Woher weiß man, dass Menschen, die als Wissenschaftsexperten bezeichnet werden, die man in den Medien sieht, hört und von denen man liest, wirklich glaubwürdig sind? Oder wurden sie bei der Berichterstattung zu einem bestimmten Thema vielleicht ausschließlich aus dem Grund hinzugezogen, um den Anschein von Gleichgewicht zu erzeugen?
Das ist ein Problem, das alle Medien betrifft und dem sich die Verantwortlichen des BBC in ihrem aktuellen Bericht über die Unvoreingenommenheit bei der Programmgestaltung widmen.
Im Zuge von Fortbildungsmaßnahmen wurde besonders dem Personal außerhalb des Nachrichtenprogramms mitgeteilt, dass Unparteilichkeit nicht darin besteht, eine große Bandbreite von Ansichten zu einem Thema zu präsentieren, da dies zu einer „falschen Ausgewogenheit“ führen kann. Damit ist eine Vorgehensweise gemeint, bei der Leuten, deren Ansichten sich nicht mit den etablierten oder vorherrschenden Positionen decken, eine Plattform geboten wird, nur um den Eindruck von „Ausgewogenheit“ zu erwecken.
Die BBC wurde in der Vergangenheit für „falsche Ausgewogenheit“ kritisiert, und aktuellen Berichten zufolge wurden bestimmte Skeptiker des Klimawandels aus den BBC-Nachrichten verbannt, was jedoch von der BBC bestritten wird.
Es ist verständlich, dass solch ein falsches Gleichgewicht aus dem Wunsch, unparteiisch zu erscheinen, resultieren kann, insbesondere seit öffentliche Sender wie die BBC oder die ABC in Australien empfindlich auf Behauptungen der Unausgewogenheit oder Befangenheit reagieren.
Betrachtet man dies nun in Verbindung mit der Notwendigkeit, sich auf das Spannungsfeld der Expertenmeinungen, des authentisches Gleichgewichts und der Erwartungen der Zuschauer zu begeben, ganz zu schweigen von der immer empfindlichen Spannung zwischen den zwingenden Regeln der Berichterstattung und denen der Unterhaltung, ist es überhaupt nicht erstaunlich, dass Fehler gemacht werden. Eine Untersuchung hat dieses Jahr ergeben, dass die ABC ihre eigenen Standards der Unparteilichkeit in ihrem Programm „Catalyst“ über Statine und Herzerkrankungen im vergangenen Jahr verletzt hat.
Den richtigen Ausgleich finden
Wie können also Journalisten entscheiden, welches der beste Weg ist, ein wissenschaftliches Thema so zu präsentieren, dass die genaue und korrekte Wiedergabe der Ansichten der Gruppe der Experten gewährleistet ist? Wie kann letztlich überhaupt jemand festlegen, ob das, was wir in den Medien sehen, ausgeglichen oder eine verfälschte Repräsentation der Expertenmeinung ist?
Wie ich bereits anderswo geschrieben habe, ist es wichtig, das Recht, gehört zu werden, nicht mit dem Recht, ernst genommen zu werden, zu verwechseln. Wenn es eine Idee nicht schafft, in der Gemeinschaft der Experten zu bestehen, sollte das Ausmaß ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit proportional zu ihrem Versagen, einen Konsens in dieser Gemeinschaft herzustellen, sein.
Eine darauf oft gehörte Antwort lautet, dass es bei der Wissenschaft nicht um Konsens geht, sondern um die Wahrheit. Das ist richtig, aber Konsens als Beweis für einen Fehler anzusehen ist ein logischer Fehlschluss.
Es stimmt zwar, dass einige heute anerkannte Vorstellungen früher nicht allgemein akzeptiert waren, doch die Vorstellung, dass das simple Auflehnen gegen die Mehrheitsmeinung gleichbedeutend damit ist, sich in bester Tradition mit der Aufklärung intellektuell zu behaupten, ist lächerlich. Wenn alle Ansichten gleich sind, sind alle Ansichten wertlos.
Wenn ich eine Idee ohne Überprüfung oder Begründung vorschlage, kann ich nicht ernsthaft erwarten, dass sie eine ebensolche Glaubwürdigkeit genießt wie solche Ideen, die rigoroser Untersuchung und gemeinschaftlicher Überprüfung unterworfen werden. Wenn solche Gleichheit existierte, wäre Fortschritt unmöglich, da gerade die Überprüfung und Ablehnung von Ideen Fortschritt ausmacht.
Einen Experten definieren
Im Falle der Wissenschaft stellt diese Überprüfung den Prozess des Experimentierens, der Datenanalyse und des Überprüfung durch Fachkollegen dar. Wenn also jemand – ob Wissenschaftler oder nicht – auf einem Gebiet noch nicht gearbeitet und nichts veröffentlicht hat, ist er kein Experte auf diesem Gebiet.
Die erste Regel für einen Journalisten, der an einer Story arbeitet, lautet genau festzulegen, in welchem Fachgebiet das Thema am besten aufgehoben ist, und dann den Rat von Menschen zu suchen, die in diesem Bereich arbeiten und publizieren.
Um das festzulegen, ist es sehr nützlich zu wissen, wie sich das Thema in das weitere Feld der wissenschaftlichen Untersuchung einfügt. Das ist einer der Gründe dafür, warum guter Wissenschaftsjournalismus darauf basiert, Journalisten zu haben, die über eine wissenschaftliche Ausbildung verfügen.
Solch ein Auswahlprozess ist, wenn er transparent durchgeführt wurde, ein ausgezeichneter Schutz gegen Vorwürfe der Parteilichkeit.
Falsche Ausgewogenheit vermeiden
Falsche Ausgewogenheit kann auch dadurch entstehen, dass angenommen wird, die Sichtweise eines fachfremden Menschen (eines „Nicht-Experten“) könne irgendetwas Erhellendes zu dem Thema beitragen, da der wahre Experte „zu sehr in den Details verhaftet“ sei, um objektiv sein zu können.
Aber anzudeuten, ein Experte sei naiv, weist für gewöhnlich eher auf den Versuch einer Diskreditierung als auf die Suche nach Wahrheit hin. Glaubwürdigkeit hat mehr mit dem Prozess als mit der Autorität zu tun, und ein anerkannter Experte zu sein bedeutet, innerhalb der Grenzen des wissenschaftlichen Prozesses zu arbeiten.
Darüber hinaus sollte man, wenn eine wissenschaftliche Arbeit kritisiert wird, danach fragen, ob diese Kritik auch veröffentlicht wurde. Es reicht nicht aus, dass jemand mit scheinbarer Autorität Zweifel äußert, weil das Berufen auf Autorität, das „Autoritätsargument“, ein logischer Fehlschluss ist – ein Fehlschluss, den Kritiker der „Mainstream-Wissenschaft“ selbst als Rechtfertigung ihrer Ablehnung des wissenschaftlichen Konsens verwenden.
Eine zweite journalistische Regel wäre festzustellen, dass nicht alle Angelegenheiten zwei Seiten haben.
Die Metapher von den zwei Seiten der Münze besitzt eine große Kraft, und die Versuchung, einen Sachverhalt von beiden Seiten her zu betrachten. ist natürlich groß. Aber die Metapher suggeriert ein gleichwertiges Gewicht, und dass es auf beiden Seiten gleich viel Raum für Diskussionen gibt.
Beweis und Evidenz
Wenn eine Sache wirklich kontrovers ist, liegt die Beweislast gleichermaßen bei beiden konkurrierenden Sichtweisen. Wenn eine Ansicht nicht dem „Mainstream“ entspricht, etwa wenn vermutet wird, dass Wissenschaftler in eine Verschwörung zur Täuschung der Öffentlichkeit involviert sind, liegt die Beweislast bei denen, die diese Ansicht vertreten.
In solchen Fällen gilt, was Christopher Hitchens kurz und bündig wie folgt ausgedrückt hat:
„Was ohne Beweise behauptet werden kann, kann auch ohne Beweise abgelehnt werden.“
Von dem Versuch, die Beweislast auf unehrliche Weise anderen zuzuschieben, machen Vertreter eines Junge-Erde-Kreationismus üblicherweise Gebrauch, um dieses Konzept zum Lehrinhalt in Schulen zu machen.
Die Idee, „beide Sichtweisen zu unterrichten“ oder dass es den Schülern erlaubt sein muss, ihre eigenen Ansichten zu entwickeln, wirkt wie eine Rückbesinnung auf die grundsätzlichen Ideen liberaler Bildung, ist aber in Wirklichkeit ein Versuch, den Konsens von Experten zu umgehen und die Beweislast abzugeben, anstatt sie zu tragen.
Tatsächlich handelt es bei der Berichterstattung über Kreationismus, Impfungen und den Klimawandel als Folge menschlicher Aktivität nicht um die Unterdrückung von Ansichten durch Journalisten, sondern um die Qualitätskontrolle von Information.
Beim Thema bleiben
Eine klassische Methode der Verschleierung ist das Anführen von Strohmann-Argumenten, bei denen der strittige Punkt gewechselt wird zugunsten eines anderen, der leichter zu verteidigen ist oder Einzelinteressen betrifft. Politiker sind geübt darin, hartnäckigen Fragen mit Aussagen wie: „Der tatsächliche Sachverhalt ist…“, oder „Was für die Menschen wichtig ist…“ auszuweichen.
Leugner der Klimawissenschaften wechseln häufig das Thema, weg von globaler Erwärmung und hin zu der Frage, ob Konsens die Basis für Akzeptanz ist oder nicht (was er alleine natürlich nicht ist), oder konzentrieren sich auf die Frage, ob eine bestimmte Person glaubwürdig ist, anstatt die Literatur im großen Rahmen zu diskutieren.
Die Impfgegner sprechen lieber von „Wahlfreiheit“ anstatt von der Wirksamkeit der Gesundheitsfürsorge. Junge-Erde-Kreationisten sprechen eher von dem Recht, alle Sichtweisen äußern zu dürfen, als sich mit der Wissenschaft auseinander zu setzen. Politiker äußern sich zu allem - außer zu der Frage, die ihnen gestellt wurde.
Die dritte Regel lautet deshalb. sich wirklich im Klaren darüber zu sein, worum es bei dem Artikel oder dem Interview geht, und sich an dieses Thema zu halten. Sich von dem Thema zu entfernen unterminiert die Anwesenheit der Experten (der erwünschte Effekt) und verleiht unbegründeten Argumenten Bedeutung.
Die Checkliste der Unvoreingenommenheit
Die beste Methode, wie mit Sonderlingen, Konspirationstheoretikern, Ideologen und jenen mit einem verschleierten Interesse an einem ganz bestimmten Resultat umzugehen ist, ist die beste Methode für wissenschaftliche Berichterstattung im Allgemeinen:
• auf Expertise bestehen
• erkennen, wo die Beweislast liegt
• nicht den strittigen Punkt aus den Augen verlieren
Wenn sich die Medien bei der Behandlung wissenschaftlicher Themen an diese drei simplen Regeln halten, können ihnen Unparteilichkeit und Ausgewogenheit berechtigterweise zugestanden werden.
Übersetzung: Joseph Wolsing, Daniela Bartl
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