Das Design-Argument

Es gibt eine Sache, bei der ich mit Richard Dawkins nicht einer Meinung bin. Er behauptet, dass man erst nach Darwin und seiner Evolutionstheorie (ET) Atheist sein kann. Denn die ET widerlegt das bekannte Design-Argument für Gott. Ohne diese Widerlegung verfügt man über keine hinreichenden Argumente gegen die Annahme eines Designers, der die Natur gestaltet hat.
 

Daran ist sicher richtig, dass die ET das Design-Argument untergraben hat. Denn erst damit kann man beginnen, eine plausible Alternative zur Vorstellung einer Schöpfung zu entwickeln. Aber zum einen ist der Atheismus wesentlich älter als selbst das Christentum. Zum anderen benötigt man die ET nicht, um zu erkennen, dass an der Vermutung eines Designers etwas faul ist. Vor Darwin wurde das Argument von David Hume und Immanuel Kant widerlegt.

Um das zu verdeutlichen, demonstriere ich hier die Schritte, die notwendig sind, um die  Fehler im Design-Argument zu bemerken. Ohne dabei auf die ET einzugehen oder diese als Gegenargument zu gebrauchen.

Zunächst einmal: Was ist das Design-Argument für Gott?

Es gehört zu den sog. »Gottesbeweisen«. Nun wird von Gläubigen meist behauptet, man könne Gott nicht beweisen, d. h., man könne seine Existenz auch nicht widerlegen. Aber ein logisches Argument ist eine Form des Beweises. Wenn man ein formal korrektes Argument hat, und den Voraussetzungen (= Prämissen) zustimmt, auf denen es aufbaut, kann ein rationaler Mensch der Schlussfolgerung nicht widersprechen. Es gibt nur zwei Wege, Zweifel anzumelden: Erstens, in dem man einen formalen Fehler im Argument findet – dann ist es ungültig, also mit Sicherheit falsch. Das bedeutet nicht, dass die Schlussfolgerung falsch ist, sondern nur, dass diese sich nicht aus den Prämissen ergibt bzw. daraus abgeleitet werden kann. Zweitens, es ist möglich, die Voraussetzungen anzuzweifeln. Wenn man zusätzlich Argumente gegen eine oder mehrere davon anmeldet, kann man es als widerlegt betrachten.

Nahezu alle Gottesbeweise bis auf die ontologischen, bei denen Gott aus der Logik alleine gefolgert wird, enthalten Logikfehler. Das gilt ebenso für das Design-Argument.

Untersuchen wir zunächst die populäre Variante von William Paley. Diese geht in etwa so:

Sie gehen an einem Strand spazieren und finden dort eine Uhr. Wir erkennen, dass diese schlau konstruiert wurde und schließen daraus, dass sie einen Designer (Menschen) hatte, also von einem intelligenten Wesen hergestellt worden sein muss. Wenn man sich die Welt ansieht, die noch komplexer und geordneter ist als eine relativ simple Uhr, dann muss man feststellen, dass auch der Kosmos von einem Schöpfer erschaffen wurde. Dieser ist natürlich Gott.

Das klingt auf den ersten Blick plausibel. Um es genauer betrachten zu können, schreibe ich es als formales Argument auf. Das ist immer eine gute Hilfe, wenn man sich fragt, ob man einer Argumentation folgen sollte oder nicht. Denn: Stimmt man den Prämissen zu und lässt sich kein formaler Fehler finden, dann hat man als rationaler Mensch keine Wahl, als die Schlussfolgerung zu akzeptieren. Muss man das in diesem Fall? Wir werden sehen:

(P1) Alle Dinge, die komplex sind, benötigen einen Designer.
(P2) Die Welt ist komplex.
(S1) Folglich benötigt die Welt einen Designer – Gott.

S1 ist die Schlussfolgerung, P1 und P2 die Voraussetzungen. Diese sind aber nicht komplett, man muss noch hinzufügen:

(P3) Ähnliche Wirkungen haben auch eine ähnliche Ursache.

(P3) ist nicht völlig unproblematisch. Für den Moment akzeptiere ich (P3), komme aber später darauf zurück, was dies bedeutet.

Für viele Menschen ist diese Darstellung ungewohnt, einige finden es abschreckend, aber es ist ein guter Weg zur Klarheit. Jetzt lautet die Frage: Wenn ich (P1) bis (P3) für wahr halte, muss ich dann (S1) zustimmen? Die Antwort: Nein. Denn das Argument selbst ist fehlerhaft oder ungültig. Denn eine wesentliche Eigenschaft eines Designers ist: Er ist komplexer als das, was er erschafft. Definieren wir komplex: Wir bezeichnen etwas als komplex, wenn es aus vielen Teilen besteht, die funktionell miteinander verbunden sind. Das gilt für einen Menschen, aber auch für den Kosmos insgesamt, da der Mensch ein Teil des Ganzen darstellt. Das Argument ist unvollständig, ergänzen wir es:

(P1) Alle Dinge, die komplex sind, benötigen einen Designer.
(P2) Die Welt ist komplex.
(P3) Ähnliche Wirkungen haben auch eine ähnliche Ursache.
(P4) Ein Designer ist komplexer als das, was er designed hat.
(S1) Folglich benötigt die Welt einen Designer – Gott.

(P1) sagt ALLE Dinge, die komplex sind, benötigen einen Designer. Das bedeutet, dass Gott selbst komplexer sein muss als ein Mensch, was aus der versteckten Prämisse (P4) folgt. Demnach besagt die Schlussfolgerung: Auch Gott benötigt einen Designer!

Wenn man das bestreitet, dann geht das nur, wenn man das Argument selbst für fehlerhaft hält: Es muss formal ungültig sein, eine der Voraussetzungen muss falsch sein, oder beides. Hält man das Ganze selbst für korrekt, dann MUSS man der Schlussfolgerung zustimmen, dass auch der Designer einen Designer braucht. Dann kommt man zu einem unendlichen Regress an Designern.

Die meisten Gläubigen wählen sofort den Ausweg, die Prämisse (P1) anzuzweifeln. Alle Dinge brauchen einen Designer, außer Gott, per definitionem. Logisch gesehen ist das identisch zu:

(P1b) Alle Dinge, die komplex sind, benötigen einen Designer. – außer Gott.

Oder:

(P1c) Nicht alle Dinge, die komplex sind, benötigen einen Designer.

Mit (P1b) wird das Argument formal falsch, weil ich jetzt Gott in der Prämisse bereits voraussetze. Dann wird das Argument zu: Es gibt Gott, weil es Gott gibt. Das ist keine Argument, das nennt man »logisch zirkulär«, und falscher als dieses geht nicht. Wenn ich (P1c) nehme, dann ergibt sich die Schlussfolgerung nicht mehr. Wenn nicht alles Komplexe einen Designer benötigt, dann braucht das Universum keinen, obwohl es komplex ist.

Manchmal wird auch eingewandt, dass Gott nicht komplex ist. Aber dann wird das Argument geradezu evolutionär: Denn dies besagt, dass komplexe Dinge auch aus einfacheren, weniger komplexen Dingen entstehen können. Dann brauche ich keinen Gott!

Der Hauptfehler der Argumentation ist, dass man ein Prinzip voraussetzt, nämlich, dass man Komplexität nur mit noch mehr Komplexität erklären kann. Das ist keine Erklärung, weil man voraussetzt, was man erklären will. Wenn man nun sagt, es ist unwahrscheinlich, dass komplexe Dinge wie Bakterien »einfach so« existieren, um wie viel unwahrscheinlicher ist es dann, dass ein noch sehr viel komplexerer Gott existiert! Damit sind wir dann beim Argument von Dawkins angelangt: Dieses wird zu einem Gegenargument gegen Gott, in dem man den Logikfehler im Design-Argument entfernt. Damit hat sich mein erster Artikel beschäftigt: Der Gotteswahn und seine Kritiker, Teil I.

Der Logikfehler in dem Argument ist, dass die Prämisse (P1) der Schlussfolgerung widerspricht. Formuliert man (P1) so um, dass es keinen Widerspruch mehr gibt, erhält man ein Argument gegen Gott.

Man kann nun auch die anderen Voraussetzungen anzweifeln – gegen jede davon gibt es gute Gründe – aber das ist nicht mehr notwendig, das Argument ist bereits widerlegt. Als rationaler Mensch kann man ihm nicht zustimmen, man hat sogar keine andere Wahl, als es abzulehnen! Man kann sogar so weit gehen und sagen, dass einen die Logik dazu zwingt, anzunehmen, dass komplexere Dinge aus einfacheren hervorgehen. Das ist genau die Behauptung der Evolutionstheorie! Wie das geschieht, muss man nicht wissen, um den Schluss zu akzeptieren.

Argumente können oft oberflächlich verführerisch aussehen. Man sollte schon genau hinsehen, sonst fällt man auf den schönen Schein herein. Eine ausführliche Widerlegung unter Berücksichtigung der Feinheiten finden Sie unter http://www.dittmar-online.net/designargument.html.


Paley, William, Matthew D Eddy, and David Knight. Natural Theology. Oxford: Oxford University Press, UK, 2006.
 

Kommentare

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    Dietmar Dreyer

    Was sich mir hier nicht ganz erschließt, warum führen Sie die zusätzlichen Prämissen P3 und P4 ein?
    S1 folgt bereits aus P1, P2 und durch Hinzufügen weiterer Prämissen schwäche ich mein Argument
    und ist widersinnig, sofern ich S1 beweisen möchte.
    P3 und P4 sind auch aus semantischer Sicht nicht zwingend, d.h. es wird kaum ein Konsens herzustellen sein, dass sie uneingeschränkt gültig sind.

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      volker.dittmar.7

      Antwort auf #2 von Mario Gruber:
      > Kritik an diesem Artikel:
      > Das Universum ist nicht so komplex wie es scheint, es gibt keinen Grund warum es nicht ohne Schöpfer existieren könnte. Moderne Quantenphysik kommt der Entstehung des Universums immer näher auf den Grund. Es könnte arbiträr viele Universen geben, unseres ist ein zufälliges,...

      Das Universum selbst ist, insgesamt gesehen, in der Tat sehr einfach strukturiert. Das gilt aber nicht für ökologische Systeme auf der Erde, und die bemerkenswerteste Ausnahme ist - das menschliche Gehirn. Hierbei handelt es sich um die komplexeste zusammenhängende Struktur des bekannten Universums. Wenn man das Design-Argument nimmt, dann ist die Behauptung die, dass ein so komplexes Organ nicht ohne Hilfe eines Designers entstanden sein kann.

      Tatsächlich wären mehrere Universen ein starkes Argument gegen einen Gott. Wobei man sagen muss: Bereits die schiere Größe des bekannten Universums ist ein Gegenargument! Aber, und das werden Theisten einwenden: mehrere Universen sind eine bloße Spekulation, und das ist kein Argument. Man sollte sich diese Widerlegung eines Arguments merken, weil man sie mit Sicherheit später in der Diskussion mit dem Theisten gegen ihn anwenden kann. Denn der Einwand ist berechtigt. Zwar ist es so, dass es keinen Grund gibt, die Existenz mehrerer Universen anzuzweifeln, und möglicherweise sind die Anomalien in der kosmischen Hintergrundstrahlung schon ein erstes Indiz, aber es bleibt Spekulation.

      Ich ziehe es vor, Argumente zu benutzen, oder Widerlegungen, die möglichst wenige spekulative Elemente enthalten. Noch besser ist es, wenn man nur Prämissen benutzt, denen das Gegenüber zustimmen kann. Aus diesem Grund benutze ich in meiner Widerlegung nicht die Theorie der Multiversen - auf meiner Website habe ich das gemacht, aber nur, weil ich eine Vollständigkeit in der Widerlegung angestrebt habe. Das ist aber nur Spielerei und nicht notwendig.

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        Gast

        Antwort auf #2 von Mario Gruber:
        > Kritik an diesem Artikel:
        > Das Universum ist nicht so komplex wie es scheint, es gibt keinen Grund warum es nicht ohne Schöpfer existieren könnte. Moderne Quantenphysik kommt der Entstehung des Universums immer näher auf den Grund. Es könnte arbiträr viele Universen geben, unseres ist ein zufälliges,...

        Komplexere Dinge haben stets einfachere Vorläufer. Dies ist ein zentrales Konzept in der Evolutiontheorie. Insofern ist eine Uhr natürlich komplexer im Sinne eines unwahrscheinlichen zufälligen Enstehens. Daher ist ein Schöpfer ebenso unwahrscheinlich, da dieser wiederum komplexer als seine Schöpfung sein würde. Von dem Problem der infiniten Regression einmal abgesehen (wer hat den Schöpfer geschaffen usw.).

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          Mario Gruber

          Kritik an diesem Artikel:
          Das Universum ist nicht so komplex wie es scheint, es gibt keinen Grund warum es nicht ohne Schöpfer existieren könnte. Moderne Quantenphysik kommt der Entstehung des Universums immer näher auf den Grund. Es könnte arbiträr viele Universen geben, unseres ist ein zufälliges, in dem die Gesetze der Natur Leben zulassen. Wir verstehen das Universum und wissen, dass es um einiges wahrscheinlicher ist, dass sich eine Sonne formt als eine Uhr. Eine Uhr ist somit komplexer als Sterne oder eher unwahrscheinlicher von selbst zu entstehen. Eine Uhr ist sogar unwahrscheinlicher zu entstehen als vermutlich das gesamte Universum. Die Moleküle einer Uhr würden sich in der Natur nie so zusammenwürfeln, wobei für einen Stern lediglich Wasserstoff und Helium (die zwei häufigsten Elemente des Universums) nötig sind.
          Die ET (und alle moderne Wissenschaft) zeigt deutlich, dass Dinge nicht einen Designer haben müssen. Gibt es einen Schöpfer, will er nicht, dass wir ihn finden.

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            Gast

            Paley und alle anderen Prä-Darwin Argumente gegen die Existenz Gottes oder Götter sind unbestritten wichtig. Sie haben aber bei weitem nicht die Wirkung der ET gehabt. Dies hat wohl auch mit der Jahrunderte langen Infiltration der Religion in der Gesellschaft zu tun Die ET wurde seit ihrem ersten Erscheinen durch alle Forschungen stets bestätigt. Führungskräfte der Kirchen bestreiten nicht ernsthaft die Richtigkeit der ET. Ich stimme da eher Lawrence Krauss zu, der sagt, dass man kein Atheist sein müsse, um die ET zu akzeptieren. Ich denke jedoch, dass es ein Anfang für den Austieg aus dem Glauben sein kann. Religiöse Menschen stehen jeher vor dem Problem, was es bedeuten würde, wenn die Gotteshypothese nicht mehr haltbar wäre. Es verblieben Werte und Moral aus alten Schriften, die zum großen Teil Unsinn enthalten, der heute nicht mehr haltbar ist, weil er den Wissensstand und die Moralvorstellung seiner Zeit darstellt. Wenn man aber anfängt, sich das heraus zu picken, was man für richtig hält, dann ist man bald bei dem Prinzip einer säkularen Gesellschaft angelangt.

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              Soufian Schneider

              Mir stellt sich jetzt allerdings die Frage, wenn ein Designer einen Designer benötigt, kommt es dann nicht zu einer endlosen Kette von Designern. Wenn es zu einer endlosen Kette von Designern kommt, würden wir dann je existieren? Sagen wir Gott habe einen Gott und dieser Gott habe einen Gott und dieser Gott habe einen Gott usw. Dann könnte unser Gott uns niemals designen.Stellen wir uns einen Scharfschützen vor,der auf den Befehl seines Offiziers wartet, dieser Offizier allerdings, wartet auf den Befehl seines Offiziers und dieser wiederum, wartet auf den Befehl seines Offiziers. Würde der Scharfschütze je zum Schuss kommen?Es wäre also rationaler anzunehmen das es nur den einen höheren Designer gibt, eine perfekte Instanz. Dies allerdings führt zur Schlussfolgerung dass Gott nicht "komplex" ist sondern "perfekt".dies ist ein bedeutender Fehler den ich in ihrem Kommentar gerne berichtigen möchte. Denn Komplexität hat die Voraussetzung nicht perfekt zu sein. Denn die Komplexität im Sachverhalt ist ein dehnbarer Begriff. Zb. Kann man behaupten, etwas sei komplexer oder weniger komplex, in der Perfektion allerdings gibt es keine Dehnung des Sachverhaltes, es gibt nichts perfekteres oder weniger perfekt, es gibt nur die eine Perfektion. Also wenn unser Universum nicht perfekt ist, aber dafür komplex,würde man, wenn man sich platons Argument "Design ist ein Beweis für einen Designer", anschaut schluss folgern, dass es nur einen Gott geben muss, da er selber keinen Designer benötigt, weil er schon die Perfektion an sich ist und seine Kreationen nur Abstufung von komplexen Strukturen sind.diese Annahme findet man auch in der Evolution. Die Evolution eines Wesens ist stets bemüht das Wesen so perfekt wie es nur geht, an seine Umgebung anzupassen, allerdings wird sie die Perfektion nie erreichen da die Evolution in Grenzen der Komplexität gefangen ist.So wie der Verstand des Menschen und alles in unserem Kosmos.Vielen dank für ihre aufmerksamkeit und ihren Interessanten Beitrag ich würde mich über eine Antwort sehr freuen :)

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