CSICon 2023 und das Ideologieproblem

Eine ideologische Invasion

CSICon 2023 und das Ideologieproblem

Bild: Pexels.com / Monica Silvestre

Der Skeptizismus steht vor einem Problem, das von innen kommt: einer ideologischen Invasion. Im Oktober nahm ich an der Committee for Skeptical Inquiry Conference (CSICon) 2023 teil, wo ich ein großartiges Programm an erkenntnisreichen Vorträgen und Diskussionsrunden genießen konnte. Zu meinen Favoriten gehörten Mick Wests Beschreibung der Geschichte der UFOlogie und wie sie ihre aktuelle Aufmerksamkeit im US-Kongress erlangt hat, und Dr. Paul Offits ausgewogener Überblick über die Wirksamkeit des Impfstoffs COVID-19 und die entsprechende staatliche Darstellung der Impfstoffwissenschaft war erfrischend ehrlich.

Allerdings ist auch der CSICon nicht völlig frei von unwissenschaftlichem Denken, und ich war enttäuscht, dass viele der Menschen, mit denen ich gesprochen habe, eine ideologische Ausrichtung hatten, die ihre Fähigkeit, als echte Skeptiker zu agieren, zu beeinträchtigen scheint. Die Ideologie, auf die ich mich beziehe und die aus der progressiven Identitätspolitik der Linken hervorgegangen ist, hat viele populäre Namen. Der Einfachheit halber werde ich sie als „woke“ bezeichnen. Ich werde nicht näher darauf eingehen, woher die Woke-Ideologie kommt, da es hier nicht darum geht. Stattdessen werde ich einfach von ein paar Erfahrungen erzählen, die ich auf dem CSICon 2023 gemacht habe.

Am ersten Abend der CSICon hielt Richard Dawkins einen Vortrag mit dem Titel „The Poetry of Reality“ (Die Poesie der Wirklichkeit), in dem er über die Wissenschaft, ihre Bedeutung und die Bedrohungen sprach, denen sie heute ausgesetzt ist. Im Rahmen seiner Rede beklagte Professor Dawkins die Zunahme wissenschaftsfeindlicher Haltungen in der gesellschaftspolitischen Linken und verwies dabei unter anderem auf die Leugnung der Tatsache des biologischen Geschlechts. Er wiederholte seine Bestürzung darüber, dass die Linke darauf beharrt, ein biologisch mehrdimensionales Konzept wie die Rasse zu kategorisieren und/oder zu diskretisieren, nur um genau das Gegenteil zu tun und dem einen grundlegenden Binärwert der Biologie (d. h. dem biologischen Geschlecht) Fluidität aufzuzwingen. Sein kurzer Ausflug in diesen Bereich führte bei einigen Zuhörern prompt zu einem Aufstöhnen, und als Prof. Dawkins noch einen anderen Fakt nannte, dass intersexuelle Menschen (ein oft zitierter Versuch, die Geschlechtertrennung zu widerlegen) nur einen winzigen Bruchteil eines Prozentsatzes der menschlichen Bevölkerung ausmachen, sagte ein Zuhörer hinter mir ziemlich laut: „Das stimmt einfach nicht. Ich habe einen Freund, der mit ...“ geboren wurde. Nun, die Tatsache, dass Sie einen Freund haben, der intersexuell ist, bedeutet nicht, dass intersexuelle Menschen mehr als 0,018 % der menschlichen Bevölkerung ausmachen - und es war sicherlich keine Entschuldigung dafür, den Vortrag unhöflich zu unterbrechen. Dieser Ausbruch war nur der Anfang.

Ich nahm auch an einer Reihe von Gesprächen mit verschiedenen Rednern und Teilnehmern der Konferenz teil, die zeigten, dass das ideologische Problem noch weiter reicht. Abgesehen davon, sich die Ansicht zu eigen zu machen (oder vielleicht war es eher eine Beschwerde), dass „Richard Dawkins gegen Transsexuelle ist“, bestanden die allgemeinen Reaktionen auf die Idee, dass Geschlecht tatsächlich binär ist, größtenteils aus nachträglichen Rationalisierungen und Versuchen, die Definition zu ändern. Sie wehrten sich vor allem aus zwei Blickwinkeln. Der erste Ansatz geht in etwa so: Wenn Transgenderismus vom Gehirn ausgeht, dann ist er immer noch biologisch, weil das Gehirn ein Organ des Körpers ist. (Das Gehirn ist zwar ein Organ, aber das biologische Geschlecht wird nicht durch irgendetwas im Gehirn definiert, sondern durch die Art der Keimzellen, die ein Organismus von Natur aus produziert - entweder kleine und bewegliche Spermien oder große und unbewegliche Eizellen.) Und was den zweiten Ansatz betrifft, so wird behauptet, dass es einen Weg geben muss, die Definition so zu gestalten, dass Transgender-Personen nicht ausgeschlossen werden. Während beim ersten Ansatz einfach versucht wird, die Definition von biologischem Geschlecht zu ändern, offenbart diese zweite Erwiderung die Agenda. Die Gefühle von Transgender-Personen sind von Bedeutung, nicht die wissenschaftliche Wahrheit der Sache. Die Tatsache, dass das Geschlecht binär ist und nichts einen Menschen physisch von einem Geschlecht in ein anderes verwandeln kann, bedeutet nicht - und sollte auch nicht -, dass Transgender-Personen entmenschlicht oder ausgeschlossen werden. Wenn eine Person auf eine unpolitische wissenschaftliche Tatsache so reagiert, dass sie sich von einer Kategorie ausgeschlossen fühlt, der sie gerne angehören würde, dann ist das ihr persönliches psychologisches Problem, mit dem sie umgehen muss, und nicht die Aufgabe der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die Fakten so zu verdrehen, dass sie ihr entgegenkommt.

Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion

Ein weiteres Thema, das unter meinen Skeptikerkollegen offenbar kontrovers diskutiert wurde, war das übermäßige Drängen auf Diversity, Equity, and Inclusion (DEI; Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion) in der akademischen Welt. Ich erhielt eine Reihe von Antworten zum Thema DEI. Am häufigsten wurde geleugnet, dass es sich hierbei um ein Problem handelt, weshalb ich ein persönliches Beispiel aus meinem eigenen Bereich der Astrophysik anführte. Ich beschrieb die neue Anforderung vieler NASA-Programme und -Zuschüsse, einen „Inklusionsplan“ vorzulegen. (Und während die NASA auf ihrer Webseite bei den Quellen für einen Inklusionsplan vorsichtig einen einzigen Verweis auf die „Vielfalt des Denkens“ aufnimmt, fehlt dies merkwürdigerweise in ihrer DEI-Richtlinienerklärung). Natürlich habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass ein NASA-Programmbeauftragter bei einer Präsentation über den Inklusionsplan sagte: „Wenn Sie unsere Werte nicht teilen, wollen wir nicht mit Ihnen arbeiten“ - eine Behauptung, die ausdrücklich exklusiv und nicht inklusiv ist. Doch selbst nachdem sie meine Geschichte gehört hatten, meinten einige meiner Gesprächspartner, dass es gut sei, wenn DEI bei der NASA und in der Wissenschaft im Allgemeinen in den Mittelpunkt rücke, weil „die Menschen das wollen". Meine Antwort: Hochschullehrer, Postdocs und Studenten haben keinen Einfluss darauf, wer Interesse an ihrer Forschung zeigt, und schon gar nicht darauf, wer sich für ihre Universitätsprogramme bewirbt. Wie könnte die Umleitung wertvoller Zeit und Ressourcen zu DEI-Aufwendungen, statt für die Wissenschaft ausgegeben zu werden, nicht ein direktes Hindernis für den wissenschaftlichen Fortschritt sein? Und wie konnte es passieren, dass diese Skeptiker sich diese Fragen nicht sofort stellen?

Wie ein roter Faden zog sich durch alle Gespräche, die ich über die genannten Themen führte, die unterschwellige Befürchtung, dass es sich bei diesen Themen lediglich um rechte Argumente handele, die von republikanischen Politikern über Gebühr aufgebauscht würden. Es stimmt zwar, dass Skeptiker jahrzehntelang einen gerechten Kampf gegen die gesellschaftspolitische Rechte geführt haben (z. B. in Bezug auf den Unterricht von Kreationismus/Intelligent Design in naturwissenschaftlichen Klassenzimmern), aber das sollte nicht zu einer konditionierten aversiven Reaktion führen, dass alles, was die Rechte sagt, eine Lüge oder eine Übertreibung ist. Nur weil Gouverneur Ron DeSantis in Florida einen Krieg gegen den Wokeismus geführt hat, heißt das nicht, dass Wokeismus Fake News sind. Egal wie sehr die Linke schreit „Wissenschaft ist wahr“ und „folge der Wissenschaft", sie ist auch fähig zu Anti-Wissenschaft. Und egal, wie sehr sich die Rechte in der Vergangenheit gegen die Wissenschaft gewehrt hat, auch sie ist in der Lage, die Wahrheit zu sehen und zu sagen. Wissenschaftliche Fakten haben keine politischen Bündnisse oder Monopole.

Ich bin stolz darauf, dass Menschen wie Richard Dawkins und Robyn Blumner der woken ideologischen Umklammerung nicht zum Opfer gefallen sind und sich dagegen ausgesprochen haben - auch wenn sie sich dadurch bei ihrem Publikum unbeliebt machen. Ich fürchte jedoch, dass ihre Warnungen (und die vieler anderer wie sie) nicht auf taube Ohren stoßen, sondern auf absichtlich verstopfte Ohren. Natürlich traf dies nicht auf alle zu. Es gab einige Leute auf der CSICon, die im Stillen eine gemeinsame Skepsis gegenüber einigen der extremen ideologischen Positionen der woken Linken zum Ausdruck brachten, aber sie waren - in Ermangelung einer besseren Beschreibung - zu ängstlich, um den Mund aufzumachen, vermutlich aufgrund des Risikos einer Gegenreaktion und/oder der Gefahr, als rechtsextrem abgelehnt zu werden. Meiner Meinung gibt es keine andere Vorgehensweise gegen die woke ideologische Invasion des Skeptizismus, als weiterhin Alarm zu schlagen, und wenn genügend Skeptiker ihre Angst ablegen und sich als Teil der schweigenden, aber vernünftigen Mehrheit zu erkennen geben können, dann wird das vielleicht ausreichen, um dieser neuen Form des antiwissenschaftlichen Denkens Widerstand zu leisten.

Aber trotz meiner Kritik an der ideologischen Kontaminierung unter den Skeptikern bin ich dennoch dankbar, dass diese Gespräche auf dieser Konferenz zivilisiert geführt werden konnten - das ist viel mehr, als ich von die meisten Universitäten sagen kann. Die CSICon 2023 war meine zweite CSICon überhaupt, und sie war noch besser als die letzte. Ich habe bereits die Vorträge von Mick West und Paul Offit hervorgehoben (die über Themen sprachen, mit denen ich mich zufällig gerade beschäftigte), aber ganz allgemein waren die Vorträge für die heutigen Probleme höchst relevant, und ich denke, das ist es, was die CSICon vor allem sehenswert macht. Oh, und auch George Hrabs unendlich lustige und geistreiche Moderation!

Vesal Razavimaleki besucht die University of Illinois Urbana-Champaign, wo er Physik studiert.

Übersetzung: Jörg Elbe

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Kommentare

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    RPGNo1

    Ich habe ein Déjà-vu.

    Was der Autor in seinem Artikel beschreibt, trifft in vollem Umfang auf die aktuellen Auseinandersetzungen innerhalb der GWUP zu. Auch dort gibt es Mitglieder, die biologische Tatsachen (Binärität der Geschlechter) klein reden oder ignorieren wollen bzw. DEI als relevantes Kriterium für den Verein erachten.

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      Andreas Edmüller

      Hallo RPGNo1,
      ich stimme Ihren Beobachtungen zu. Leider kommt noch hinzu, dass dieser Personenkreis um Herrn Hümmler sehr bereitwillig Personen mit anderer Meinung in die rechtsextreme Ecke zu stellen versucht. Zu dieser plumpen Manipulationstaktik ist gerade ein sehr erhellender Artikel im Skeptical Inquirer erschienen: https://skepticalinquirer.org/exclusive/the-german-dilemma-continues-skepticism-in-the-face-of-ideological-conflict/.

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        RPGNo1

        Hallo Herr Edmüller,
        danke schön für den Hinweis. Ich werde den Artikel lesen.

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        Thomas Waschke

        "Wenn eine Person auf eine unpolitische wissenschaftliche Tatsache so reagiert, dass sie sich von einer Kategorie ausgeschlossen fühlt, der sie gerne angehören würde, dann ist das ihr persönliches psychologisches Problem, mit dem sie umgehen muss, und nicht die Aufgabe der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die Fakten so zu verdrehen, dass sie ihr entgegenkommt."

        exakt der Punkt, und vielen lieben Dank für diese treffende Formulierung.

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          Thomas Waschke

          @RPGNo1
          Bin echt gespannt, wie die MV in Augsburg verlaufen wird.

          Ich habe den Vortrag von Herrn Edmüller gehört, der einen Stein bei der GWUP ins Rollen brachte. Wenn sich am Samstag nichts am aktuellen Kurs ändert, habe ich keinen Platz mehr in der GWUP.

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