Das Woke-Phänomen - Worum geht es?

Gedanken zum Vortrag zur Langen Nacht der Wissenschaften in Nürnberg

Das Woke-Phänomen - Worum geht es?

Foto: Pexels.com / Alexander Grey

Worum geht es?

Am 21.10.2023 habe ich im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften in Nürnberg einen Vortrag mit diesem Titel gehalten: Das WOKE-Phänomen: Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung? Hier die kurze Ankündigung im Programmheft:

WOKE ist zu einem Sammelbegriff für zahlreiche Reizthemen geworden: Cancel Culture, Gendersprache, Identitätspolitik, kulturelle Aneignung, Inklusion, Diversität, Antirassismus […]

Meine These: Viele WOKE-Anliegen sind berechtigt, sie entstammen der Aufklärung. Art und Weise ihrer Umsetzung widersprechen aber radikal deren geistigen und moralischen Grundlagen. Also: Aufklärung statt WOKE!

Eingeladen hatte mich das Institut Kortizes in Kooperation mit der GWUP Mittelfranken. Schon im Vorfeld kam ich unter Beschuss: Das Veranstaltungsbüro der Langen Nacht hatte offenbar Angst vor einem Shitstorm im Internet oder Protesten und Störmanövern vor Ort. Von verschiedenen Seiten wurde mir (im Internet oder per Mail) unterstellt, ich würde mit meinen Thesen rassistische oder rechtsextreme Ideen unterstützen; auch Fäkalsprache kam zum Einsatz. Kurz: Das ganz normale Standardprogramm von Hetze und Diffamierung wurde abgespult – man kennt es inzwischen. Lustigerweise kannte niemand die Inhalte des Vortrags: Ich hatte bis dato keine Zeile zum Thema Woke veröffentlicht!

Der Vortrag selbst lief dann beide Male sehr gut. Der Saal war voll und die anschließenden Diskussionen sehr sachlich, lebhaft und fruchtbar. Mit einer Ausnahme: Ein junger Mann wollte mich über den Inhalt von Büchern belehren, die ich im Vortrag angeführt, aber gar nicht gelesen hatte. Tja, woke in action.

Ich bereite gerade einen Vortrag zum Thema Cancel Culture vor, in den meine Erfahrungen als konkrete Beispiele für typisch woke Manipulations- und Diffamierungstaktiken einfließen werden. Hier möchte ich lediglich auf ein paar Aspekte eingehen, die von meinen „Kritikern“ immer wieder in der einen oder anderen Variante vorgebracht wurden und werden. Dabei ging es in erster Linie um meine Verwendung des Begriffs Woke – Kritik an den Thesen und Inhalten meines Vortrages kam bisher so gut wie keine!

Ist Woke ein Kampfbegriff der extremen Rechten?

Ja, aber nicht nur. Es handelt sich schon lange um einen recht schillernden Begriff. Politisch eher linke Kritiker nutzen ihn ebenso wie liberale und konservative. Außerdem kann man ihn auch neutral verwenden, um z.B. die Frage zu stellen, worum es „bei dieser ganzen Woke-Sache“ eigentlich gehe. Und es gibt mittlerweile viele Linke, die sich selbstbewusst als woke bezeichnen.

Das ist bei vielen Begriffen so, hier ein bekanntes Beispiel:

- Für die extreme Rechte und Linke ist Liberalismus oder Neoliberalismus ein Kampfbegriff bzw. Schimpfwort.

- Gemäßigte Kritiker verschiedener Couleur verwenden Liberalismus ebenfalls – allerdings nicht als diffamierend gemeinten Kampfbegriff, sondern zur Beschreibung einer politischen Strömung, gegen die sie ihre Argumente ins Feld führen.

- Und klassische Liberale wie ich verstehen den Begriff als uneingeschränkt positiv und verwenden ihn zur Selbstbeschreibung.

Also: Es kommt für die konkrete Bedeutung auf den jeweiligen Kontext an, in dem der Begriff Woke verwendet wird.

In welchem Kontext habe ich den Begriff WOKE-Phänomen verwendet?

Liest man den ganzen Titel meines Vortrages, also mehr als die ersten drei Worte, dann ist klar, dass es sich nicht um Kritik aus politisch extrem rechter Perspektive handeln kann:

- Das WOKE-Phänomen: Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung?

Es ist offensichtlich: Die extrem rechte Kritik am Woke-Phänomen zielt sicher nicht darauf ab, diesem eine Gegenposition zur Aufklärung vorzuwerfen! Die Aufklärung - wissenschaftliches Weltbild, die Würde des Menschen und das säkulare Verständnis von Moral und Gerechtigkeit - ist ja bekanntlich der erklärte Feind der extremen Rechten (Rassismus, QAnon etc.).

Mit anderen Worten: Die Überschrift meines Vortrages schließt eine Interpretation als rechten Kampfbegriff schlicht und einfach aus - sofern der Leser der deutschen Sprache halbwegs mächtig ist und wenigstens über minimale Grundkenntnisse zu Woke-Debatte und Rechtsextremismus verfügt.

Gleiches geht auch klar und deutlich aus dem Ankündigungstext für den Vortrag hervor. Um an diese Informationen zu gelangen, müsste man allerdings noch ein paar Sätze mehr als nur die Überschrift lesen.

Und dass man einen Vortrag erst dann kritisieren sollte, nachdem man ihn in Ruhe angehört hat, ist heutzutage leider eine dermaßen exotische Idee, dass ich sie hier lediglich erwähnen, aber als Argument nicht verwenden möchte. Ich befürchte, mich damit dem Vorwurf der intellektuellen Arroganz, des akademischen Snobismus und der Verbreitung rechtsextremer Narrative auszusetzen.

Also: Der Titel signalisiert, dass ich den Begriff Woke in kritischer Absicht verwende, schließt aber unmissverständlich aus, dass diese Kritik „von rechts“ kommen wird.

Darf man den Begriff Woke verwenden, obwohl er von der extremen Rechten als Kampfbegriff genutzt wird?

Selbstverständlich. Wo kämen wir denn hin, wenn wir Extremisten, linken, rechten, religiösen oder einfach nur dummen, die Tabuisierung von Begriffen oder gar ganzen Begriffsfeldern gestatten würden? Begriffe tauchen in der Regel in Sätzen auf, diese in Argumenten – und auf deren Bedeutung und Qualität kommt es an.

Also: Die vielen Kritiker der Woke-Bewegung, die mit der extremen Rechten nichts am Hut haben, sind natürlich berechtigt, diesen Begriff in ihren Argumenten und Überlegungen zu verwenden.

Darf man den Begriff Woke bzw. Argumente damit nur dann verwenden, wenn man beim Hörer oder Leser keine negativen Emotionen oder aufwühlenden Assoziationen auslöst?

Diese Idee ist kompletter Unfug. Sie wurde gesellschaftlich in anderer Form leider viel zu lange akzeptiert:

- Das darfst Du nicht laut sagen! Damit verletzt Du nämlich die Gefühle religiöser Menschen, aller anständigen Deutschen oder aller, die an Homöopathie glauben.

Im letzten Teil meines Vortrages gehe ich auf genau diese manipulative Immunisierungstaktik näher ein.

Darf man Mitbürger aus einer ideologischen Laune oder schierer Ignoranz heraus und ohne jeden Grund in die rechtsextreme Ecke stellen?

Diese Frage teilt sich in zwei Teilfragen:

- Ist es intellektuell redlich, das zu tun?

- Ist es anständig, das zu tun?

Die Antworten darauf überlasse ich meinen Lesern und würde mich sehr freuen, wenn Sie mir helfen, diesen Beitrag so weit wie möglich zu verbreiten. Und ganz besonders würde ich mich freuen, wenn mein Vortrag auf YouTube noch in diesem Jahr auf 10000 Aufrufe kommt. Helfen Sie mir dabei?

Bücher, Artikel, Podcasts, Sendungen und Blogessays, die belegen, wie schillernd und facettenreich der Begriff Woke mittlerweile ist, im Originalartikel.

Eine erweiterte Version des Vortrags präsentiert Andreas Edmüller am 16. Januar 2024 in Bremen.

Das Woke-Phänomen - Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung

Hier geht's zum Originalartikel...

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