Vor wenigen Tagen machte die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff auf sich aufmerksam, als sie bei einer Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Leipzig davon sprach, dass es “entsetzlich” sei, wie sich der Protestantismus an moderne Sprechweisen anbiedere. Nun hat sie noch viel tiefer in die Mottenkiste gegriffen.
Am letzten Sonntag sprach die Büchner-Preisträgerin und verhinderte Theologin in Dresden im dortigen Schauspielhaus über “Geburt und Tod”. Dabei sind ihr einige Aussagen “unterlaufen”, die der Chefdramaturg des Staatsschauspiels zum Anlass nahm, sich in einem offenen Brief von ihren Aussagen zu distanzieren.
Lewitscharoff bezeichnete in ihrer Rede das Onanieverbot der Bibel als “weise”. Wenn so gewonnenes Sperma zur künstlichen Befruchtung eingesetzt wird, ist ihr das “nicht nur suspekt” - sie nennt das “absolut widerwärtig”. Kinder, die aus einer künstlichen Befruchtung entstanden sind, bezeichnet sie als “Halbwesen”. “Nicht ganz echt sind sie in meinem Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas.”
Als wäre das nicht genug, vergleicht sie die künstliche Befruchtung mit den Methoden, die die Nationalsozialisten anwandten, um eine “reinrassige” Nation zu errichten. Sie sagte: “Mit Verlaub, angesichts dieser Entwicklungen kommen mir die Kopulationsheime, welche die Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden blauäugigen SS-Männern zu versorgen, fast wie harmlose Übungsspiele vor.”
Weiterlesen im Originalartikel.
Kommentare
Gern werde ich meine Nichte befrage, wie sie sich so als Halbwesen fühlt. Ich habe sie eigentlich immer als völlig vollständiges Wesen angesehen. Ob Frau Lewitscharoff wohl einmal das Antonym zu "Halbwesen" gebildet hat? "Ganzwesen"? Ich werde meiner Nichte einmal vorschlagen, sich an die Dame zu wenden. Vielleicht kann sie dann mit ihr ein Halbgespräch führen? Oder sich über Halbethik unterhalten. Oder Halbdummzeug mit ihr verzapfen. Nun ja, ich werde mal halbherzig ein Gespräch mit meiner Nichte führen, dem Halbwesen.
Antworten
Haarstreubend! Mitmenschen als "Halbwesen" zu bezeichnen unterscheidet sich kaum vom Nazigeplapper über "Untermenschen". Ja, jeder hat ein Recht auf eigener Meinung und auch diese zu äussern, aber man muss dafür in Kauf nehmen, dass man für menschenverachtende Äusserungen angegriffen wird. Einfach solche zu ignorieren ist ganz falsch.
Antworten
@ Bernd Kammermeier: Es ist in der Tat bedauerlich, wenn eine boshafte und gläubige Person irgendwelche Ehrungen und eine Plattform zum Verbreiten ihrer Meinung erhält.
Aber diese Entgleisungen waren doch überwiegend komisch und von hohem Unterhaltungswert. Kann sich jemand eindrucksvoller disqualifizieren als mit dem Eingeständnis, dass seine Gefühle gegenüber einem Menschen davon abhängen, wie das Spermium den Weg zum Ei gefunden hat? Grotesk übertriebene Dummheit gehörte schon immer zum Handwerkszeug der Clowns. Meinetwegen gerne weiter so - mir ist es recht, wenn prominente Gläubige sich lächerlich machen.
Darüberhinaus ist die Meinungsfreiheit gerade für uns Wissenschafts- und Vernunftvertreter von allergrößter Bedeutung: Meine Verachtung gegenüber religiösem Schwachsinn und mein Ekel vor vielen religiösen Praktiken sind ebenso wenig p.c. wie die hier beanstandeten Äußerungen. Eine Sonderverantwortung für Prominente halte ich dabei für falsch - auch die dürfen eine Meinung äußern, und auch mir könnte man den Mund verbieten wollen, weil ich zufällig einen Beruf habe, der als meinungsbildend gilt.
Die Erfahrung mit dem Leserbrief kann m.E. kein Maßstab sein: Eine Zeitung ernährt viele Menschen und muss auf Leser und vor allem Inserenten Rücksicht nehmen.
marstal08
Antworten
Antwort auf #3 von marstal08:
> Dieses Gerede wird m.E.maßlos überbewertet. Menschen sind unterschiedlich, mit unterschiedlichen Meinungen und Gefühlen, und hier hat diese Frau ziemlich offen über die ihren gesprochen. Meine sind zufällig anders, aus meiner Sicht hat sie lächerlichen und boshaften Unsinn geredet.
> Na und?
Sicher, jeder darf seine Meinung haben, auch falsche. Das nennt man Meinungsfreiheit.
Doch gibt es nicht eine Grenze, wenn diese verbreitet werden? Wenn Personen, die mit hohen Preisen und Ehren ausgestattet wurden, gefährlichen Unsinn reden, hat dies eine andere Breitenwirkung, als wenn an einem hinterwäldlerischen Stammtisch herumkrakeelt wird.
Vor allem, wenn ich andere Äußerungen (z.B. bei idea.de über die Sprache evangelischer Pfarrer) von Frau Lewitscharoff lese, dann offenbart sich mir ein gruseliger Abgrund und unfassbarer Beweis menschlicher Verirrungsfähigkeit.
Wenn ich in einem Kommentar bei ZEIT-ONLINE die Existenz religiöser Fabelgestalten anzweifele, werde ich im Forum dort gesperrt, weil dies die Gefühle religiöser Menschen verletzen könnte. Wenn indes eine Büchner-Preisträgerin Menschen, die aus künstlicher Befruchtung entstanden sind, abgrundtief beleidigt - also real existierende Mitmenschen - dann geht das sanktionslos durch?
Ich sehe da eine Gefahr! Gewisse Kreise unverbesserlicher Gläubiger - auch auf politischer Seite - nutzen gerne "Big Names" zur Untermauerung ihrer kruden Gesellschaftsmodelle. Deshalb tragen große Organisationen, Menschen mit Titeln und Preisträger eine größere Verantwortung für ihre Äußerungen. Sie produzieren den Nährboden für die breite Masse, die selbst unreflektiert nachplappert, was ihr von "berufener" Seite vorgesetzt wird. Deshalb muss die Veröffentlichung jede (Un)Art Lewitscharoff'schen Denkens kommentiert werden - privat darf sie jeden Müll glauben, den sie glauben will.
Antworten
Hier habe ich noch Verständnisproblem: Ist es nicht ein ganz wesentlicher Bestandteil christlichen Glaubens, dass deren Heiland Jesus Christus durch unbefleckte Empfängnis, also durch künstliche Befruchtung entstanden sei? Wie können sie dann so abfällig davon reden?
marstal08
Antworten
Zitat: "Mit Verlaub, angesichts dieser Entwicklungen kommen mir die Kopulationsheime, welche die
Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden
blauäugigen ss-Männern zu versorgen, fast wie harmlose Übungsspiele vor."
Ende Zitat.
Das erfüllt wohl nicht den Straftatbestand des §130.3 StGB, aber der Begriff "verharmlost" ist
dort immerhin explizit aufgeführt. Auch wenn die Rede nicht strafbar war, so fällt mir doch auf,
daß ein Inhalt, der einem Straftatbestand derart nahe kommt mit derart hohem moralischen
Anspruch gehalten wird.
Der Begriff "Untermenschen" kommt immerhin nicht vor - der wird nur umschrieben.
Denke sich jeder selbst seinen Teil dabei, welches moralische Niveau die Rede
beansprucht und ob sie diesem Anspruch gerecht wird oder nicht.
Antworten
Wer mal diesen geistigen Auswurf in Gänze lesen möchte, am Ende der SPON Beitrags ist ein DL als PDF verfügbar.
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/lewitscharoff-rede-buechner-preistraegerin-zu-befruchtung-und-onanie-a-957254.html
Antworten
Dieses Gerede wird m.E.maßlos überbewertet. Menschen sind unterschiedlich, mit unterschiedlichen Meinungen und Gefühlen, und hier hat diese Frau ziemlich offen über die ihren gesprochen. Meine sind zufällig anders, aus meiner Sicht hat sie lächerlichen und boshaften Unsinn geredet.
Na und?
Man muss ihr ja nicht zuhören, ihre Meinung ist vollkommen bedeutungslos, und ihr Mut zu unpopulären Worten verdient sogar etwas Respekt. Angst habe ich vielmehr vor einigen Millionen anderen Gläubigen, die ihrem heiligen Buch zufolge viel schlimmeres denken und wollen, und oftmals auch tun.
marstal08
Antworten
Autsch! Ob sie ihr heiliges Buch wirklich gelesen hat? Was wird ihr Gott mit ihr machen, wenn sie vor ihn tritt, wird er ihr die Rechnung stellen? Aber sie ist sich ja sicher in "seinem Namen" zu handeln und zu sprechen. Au Backe!
Antworten
Zitat:
Kinder, die aus einer künstlichen Befruchtung entstanden sind, bezeichnet sie als “Halbwesen”. “Nicht ganz echt sind sie in meinem Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas.”
Wenn man glaubt, schon alles gehört zu haben...
Antworten
Neuer Kommentar