Ansteckender Hunde-Krebs entschlüsselt

Ein Hundetumor, der zu einem frei lebenden Parasiten wurde, durchlief Myriaden von Mutationen, hat sich mittlerweile aber stabilisiert.

Vor tausenden von Jahren entwickelte sich eine Tumorzelle von den Genitalien eines Hundes in einen unsterblichen, frei lebenden Parasiten. Anstatt mit dem Wirt zu sterben, gewann dieser die Fähigkeit, sich durch sexuellen Kontakt von einem Hund auf einen anderen zu übertragen. Dieser ansteckende Krebs, bekannt als „canine transmissible venereal tumor (CTVT)“ [Sticker Sarkom], hat sich auf Hunde auf der ganzen Welt übertragen und ist die älteste bekannte Zelllinie, die existiert.

Ansteckender Hunde-Krebs entschlüsselt

Von Ed Young 23. Januar 2014

Jetzt hat ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Elizabeth Murchison an der Universität von Cambridge das Genom von zwei CTVTs entschlüsselt. Ihre heute (23. Januar) veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass diese einzigartige Sorte Krebs vor ungefähr 11.000 Jahren das erste Mal auftrat. Das Team konnte anhand der Gene sogar sagen, dass es zuerst bei einem mittleren bis großen Hund auftrat, der wie ein Husky oder ein Alaskian Malamut aussah, und entweder ein komplett schwarzes Fell oder ein graues mit hellen und dunklen Streifen hatte.

„Wenn wir die Knochen von diesem Hund irgendwo finden würden, würde man die DNA für uralt halten“, sagt Murchison, „aber die Zellen sind immer noch am Leben, und wir entschlüsseln die DNA-Sequenzen heute. Es ist überwältigend!“

Frühere Studien sagten voraus, dass alle heutigen CTVTs vor 25 bis 2500 Jahren einen gemeinsamen Vorfahren hatten, der Tumor selbst aber zwischen 7.800 und 78.000 Jahre alt ist. Murchison’s Team hat den Bereich auf etwa 10.200 bis 12.900 Jahre eingeengt, indem es die Gesamtzahl der Mutationen in CTVTs im Kontext der Mutationsrate eines menschlichen Krebses, dem Medulloblastom, schätzte.

„Diese Bestimmung des Alters ist deshalb schwierig, weil sie nur so genau ist wie die angenommene Mutationsrate“, sagt Hannah Siddle von der Universität von Southampton in einer E-Mail. „Aber diese Arbeit bestätigt, dass CTVT sehr wahrscheinlich viele tausend Jahre alt ist, und das stimmt mit vorherigen Einschätzungen überein."

Die Genome zeigten Mutationen in einem enormen Ausmaß. Seit seinen Tagen als Zelle eines Hundes hat CTVT ca. 1,9 Millionen Mutationen durchlaufen - viele im Vergleich zu einer typischen menschlichen Krebsart, die es nur auf 1.000 bis 5.000 Mutationen bringt.

Das Team fand außerdem ungefähr 350 Fälle von Transposons (springenden Genen), die an neuen Stellen landen, 2.200 Fälle, in denen große Stücke des Genoms neu arrangiert wurden, und ca. 650 Gene, die gänzlich verloren gingen. „Man wundert sich, wie es all die Jahre überlebt hat“, sagt Murchison.

Ungefähr die Hälfte der Gene des Tumors tragen mindestens eine Substitution verursachende Mutation – eine, die eine Aminosäure in ein verschlüsseltes Protein umwandelt. Überraschendeweise handelt es sich bei ungefähr 40 Prozent davon um einen Typ, der durch die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht verursacht wird. CTVT wächst normalerweise innerhalb der Genitalöffnungen, wenn er aber groß genug wird, um die Oberfläche zu durchbrechen (und sich auf einen anderen Hund zu übertragen), kann er sehr leicht genügend Sonnenlicht abbekommen, um UV-verursachte Mutationen zu durchlaufen.

Aber das Team hat auch herausgefunden, das CTVT trotz seiner Geschichte der ungehemmten Mutation heute relativ stabil ist. Die Forscher entschlüsselten gezielt die Sequenzen zweier Tumor-Arten, die so unterschiedlich wie möglich sein sollten: Eine von einem Hund, der aus einem Aborigine Dorf in Maningrida, Australien, stammte, die andere von einem amerikanischen Cockerspaniel in Franca, Brasilien.

Diese Tumore repräsentieren CTVT-Linien, die sich vor ca. 500 Jahren voneinander getrennt hatten. Ungefähr 95 Prozent ihrer Mutationen kamen bei beiden vor. Zu allem Überfluss bestand auch noch jeder Tumor zu großen Teilen aus identischen Klonzellen. Bei menschlichen Krebsarten können verschiedene Teile des selben Tumors sehr unterschiedliche Mutationsformen beinhalten. Aber das Team konnte keine Spur dieser „Sub-Klone“ in den CTVTS finden.

„Hier passieren nur wenige Veränderungen,“ sagt Murchison, „Das sagt uns, das dieser Krebs das Potential hat, tausende von Jahren zu leben, und wenn die Bedingungen gegeben sind, kann er eine stabilere Einheit werden als die Krebsarten, die wir für gewöhnlich beim Mensch sehen.

„CTVT könnte einen evolutionären 'Endpunkt' für einen Tumor darstellen,“ sagt Siddle. „Vielleicht hat sich der Tumor perfekt an seine Nische angepasst, und es gibt keine weitere positive Selektion mehr."

Die CTVT Genome zeigen auch, dass der Krebs ursprünglich in einer isolierten Population auftrat, die wahrscheinlich in hohem Maße inzüchtig war. Es blieb dort für den größten Teil seiner Geschichte, bevor es seine Reise um die Welt während der Zeit der Entdecker und der Seefahrer antrat.

Eine zweite ansteckende Krebsart hat sich in Tasmanischen Teufeln entwickelt und verursacht einen fatalen Zustand, der „devil facial tumor desease“ genannt wird [eine Gesichtstumorerkrankung, die den Beutelteufel befällt] (DFTD). DFTD durchlief nur ungefähr 20.000 Mutationen, aber Katherine Belov von der Universität von Sidney sieht viele Parallelen zwischen diesen beiden Tumoren. „Beide Erkrankungen scheinen sich in Populationen mit geringer genetischer Varianz entwickelt zu haben“ sagte sie zum 'Scientist' in einer E-Mail. „Im Laufe der Zeit haben sie Strategien zur Überwindung von Attacken des Immunsystems entwickelt und wurden bemerkenswert stabile Zell-Linien.“

„Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass wir mit dem Studium dieser ansteckenden Krebsarten fortfahren,“ fügt sie noch hinzu. „Sie haben sich letztlich zwei Mal entwickelt. Was erlaubt diesen Krebsarten, aufzutauchen und erfolgreich und unsterblich zu werden? Wenn wir diese Fragen beantworten können, erlangen wir auch Einblicke in menschliche Krebsarten."

E. P. Murchison und andere, „Genom des übertragbaren Hundkrebs' enthüllt die Herkunft und die Geschichte einer uralten Zell-Linie,“ Science, 343: 437-40,2014

Übersetzung: Joseph Wolsing

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