Das Erbgut des Tardigrade wurde entschlüsselt, und es hat die meiste Fremd-DNA von allen Tierarten

Das Bärtierchen ist nun noch seltsamer geworden

Das Erbgut des Tardigrade wurde entschlüsselt, und es hat die meiste Fremd-DNA von allen Tierarten

Wissenschaftler haben zum ersten Mal das gesamte Genom des Tardigrade, alias das Bärtierchen, sequenziert. Und es stellt sich heraus, dass diese kleinen, seltsamen Lebewesen die meisten Fremdgene von allen bisher erforschten Tieren haben, um genauer zu sein, etwa ein Sechstel des Bärtierchen-Genom  ist von anderen Spezies gestohlen. Wir müssen aber zugeben, wir sind irgendwie nicht überrascht.

Hier ein wenig Hintergrundwissen für diejenigen, die nicht mit den Eigenarten des Bärtierchens vertraut sind. Die mikroskopische Wasserkreatur wird im Durchschnitt 1 mm lang und ist das einzige Tier, das in der rauen Umgebung des Weltraums überleben kann. Es kann auch Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt wie auch über dem Siedepunkt des Wassers standhalten, Druck in absurd anmutender Höhe und sogar Strahlung bewältigen und es kann für mehr als 10 Jahre ohne Nahrung und Wasser leben. Im Grunde ist es fast unmöglich, es zu töten, und jetzt haben Wissenschaftler gezeigt, dass seine DNA so bizarr ist wie das Tierchen selbst.

Also was ist nun Fremd-DNA, und warum ist es von Bedeutung, dass Bärtierchen so viel davon haben? Der Begriff bezieht sich auf Gene, die von anderen Organismen stammen, ein Prozess bekannt als „Horizontal Gene Transfer“ (HGT), im Gegensatz zu den Genen, welche durch traditionelle Reproduktion weitergegeben werden.

Gelegentlich tritt HGT auch bei Menschen und anderen Tieren auf, in der Regel durch Gen-Austausch mit Viren, aber um es zu relativieren, die meisten Tiere haben weniger als 1 Prozent  ihres Genom aus Fremd-DNA gebildet. Vor diesem galt das Rädertierchen – eine andere mikroskopische Wasserkreatur – als jenes Tier mit den meisten,  8 bis 9 Prozent, fremden Genen aller Tierarten.

Aber die neueste Forschung hat gezeigt, dass etwa 6.000 der Bärtierchen-Gene aus fremden Arten stammen, dies entspricht rund 17,5 Prozent.

"Wir hatten keine Ahnung, dass ein tierisches Genom aus so viel fremder DNA bestehen könnte", sagte Co-Studienautor Bob Goldstein, an der University of North Carolina in Chapel Hill. "Wir wussten viele Tiere erwerben fremde Gene, aber wir hatten keine Ahnung, dass es in diesem Ausmaß passiert."

Also, woher hat das Bärtierchen nun all seine Gene? Die Fremd-DNA kommt hauptsächlich aus Bakterien, aber auch aus Pflanzen, Pilzen und Archaeen. Und es ist diese unglaubliche Vielfalt an Genen, welche es dem Bärtierchen erlauben, unter solch extremen Bedingungen zu überleben.

"Tiere, welche extreme Belastungen überleben können, neigen möglicherweise besonders stark dazu, Fremd-Gene zu übernehmen – und bakterielle Gene widerstehen möglicherweise besser hohen Beanspruchungen als jene von Tieren" meinte einer der Forscher, Thomas Boothby.

Das Team hat bisher noch nicht exakt untersucht wie genau dieser Gen-Diebstahl vor sich geht, aber sie denken, dass es nur ein weiteres Ergebnis des verrückten Überlebensmechanismus des Bärtierchens ist – die Fähigkeit zu trocknen, bis ihr Körper weniger als 3 Prozent Wasser beinhaltet, und wieder in einen normalen Zustand zurück zu gelangen, wenn sie befeuchtet werden.

Wenn diese Austrocknung geschieht, wissen Wissenschaftler, zerlegt sich ihre DNA in kleine Stücke. Sie wissen auch, dass es, wenn ihre Zellen wieder Wasser aufnehmen, einen Punkt gibt, an welchem der Zellkern undicht ist, so dass DNA und andere Moleküle hineingelangen können. Das bedeutet, dass während der Flickarbeiten am eigenen Genom versehentlich auch Fremd-Genome miteingebaut werden können.

Dies geschieht zwar zufällig, aber es sind eben jene übernommenen Gene, welche dem Bärtierchen beim Überleben behilflich sind. Nun muss weiterer geforscht werden um herauszufinden, wie das Tardigrade es anstellt, an das Fremd-Genom zu gelangen und wie oft dies geschieht. Aber das wirklich spannende daran ist, dass es neue Einblicke bietet, wie das Leben sich entwickelt.

"Wir denken noch an den Baum des Lebens, mit dem von Mama und Papa vertikal übertragenem genetischen Material. Aber mit dem immer allgemeiner bekannten und anerkannten Prozess des horizontalen Gentransfers, zumindest in bestimmten Organismen, beginnt dieser die Art und Weise zu ändern, wie wir über Evolution und Vererbung von genetischem Material denken", sagte Boothby." Anstatt über den Baum des Lebens, könnten wir über das Gewebe des Lebens und der Übergabe genetischen Materials zwischen den Ästen nachdenken ...es ist spannend. Wir beginnen unser Verständnis für die Funktionsweise der Evolution anzupassen."

Die Forschungsarbeit, die in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlicht wurde, könnte auch einige Einblicke in nützliche Gene bieten, die wir in Medikamenten verwenden könnten. Lang lebe das Bärtierchen, in all seiner Seltsamkeit.

Übersetzung: Thomas Höllriegel, Ramona Wagner

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Kommentare

  1. userpic
    Hard Frost

    Das Untersuchungsergebnis erscheint zweifelhaft:
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/baertierchen-nur-etwa-zwei-prozent-der-gene-sind-fremd-a-1067913.html

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