Astrologie und der Barnum-Effekt

Astrologie ist ein pseudowissenschaftliches Glaubenssystem, das auf der Annahme eines Konnex zwischen astronomischen Ereignissen und individuellen, irdischen Geschehnissen fußt.

Astrologie und der Barnum-Effekt

Besonders gerne zieht die Astrologie Geburtsdaten -  unter Miteinbezug erdnaher Gestirnskonstellationen - heran, um so die Charaktereigenschaften oder das Schicksal eines Menschen zu erklären, zu deuten und vorherprophezeien zu wollen.

„Wir sind nur der Sterne Tennisbälle, aufgespielt, gewechselt, wie es ihnen passt.“
- John Webster, (Die Herzogin von Amalfi)

Horoskop

Die für uns bekannteste Erscheinung der Astrologie sind die täglich oder wöchentlich erscheinenden Horoskope in Zeitungen und Zeitschriften. Dort liest man unter seinem jeweiligen Sternzeichen, das sich am Geburtsdatum orientiert, beispielsweise etwas über sich und seine Zukunft. Das Sternzeichen eines Jeden spielt also die entscheidende Rolle bei der Weissagung eines Horoskops. Definiert werden die zwölf Sternzeichen anhand eines Tierkreises:

So ein Tierkreis soll die Ekliptik, das ist die jährliche Sonnenbahn, abbilden. Ähnlich einer Uhr ist auch ein Tierkreis in zwölf gleich große Stücke unterteilt, von dem jedem Stück ein Tierkreiszeichen – oder eben: Sternzeichen zugeordnet wird. Es gibt also 12 Tierkreiszeichen, die allesamt gemeinsam einen Tierkreis bilden. Startend mit der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr lauten sie: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische.

Gedeutet werden die Tierkreiszeichen mithilfe eines Diagramms, das die Stellung ausgewählter Himmelskörper enthält. Meist haben diese Himmelskörper dann eine Bedeutung für einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, bei einem herkömmlichen Geburtshoroskop sind das etwa Geburtszeit- und Ort eines Menschen.

Wie die Sachverhalte im Einzelnen interpretiert, welche Himmelskörper miteinbezogen werden und für wen die Analyse gelten soll, variiert zwischen den verschiedenen astrologischen Schulen sehr. Die Astrologie ist nämlich keine homogene Einheit, vielmehr findet man eine hohe Anzahl unterschiedlicher Lehren und Auffassungen weltweit. Manche wollen mit dem Gründungsdatum eines Unternehmens dessen Aktienkurs prophezeien, andere schließen auch Asteroiden wie Chiron und Nessus in ihre Überlegungen mit ein und wieder andere erfinden mit Transneptunern neue Planeten, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Wichtig sind außerdem noch die sogenannten Häuser oder Felder für das Horoskop. Häuser teilen das Horoskop ein weiteres Mal in zwölf Untereinheiten auf und bedeuten im Einzelfall, je nachdem welches Häusersystem man wählt, auch wieder äußerst Unterschiedliches. Ferner sind noch weitere Aspekte wie die Winkel, die die zu betrachteten Objekte einschließen etc. von Bedeutung. Fürs Erste und Grobe genügt dies aber.

Barnum-Effekt

„Du wünscht dir die Zuneigung und Bewunderung anderer, und tendierst dabei zur Selbstkritik. Persönliche Schwächen besitzt du tatsächlich auch, jedoch schlummern in dir genauso einige Fähigkeiten, die viele deiner Mitmenschen leider nicht sehen wollen und von der Gesellschaft nicht geschätzt werden. Nach außen hin wirkst du selbstsicherer, doch im Innern hinterfragst du dich. Du bevorzugst ein gewisses Maß an Abwechslung und Individualität und fühlst dich unbefriedigt, wenn das durch Einschränkungen und Grenzen gehemmt wird. In deinem Leben gibt es eine brünette Frau, die dir viel bedeutet, im sozialen Leben verhältst du dich in bestimmten Situationen extrovertiert und leutselig, in anderen aber auch introvertiert und zurückhaltend. Einige deiner Wünsche sind bei Lichte betrachtet etwas unrealistisch.“

Na, haben Sie sich zumindest ein wenig wiedererkannt? Falls ja, liegt das wohl am sogenannten „Barnum-Effekt“. Der Barnum-Effekt (auch: Forer-Effekt) entstammt aus der Psychologie und bezeichnet die Neigung des Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person als zutreffend zu akzeptieren.

Benannt wurde der Effekt nach dem US-amerikanischen Psychologen Bertram R. Forer, der intensiv zu ihm forschte. In verlinkter Arbeit liest man u. a.: „Persönliche Einschätzungen können – und sind oft so allgemein und bedeutungslos formuliert, dass sie allgemeingültig ausfallen und somit auf jeden zutreffen.“ Dieser prägnante Satz fasst eigentlich schon das Wesentliche zusammen: Wir alle neigen dazu, uns in speziell konstruierten, aber nichtssagenden Texten wiederzufinden, die auch genauso gut jeden anderen hätten beschreiben können. So ein Barnum-Text kann entweder vollkommen unpräzise Beschreibungen enthalten, oder auch Worte verwenden, die auf jeden Menschen zutreffen. Beides Mal hat der Text keinerlei Wert für die individuelle Charakterisierung eines Menschen, was ihn als einen Barnum-Text qualifiziert.

Wenn man nicht dazu schreibt, wie oft oder wie stark ein Verhaltensmuster auf einen zutreffen soll, erzielen Barnum-Texte kontinuierlich enorm hohe Trefferquoten. Denn jedes „normale“ psychologische Verhalten lässt sich zeitweise in jedem Menschen finden bzw. reininterpretieren. Wir merken das aber nicht, weil wir dazu neigen uns selbst und unsere Eigenschaften als individuell und einzigartig zu betrachten. Das Ganze führt dann zu Problemen, wenn man versucht eine Charakterisierung durch den Charakterisierten selbst als zutreffend oder nicht einschätzen zu lassen. Der Charakterisierte wird bei einem guten Barnum-Text immer dazu neigen, ihn als zutreffend zu empfinden.

Interessanterweise funktioniert diese Täuschung in beide Richtungen: Der Therapeut o. ä. formuliert seine Einschätzung zunächst vorsichtig und interpretierfreudig. Daraufhin erkennt sich der Charakterisierte selbst in der Beschreibung wieder und sagt das dem Therapeuten, dieser fühlt sich in seiner Art der Charakterisierung bestätigt, fährt so weiter fort und sitzt genauso wie der Patient dem Trugschluss auf, seine Herangehensweise sei gut geeignet, um Menschen zu charakterisieren.

Um das alles zu belegen, bat Forer 39 Studenten einen Barnum-Text durchzulesen. Dieser entsprach in etwa dem, den Sie oben lesen können. 87 Prozent der Studenten sahen sich durch den Text gut oder sehr gut dargestellt, womit die Tragfähigkeit von Forers Theorie eindrucksvoll demonstriert wurde.

Wie Astrologie „funktioniert“

Und genauso „funktioniert“ die Astrologie. Ich habe das „Funktionieren“ absichtlich in Klammern geschrieben, weil astrologische Methoden natürlich (nach wie vor) nicht funktionieren. Aber der Barnum-Effekt lässt in uns die Illusion aufkommen, dass sie funktionieren würden. Wegen diesem heimtückischen Effekt glauben irrtümlich Millionen Menschen weltweit, die Sterne da oben könnten ihnen irgendetwas über ihre Bestimmung erzählen. Was ein Stuss!

Wie Forer seinen Studenten legt auch der Astrologe seinen Kunden einen Barnum-Text vor, sodass diese gar nicht bemerken, dass die Analyse auch auf jeden anderen Menschen irgendwie zutreffen würde. Und umgekehrt auch das Horoskop für alle anderen Sternzeichen irgendwie auf ihn zutreffen. Bezeichnenderweise geben etliche Astrologen auf Nachfrage an, nicht bewusst Barnum-Vorhersagen“ zu machen. Der Schwindel wirkt also tatsächlich auf beiden Seiten. Und bittet man Astrologen ein ganz „persönliches“ Horoskop für den Klienten zu erstellen, findet dieser sich darin nicht mehr wieder bzw. sein exakteres Horoskop nicht mehr unter vielen anderen exakten.

Beispiele

Lesen Sie mit diesem Wissen den oben zitierten Text doch noch einmal: „Du wünschst dir die Zuneigung und Bewunderung anderer“, wer tut das nicht insgeheim? „Tendierst dabei zur Selbstkritik“, dito. Und dann die ganzen larifari Sätze, die mit „ein gewisses Maß“, oder „manchmal“ ausgeschmückt sind. Oder:„In deinem Leben gibt es eine brünette Frau, die dir viel bedeutet,“ ist genauso schwammig. Irgendeine Brünette, sei es Mutter, Freundin oder Kollegin, spielt in fast jedem Menschenleben eine größere Rolle.

Man hätte noch hinzufügen können: „Du bist intelligent und lässt dir nicht so schnell etwas vormachen.“ Weil jeder weiß, dass selbst der größte Idiot sich selbst nicht für dumm hält. Jetzt scheint Ihnen der Trick hinter solchen „Horoskopen“ klar ersichtlich. Sie sehen, wie wahnsinnig allgemein und ungenau alles geschrieben ist. Aber wenn Sie so einen Text lesen und absolut davon überzeugt sind, dass er einer persönlichen Analyse entspringt, dann werden Sie auch das Gefühl haben, dass er stimmt.

Hier noch einige weitere Beispiele:

Hören Sie auf die Warnsignale ihres Körpers: Natürlich, wer sollte das nicht? Jeder fühlt sich bei so einem Satz ertappt und denkt sich: „Es stimmt, ich sollte vielleicht echt mehr auf meinen Körper hören“. Den Satz können Sie bei der Waage aber genauso hinschreiben wie beim Skorpion, was ihn trivial macht.

Heute scheint ihr Tag zu sein: Ja, was denn nun? Ist heute wirklich mein Tag oder nicht? Die Aussage ist genauso, wie: „Heute neigen Sie zu Neuem“, oder auch: „Heute könnte etwas Besonderes passieren“. Immer schön im Konjunktiv bleiben und nur nicht festnageln lassen, man könnte ja was Falsches prophezeien.

Sie beweisen ein Gespür für Timing: Wieder so vieldeutig. Bin ich erst einmal von der Wahrheit dieser Vorhersage überzeugt, werde ich ihre Bestätigung schon irgendwo finden. Sei es bei dem Bus, den ich perfekt erwischt habe, beim Chef, den ich zu einer guten Stunde nach Urlaub frage oder beim Omelett, das ich gerade rechtzeitig von der Herdplatte nehme. Die Aussage hat aber noch einen weiteren Effekt: Sie schmeichelt. In Horoskopen liest man zuhauf Sätze wie: Ihr Organisationsgeschick ist unglaublich, oder: Auf ihre Fachkompetenz kann man sich verlassen. Das hört man gerne und was man gerne hört, hält man auch eher für wahr.

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

Neuer Kommentar

(Mögliche Formatierungen**dies** für fett; _dies_ für kursiv und [dies](http://de.richarddawkins.net) für einen Link)

Ich möchte bei Antworten zu meinen Kommentaren benachrichtigt werden.

* Eingabe erforderlich