Bildungsplan für Baden-Württemberg: Lehrer hetzt gegen sexuelle Toleranz

In Baden-Württemberg soll die Vermittlung von Toleranz gegenüber Homosexuellen in den Bildungsplan geschrieben werden. Ein Realschullehrer sammelt dagegen in einer Online-Petition mit abstrusen Argumenten Unterschriften. Er erntet erschreckenden Zuspruch.

 Bildungsplan für Baden-Württemberg: Lehrer hetzt gegen sexuelle Toleranz

In Baden-Württemberg arbeitet das Kultusministerium derzeit an einem neuen Bildungsplan, der im Jahr 2015 in Kraft treten soll. Er ist nötig, weil das Land die Anzahl der Gemeinschaftsschulen stark ausweitet und weil der aktuelle Bildungsplan bereits seit zehn Jahren in Kraft ist.

Der Entwurf enthält einen neuen, besonderen Gesichtspunkt: Auch Wissen über "sexuelle Vielfalt" soll durch die Bildungsplanreform fest im Lehrplan verankert werden - nicht als eigenes Fach oder Leitlinie, sondern als fächerübergreifend zu vermittelnder Aspekt. Das Kultusministerium möchte so Kinder darin bestärken, sich selbst und ihr Gegenüber mit Wertschätzung zu betrachten. Eine offene und tolerante Gesellschaft ist das Ziel.

Doch christlich-konservative Kräfte hetzen gegen den neuen Bildungsplan und schüren Antipathien. Wortführer ist ein Realschullehrer aus dem Schwarzwald. Er hat eine Online-Petition mit dem Titel "Zukunft - Verantwortung - Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" ins Leben gerufen. Darin macht er Stimmung gegen alles, was für ihn zum "Aktionsfeld LSBTTIQ" gehört. "LSBTTIQ" steht für "lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queer".

Hetze gegen angebliche Gehirnwäsche

Die Argumente der Petition sind abstrus. Die heterosexuellen Geschlechter von Mann und Frau würden durch den Bildungsplan in Frage gestellt. Es wird bemängelt, dass homosexuelle und andere Lebensstile ohne ethische Beurteilung als gleich erstrebenswert dargestellt werden. Die Schüler würden auf diese Weise moralisch-ideologisch umerzogen werden. Der Bildungsplan reflektiere nicht die "negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils" - aufgezählt werden Suizide, Drogen, HIV und psychische Erkrankungen. Geschlechtserziehung habe im Biologieunterricht stattzufinden, solle aber bitte nicht in sozialwissenschaftlichen Fächern diskutiert werden.

Der 41-Jährige Initiator Gabriel S., der laut "Tageszeitung" im Realschullehrerverband für das Referat Erziehung, Bildung und Schulpolitik zuständig und in einer christlichen Gemeinschaft aktiv ist, bekommt erschreckende Unterstützung. Aktuell haben mehr als 66.000 Personen seine Schrift unterzeichnet. Auch vom rechten Rand der Gesellschaft kommt Zuspruch. Ein signifikanter Teil der Unterzeichner fanden über die rechtspopulistische Webseite "Politically Incorrect" zu dieser Petition, zeigt die Auswertung der OpenPetition.de-Software.

Eine erste Fassung der Petition entsprach wegen diskriminierender Passagen nicht den Bedingungen des Portals OpenPetition.de. Zunächst stand dort etwas von einer "politischen Haft" des Lehrkörpers durch das "Kampfinstrument einer Lobbygruppe". Doch der Text wurde entschärft, denn das Portal verbietet Diskriminierung Einzelner oder Gruppen, auch wegen ihrer sexuellen Orientierung.

"Unterste Schublade"

Die Kommentare der Unterzeichner, darunter Lehrer, Kinderärzte, Eltern, zeugen von massiver Homophobie: Kinder würden "mit diesem Menschenbild verwirrt", junge Menschen würden "desorientiert und haltlos", wenn sie erführen, dass auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften gut und richtig sind. "Wie soll unser Land fortbestehen, wenn es moralisch so zersetzt wird?", steht in den von christlichen Vorstellungen geprägten Kommentaren. Sie hetzen gegen "abscheuliche Gräuelpraktiken" und "Gehirnwäsche".

Das Stuttgarter Kultusministerium weist die Behauptungen der Petition als falsch und diskriminierend zurück. Sie mache Stimmung gegen Offenheit und Toleranz, zeichne Zerrbilder und schüre Ängste gegen den neuen Bildungsplan. Dass Schüler umerzogen werden sollen, sei "vollkommen absurd", so eine Sprecherin. "Die Behauptung ist unverantwortlich und hat nichts mehr mit demokratischer Diskussion zu tun."

Es sei wichtig, die Schule zu einem Ort der Vielfalt und Akzeptanz zu machen, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand. Auch ein Sprecher der SPD-Landtagsfraktion sagte: "Die SPD steht für eine offene und tolerante Gesellschaft. Die jetzige Online-Petition birgt den Geist massiver Intoleranz und ist pädagogisch wie politisch unterste Schublade."

Auswirkungen hat die Petition bislang keine. Sie kann nach Ende der Laufzeit beim Petitionsausschuss des Landtags eingereicht werden. Gegen Realschullehrer Gabriel S. liegen mittlerweile eine Dienstaufsichtsbeschwerde und eine Strafanzeige vor, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

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