist in Wirklichkeit der wichtigste Grund.

Gott soll uns – zumindest in manchen Versionen der Schöpfungsgeschichte – erschaffen haben. Doch ein Schöpfer, jeglicher Schöpfer, ist einfach nicht nötig. Jedes lebende Wesen auf diesem Planeten hat sich auf der Grundlage von Prozessen entwickelt, die keinerlei Designer, Pläne, Anleitung und keinerlei Vorausschau bedürfen. Wir brauchen keinen Gott für diese Arbeit. Wo würde er hineinpassen? Was würde er tun? Und warum? Wenn er wirklich irgendeine Rolle in unserer Erschaffung gespielt haben sollte, dann müsste er enorm verschlagen, pedantisch, hinterlistig und verblüffend grausam sein, was wohl ein ziemlich seltsamer Gott wäre, an den man da glauben müsste. Deshalb glaube ich nicht an ihn.“

Richard Dawkins – Evolutionsbiologe und Autor

„Ich glaube weder an Kobolde, Feen, Werwölfe, Jujus, Thor, Poseidon, Jahwe, Allah, noch an die Dreieinigkeit. Und zwar immer aus demselben Grund: Es gibt für keines dieser Wesen auch nur den winzigsten Hauch eines Beweises, und die Beweispflicht liegt hier bei denjenigen, die daran glauben wollen.

Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass es keinerlei Nachweis für ganz be-stimmte Gottheiten gibt, wie kann man dann die Überzeugung von einem unbestimmten „intelligenten Designer“ oder „ersten Beweger“ oder Vater des „Etwas-anstelle-von-Nichts“ vertreten? Die bei weitem ansprechendste Version dieses Arguments ist die biologische – lebende Wesen erwecken in der Tat eine starke Illusion des Designs. Doch genau diese Betrachtungsweise hat Darwin vernichtend widerlegt. Jeder Theist, der sich auf das Design von lebenden Wesen beruft, offenbart auf diese Art seine Unkenntnis der Biologie. Geh fort und lies ein Buch! Und jeder Theist, der sich auf biblische Nachweise beruft, verrät seine Unkenntnis der modernen Wissenschaft. Geh fort und lies noch ein Buch!

Was das kosmologische Argument angeht, nach dem Gott den Namen „erster Beweger“ oder „Erste Ursache“ trägt – diesem Argument sind die Physiker dicht auf den Fersen, mit faszinierenden Ergebnissen. Selbst wenn manche Fragen offen bleiben, wie etwa die Frage danach, woher die Grundgesetze und Konstanten der Physik eigentlich kommen, ist die Annahme eines Designers offensichtlich nicht hilfreich, da dessen Existenz größere Fragen aufwirft, als sie vorgeblich lösen kann. Wenn die Wissenschaft versagt, dann liegt unsere größte Hoffnung darin, eine bessere Wissenschaft zu entwickeln. Die Antwort werden wir weder in der Theologie noch in ihrer genauen Entsprechung - dem Teesatzlesen – finden.

In jedem Fall ist es ein alberner und unlogischer Sprung von gottgläubigem, unbewegtem Beweger zur Christlichen Dreifaltigkeit, in welcher der Sohn gefoltert und ermordet wird, da dem Vater - in seiner ganzen Allwissenheit und Allmacht – nichts Besseres eingefallen ist, um die „Sünde“ zu vergeben.

Ebenso wenig überzeugend sind diejenigen, die glauben, weil es sie tröstet (Warum sollte die Wahrheit tröstlich sein?) oder weil es sich „richtig anfühlt“. Cherie Blair („I´m a believer“, New Statesman, 18 April) kann als ein Beispiel für diese „Fühlt-sich-richtig-an“-Fraktion dienen. Sie gründet ihren Glauben auf „einer Einsicht von Etwas, das mein Kopf nicht erklären kann, von dem mein Herz aber weiß, dass es wahr ist“. Sie möchte eine Richterin werden. „Euer´ Ehren, ich kann die erforderlichen Beweise nicht erbringen. Mein Kopf kann nicht erklären, warum, doch in meinem Herzen weiß ich, dass es wahr ist“.

Warum ist die Religion vor all jenen kritischen Standards geschützt, die wir nicht nur im Gerichtsaal, sondern auch in jedem anderen Lebensbereich anwenden?“

Hier geht es zu Teil 2 und Teil 3.

Übersetzung: Robert Keller

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

Neuer Kommentar

(Mögliche Formatierungen**dies** für fett; _dies_ für kursiv und [dies](http://de.richarddawkins.net) für einen Link)

Ich möchte bei Antworten zu meinen Kommentaren benachrichtigt werden.

* Eingabe erforderlich