Darf ein Nichtchrist, ein säkularer Humanist Weihnachten feiern?

Ja, natürlich!

Darf ein Nichtchrist, ein säkularer Humanist Weihnachten feiern?

Foto: Pixabay.com / Foundry

Ich werde als Nichtchrist, als säkularer Humanist immer mal wieder gefragt, warum ich trotzdem Weihnachten feiere und ob ich dann nicht eigentlich ziemlich inkonsequent bin. Ich habe mich in meinem nachberuflich verfassten Buch »Warum ich kein Christ sein will« dazu etwa so geäußert:

Wegen der Allgegenwart der Kirche hat sich der nichtchristliche Teil der Gesellschaft bisher zu wenig mit eigenen schmückenden und das Gemüt ansprechenden Formen für Anlässe wie Geburt, Namensgebung, Hochzeit oder etwa Ostern und eben Weihnachten durchsetzen können. (Das Wort Weih-Nachten geht auf das germanische Wort wizja bzw. wihaz für heilig bzw. geweiht zurück.) Weihnachten als Fest des familiären und gesellschaftlichen Friedens, der Besinnung und des gegenseitigen Erfreuens durch ein mit Bedacht ausgewähltes Geschenk, und wenn es nur Zeit ist, die man dem anderen schenkt – warum sollten es nicht erhaltenswerte festliche Tage im Ablauf eines Jahres sein? Zwar formal auf christlich-religiöser Tradition beruhend, aber mit neuen Inhalten ausgestattet. Weihnachten erfüllt ein Bedürfnis nach Gemeinschaft und Ritualen und weckt schöne Erinnerungen an die eigene Kindheit. Inzwischen ist für mich Weihnachten ein säkulares Fest der Familie, auch gern mit einem geschmückten und leuchtenden Weihnachtsbaum, der ohnehin kein christliches Symbol ist. Und vergessen werden sollte auch nicht, dass die Zeit um Weihnachten einen natürlichen Anlass hat, die Wintersonnenwende, die Wende zu den längeren und wärmeren Tagen. So wie Ostern, die Tage um die Tag- und Nachtgleiche, einst eigentlich ein den Frühlingsanfang, das Erwachen der Natur markierendes Fest darstellte.

Was der Form eines wieder verweltlichten Weihnachtsfestes fehlen könnte, ist eine das Gefühl ansprechende, gemeinschaftlich erlebte Feierlichkeit. Dass sich zu Weihnachten regelmäßig die Kirchen füllen, ist für mich weniger Zeichen einer jährlich einmal aufflackernden Frömmigkeit, sondern vielmehr der unbewusst sich äußernde Wunsch nach einer gefühlsmäßigen Überhöhung eines solchen Tages, der in uns eine Ahnung aufsteigen lässt, dass das Leben aus mehr besteht als aus der rationalen Bewältigung des täglichen Lebens, dass es Fragen gibt, die unser Wissen über die Welt und uns übersteigen, die sich der Beantwortung entziehen und doch als Fragen immer da sind. Es fehlt eine Form von Feierlichkeit, die das Gemüt – oder wenn man es lieber so ausdrücken möchte: die Seele – anspricht, ohne den Verstand zu kränken.

Univ.-Prof. Dr. Uwe Lehnert ist emeritierter Professor für Bildungsinformatik und Bildungsorganisation, der an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie tätig war.

Bekannt geworden ist er vor allem durch sein Buch „Warum ich kein Christ sein will“. Im Oktober 2018 erschien die 7., vollst. überarb. Auflage, Hardcover, 490  S. im Tectum-Verlag Baden-Baden (innerhalb der Nomos Verlagsgesellschaft).

Webseite: http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/

Kommentare

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    Uwe Lehnert

    Bemerkenswert dürfte i.d.Z. wohl auch sein, dass das Datum 25. Dezember, später festgelegter Tag der Geburt von Jesus, identisch ist mit dem Geburtstag des Mithras, eines indisch-persischen Gottgesandten. Deshalb sei hier darauf hingewiesen, dass der sog. Mithraskult eine verblüffende Ähnlichkeit zum Christentum aufweist. Die Religionswissenschaft hat herausgefunden, dass die Christen nicht nur den 25. Dezember okkupiert hatten. Der wesentlich ältere indisch-persische Mithraskult dürfte überhaupt das Vorbild für das Christentum gewesen sein. Die Ähnlichkeiten zum christlichen Kult sind wahrlich erstaunlich, sie werden verständlicherweise von christlich-theologischer Seite heruntergespielt. Beispielsweise waren bei der Geburt des Mithras durch eine Jungfrau Hirten und Tiere anwesend, zelebrierte er kurz vor seinem Tod mit seinen zwölf Anhängern ein abschließendes Abendmahl, auferstand er nach seinem Tod und fuhr gen Himmel. Der Mithrasglaube kannte ebenso Himmel und Hölle und ein Jüngstes Gericht. Der Sonntag war geheiligt und der Geburtstag des Mithras war – wie erwähnt – der 25. Dezember (!). Dass die christliche Theologie diese Ähnlichkeiten nicht wahrhaben will, ist mehr als verständlich.

    Mehr dazu in Karlheinz Deschner: Abermals krähte der Hahn, Stuttgart, 1968, S. 76ff. Heinz-Werner Kubitza: Der Jesuswahn, Marburg, 2011, S. 239f. Josef Augstein: Christentum: Alles nur geklaut. der Freitag – Das Meinungsmedium, 04.04.2010. Bei Wikipedia unter dem Stichwort Mithraismus und Christentum.

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      Klarsich(ig)

      Den Inhalt der drei folgenden Links betrachte ich als Fortsetzung des obigen Artikels.

      „Der Mithraskult und das Christentum" (die wahre Geschichte über „die Entstehung des Weihnachtsfestes"): 
      https://religionskritik4.blogspot.com/2013/12/der-mithraskult-und-das-christentum-die.html

      „Weihnachten – ein Ja zum Fest aus säkular-humanistischer Sicht:
      https://religionskritik4.blogspot.com/2014/11/weihnachten-ein-ja-zum-fest-aus-sakular.html

      Sommersonnenwende – Wintersonnenwende:
      http://www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_sommer.pdf

      23. 12. 2021, 18,35 Uhr.

      Gruß von
      Klarsicht(ig)

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        Bernd Kustusch

        Sonnenwende
        Mehr nicht

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