Der Gott der Lücken

In dem Artikel geht es allein um das Argument, das "Der Gott der Lücken" genannt wird. Die Masche also, Gott immer genau dort zu definieren, wo die Wissenschaft (bis jetzt noch) nicht vorgedrungen ist. Das Argument ist ein logischer Fehlschluss, da hier aus der (Wissens) Lücke gefolgert wird, daß göttlicher Einfluss besteht.

Als Grundlage erläutere ich den Begriff der wissenschaftlichen Theorie, der oft von Menschen mit umgangssprachlichen Theorien verwechselt wird. Dann erzähle ich etwas über die geschichtliche Entwicklung der Religionen und komme dann auf das Gott der Lücken Argument zu sprechen.

Am Ende gebe ich mehrere Beispiele, wo der Gott aus der jeweiligen Lücke entgültig getilgt wurde (wo Unwissen durch Wissen ersetzt wurde).

 

Der Gott der Lücken

1. Einleitung

1.1 Begrüßung
Hallo Leute, ich bin SonnenKlar, Gastschreiber vom Blog UnfassbarLangweilig (http://unfassbarlangweilig.wordpress.com/) und stelle diesen Artikel nun auch hier ein, damit er mehr Leute erreichen kann. Der Blog ist zu der Zeit, in der ich diesen Artikel hier reinstelle gerade in einer Umbauphase und nicht öffentlich erreichbar. Gegen Januar/Februar 2014 soll er aber wieder online sein.

Kurz zu meiner Person:
Ich bin Softwareentwickler und zu meinen Hobbies gehören Astronomie, Physik, Neurowissenschaften, Psychologie und allgemein zu Verstehen, wie alles um uns herum funktioniert.
Dabei bin ich sehr am Massenphänomen Religion interessiert. Daran, wie die Menschen damit umgehen und daran, wie Religion in vielen Punkten dem widerspricht, was wir bereits wissen und trotzdem weiterbesteht.
Da ich in einer überwiegend religiösen und abergläubigen Gesellschaft lebe, in der Religion sogar den Grundgesetzen vorgezogen wird, bin ich auch sehr daran interessiert für die Vernunft einzutreten, damit wir nicht irgendwann auf einem Stand sind, wie momentan die vereinigten Staaten von Amerika, in denen mehr als 40% der Bevölkerung glaubt, die Erde sei weniger als 6000 Jahre alt.

1.2 Argumente gegen den Aberglauben
Man kann die Existenz eines Gottes (egal welchen der tausenden von Menschen erdachten) nicht beweisen und man kann sie nicht widerlegen. Gleichfalls kann man die Existenz vom Weihnachtsmann, Feen, unsichtbaren fliegenden rosaroten Einhörnern und des fliegenden Spaghettimonsters oder Russells Teekanne (http://de.wikipedia.org/wiki/Russells_Teekanne) nicht beweisen oder widerlegen. Was wir aber machen können, ist Argumente zu sammeln warum eine von beiden Seiten (Existenz oder Nichtexistenz) wahrscheinlicher ist.
In diesem ersten meiner Artikel, in denen theistische Argumente für Gott widerlegt (es gibt kein einziges für Gott sprechendes Argument, das nicht komplett auseinandergenommen werden kann) und Argumente, die gegen die Existenz von Göttern, Geistern und Feen sprechen zusammengetragen werden, behandle ich das sogenannte God-of-the-Gaps Argument, welches zeigt, dass ein Gott (oder mehrere) sehr unwahrscheinlich ist:
Den Gott der Lücken.

1.3 Der Begriff „wissenschaftliche Theorie“
Für das Verständnis dieses Artikels (und eigentlich auch allen anderen wissenschaftlichen Arbeiten) ist es notwendig zu wissen, was eine Theorie in der Wissenschaft ist. Umgangssprachlich ist eine Theorie genau das Selbe, wie eine Hypothese; eine (Zitat Wikipedia):

Aussage, deren Gültigkeit man für möglich hält, die aber nicht bewiesen oder verifiziert ist.

Damit ist die umgangssprachliche Theorie genau das Gegenteil von der Wissenschaftlichen. Mit Hilfe der Naturgesetze erklärt eine wissenschaftliche Theorie, wie die Dinge funktionieren. Naturgesetze beschreiben nur was passiert. Eine Theorie ist damit im Stellenwert das höchste, was es in der Wissenschaft gibt. Höher als ein Gesetz.
Zudem werden diese Theorien immer wieder Experimenten unterzogen um sie zu überprüfen. Millionenfach. Ständig. Selbst, wenn sie als Fakt gelten. Gibt es nur ein einziges wissenschaftliches Experiment, das eine Theorie falsifiziert, dann muss diese Theorie entweder angepasst werden, oder falls das nicht möglich ist, dann ist sie damit widerlegt. Je mehr eine solche Theorie überprüft wird und je länger sie dabei durch die Experimente oder Überprüfungen bestätigt wird, desto stärker wird sie als Annäherung an die Wahrheit angesehen. Ich schreibe extra Annäherung, denn Wissenschaft erhebt keinen Wahrheitsanspruch. Sie versucht die Realität zu beschreiben so gut es geht. Ein Wahrheitsanspruch wäre zu arrogant. Die Religion ist so ein System, das die Wahrheit für sich in Anspruch nimmt.
Eine der am meisten verifizierten und damit stärksten Theorien ist die Evolutionstheorie (um Missverständnissen vorzubeugen: der Name für das Standardmodell der Evolution lautet „Synthetische Evolutionstheorie“ – sie stellt eine Erweiterung der Evolutionstheorie von Charles Darwin dar, die mit dieser konsistent ist.). Die Belege für sie sind so überwältigend, dass die Theorie als absoluter Fakt gilt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemals widerlegt wird ist in etwa so hoch wie die Existenz eines Gottes. Also praktisch gleich null.


2. Aberglaube (insbesondere Religion) im Kreuzfeuer der Wissenschaft

2.1 Im Anfang war die Lücke
Vor etwa tausend Jahren entwickelte der damalige Wissenschaftler Alhazen (http://en.wikipedia.org/wiki/Alhazen) eine Verfahrensweise, um Hypothesen methodisch zu überprüfen und somit zu belegen oder zu falsifizieren. Das war die Geburt der wissenschaftlichen Methode (http://en.wikipedia.org/wiki/Scientific_method), die 1638 Gallileo für sich wiederentdeckte und die heute in weiterentwickelter Form die Grundlage für jegliche wissenschaftliche (und somit
Aussagekräftige) Art der Forschung ist.
Davor (seit dem 4. Jahrhundert v. Chr.) wurde die von Aristoteles entworfene Herangehensweise benutzt. Er war der Auffassung, dass alles allein durch das Denken – mit Hilfe also der Logik – verstanden und erklärt werden könne. Die Überprüfung von Thesen spielte dabei keine Rolle. Mit moderner Wissenschaft hatte diese Methode also nichts zu tun.
Noch weiter zurück in der Vergangenheit hatte die Menschheit noch gar keine Wissenschaft. Es stand der Philosophie zu die Welt zu erklären. Aberglaube herrschte vor und die Angst vor dem Unbekannten und dem Unverständlichen. Zu dieser Zeit war das Verständnis der Menschheit, die Welt betreffend eine einzige riesige Lücke. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende wurde diese Lücke immer weiter mit Wissen gefüllt - und seit der wissenschaftlichen Methode mit überprüfbarem, verlässlichem Wissen.
Es gab da nur ein Problem.
Der Name des Problems war (und ist) „Religion“. Diese macht nämlich Aussagen über die Beschaffenheit der Welt, die die Wissenschaft betreffen und ihr widersprechen

 

2.2 Polytheismus
Religion war ein Mittel die Welt zu erklären, das zu einer Zeit erfunden wurde, als es noch keine Wissenschaft gab durch die man besser dazu im Stande war. Früher waren Polytheistische Religionen vorherrschend. Naturphänomene wurden oft durch einzelne Gottheiten beschrieben, die für einzelne oder einige wenige Phänomene verantwortlich waren. So wurde zum Beispiel nach damaligem Glauben die Sonne vom Griechischen Sonnengott Helios mit einem Sonnenwagen über den Himmel gezogen – das erklärte, warum sich die Sonne scheinbar bewegte. Im alten Ägypten war die Sonne selbst ein Gott: Ra. In der nordischen Mythologie ist Sköll ein Wolf, der die Sonne verfolgt. Wenn er sie fängt, gibt es eine Finsternis. Als die Wissenschaft aber immer besser imstande war, die Welt zu erklären geriet der Polytheismus in Bedrängnis, weil mit jeder neuen wissenschaftlichen Erkenntnis ein Gott starb.


2.3 Monotheismus
Das Resultat war eine Flucht in einen einzigen, unbeweisbaren, unwiderlegbaren, allmächtigen, allwissenden,  egoistischen, unmensch-lichen und blutrünstigen Supergott: der Monotheismus entstand. Mit den Argumenten „Gottes Wege sind unergründlich“ und „Gott steht über der Wissenschaft und kann durch sie nicht beschrieben werden weil wir Menschen zu klein und dumm sind“ etc. glaubten die Anhänger der alten Mythen, die sich vom wissenschaftlichen Fortschritt in die Enge gedrängt fühlten, wieder sicher.


2.4 Der Konflikt eskaliert
Die Wissenschaft machte also weiter und die Religion stopfte ihren Gott in die Lücken, die damals noch sehr groß und zahlreich waren. Durch den wissenschaftlichen Fortschritt wurde die Geschwindigkeit der Forschung aber immer weiter erhöht, was abermals die Religion in Bedrängnis brachte, weil die Lücken immer kleiner und seltener wurden.
Die Hauptstätten der wissenschaftlichen Entwicklung waren bis zum 13. Jahrhundert die arabischen Länder. Das arabische Goldene Zeitalter (http://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_Golden_Age) war gekennzeichnet von Fortschritten in Medizin, Mathematik, Astronomie und Optik. Es endete aus wahrscheinlich mehreren Einflüssen. Nicht wenige davon religiös. So fanden die christlichen Kreuzzüge in der Zeit statt. Aber auch Einflüsse von mächtigen, aber fehlgeleiteten islamischen Philosophen wie Al-Ghazali (http://de.wikipedia.org/wiki/Al-Ghazali) werden ihre Rolle gespielt haben. So fand die Wissenschaft in der arabischen Welt langsam ihr Ende und wurde verteufelt. Auch im Christentum hatte die Wissenschaft es nicht leicht sich durchzusetzen und sie kämpft bis in die heutige Zeit hinein.
Hier ein sehr gutes Zitat, das ich dazu auf lehnswesen.de gefunden habe und die Lage der Wissenschaft im „dunklen Mittelalter“ bestens beschreibt:


„Wissenschaft im Mittelalter
Das Christentum entwickelte sich in der Zeit des Niedergangs des Römischen Reiches zur
herrschenden Religion. Sie zerstörte nicht die griechische Naturwissenschaft, denn diese hatte
bereits ihre Bedeutung verloren, als das Christentum noch eine Sekte war. Dennoch widersetzte sich
die Kirche viele Jahrhunderte hindurch jedem Versuch, die Naturwissenschaft neu zu beleben. Nur
die Bibel, deren Interpretation durch die Gelehrten und die Schriften der Kirchenväter waren als
Quellen der Erkenntnis erlaubt. Das Studium weltlicher Dinge wurde zu einer Sache des Teufels.“

–  (http://www.lehnswesen.de/page/html_wissenschaft.html#wissenschaft4)

Im Gegensatz zur arabischen Welt konnte sich die Wissenschaft in der westlichen durchsetzen, wurde aber durch die negativen Einflüsse der Kirche extrem aufgehalten. Die Katholische Kirche vertrat bis ins 17. Jahrhundert hinein zum Beispiel vehement ein geozentrisches Weltbild, in dem sich also die Erde im Mittelpunkt des Universums befindet und die
Sonne und alles andere sich um sie dreht. Der italienische Astronom Giordano Bruno wurde von christlichen  Fundamentalisten (Inquisition) in Rom öffentlich verbrannt, weil er erkannt hatte, dass nicht einmal die Sonne im  Mittelpunkt des Universums steht, geschweige denn die Erde. Sogar Galileo Galilei wurde in mehreren verfahren von der Kirche bekämpft. Seine Bücher waren bis 1835 auf dem (kirchlichen) Index der verbotenen Bücher und er selber wurde erst 1992 von der Kirche rehabilitiert (ein relativ spätes Schuldgeständnis).
Die Wissenschaftler aber wussten: und sie dreht sich doch.


3. Der Gott der Lücken
Das gerade beschriebene Beispiel ist nur eins von unzähligen für die Gott-der-Lücken Analogie:


1. Ein Theist (abergläubiger Mensch, der an einen oder mehrere Götter glaubt) kann sich etwas nicht erklären.
2. Die Wissenschaft kann es auch (NOCH) nicht
3. Gott war’s


Früher benutzten wir für die Erklärung der Welt Götter. Heute gibt es nicht mehr viel, was wir nicht zumindest im Ansatz  erklären können:


Gott erschuf den Menschen nicht nach seinem Abbild. Der Mensch entstand durch Evolution.
-> Eine Lücke weniger


Wir haben – im engen Sinne – keinen freien Willen. Wir verstehen, wie Entscheidungen entstehen. Und, dass wir sie unbewusst Sekunden vor einer Aktion treffen (http://en.wikipedia.org/wiki/Neuroscience_of_free_will).
-> Eine Lücke weniger


Wir wissen, dass Gravitation kein Feld mit unendlich vielen Feen (oder Gott) ist, der/die ständig alles nach „unten“ drücken, sondern dass Gravitation eine der vier Grundkräfte der Physik ist.
-> Eine Lücke weniger


Wir wissen, dass wir NICHT im Mittelpunkt des Universums stehen. Hierzu eine kleine Animation, die das kurz veranschaulicht: The Detailed universe: This will Blow Your Mind (http://www.youtube.com/watch?v=_IVqMXPFYwI)
-> Eine Lücke weniger


Wir wissen, dass das Universum ca 13.750.000.000 Jahre alt ist und die Erde ca 4.600.000.000 Jahre. Im Gegensatz zu den von mehr als 40% aller Amerikaner angenommenen 6000 Jahren.
-> Eine Lücke weniger


So werden die Lücken ständig weniger und der Gott der Lücken ständig kleiner und unbedeutender. Unnötig ist er schon lange, denn wir brauchen für keine einzige wissenschaftliche Theorie als Erklärung ein übernatürliches Wesen.
Hier noch ein paar weitere Ex-Lücken, die mir von UnfassbarLangweilig (dem Betreiber des o.g., gleichnamigen Blogs) und AllTäglich (ein weiter Gastschreiber des o.g. Blogs) vorgeschlagen wurden:

 

Wir wissen, dass Krankheiten nicht die Strafe irgendeines dahergeflogenen Gottes sind, sondern von Mikroorganismen verursacht werden.
-> Eine Lücke weniger

 

Wir wissen, dass „Besessene“ nicht von Dämonen oder bösen Geistern gequält werden, sondern unter psychischen Krankheiten leiden.
-> Eine Lücke weniger

 

Wir wissen, dass Gebete völlig wirkungslos sind (http://www.erf.de/online/themen/politik-undgesellschaft/gebet-hilft-nicht/2270-542-3032).

Anmerkung: Zu der Zeit, als ich den Artikel hier schrieb, war der Link auf erf.de noch funktionsfähig. Jetzt ist er es nicht mehr. Falls jemand Interesse daran hat, es gab dazu mehrere Studien. In diesem Artikel: http://www.wissenbloggt.de/?p=18247 geht der Autor (Frank Berghaus) näher darauf ein.
-> Eine Lücke weniger

 

4. Quellen


Wikipedia

http://de.wikipedia.org/wiki/Aristoteles http://en.wikipedia.org/wiki/Scientific_method http://en.wikipedia.org/wiki/Alhazen http://de.wikipedia.org/wiki/Russells_Teekanne http://de.wikipedia.org/wiki/Sonnengottheit http://de.wikipedia.org/wiki/Sk%C3%B6ll http://de.wikipedia.org/wiki/Geozentrisches_Weltbild http://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_Golden_Age http://de.wikipedia.org/wiki/Giordano_Bruno http://de.wikipedia.org/wiki/Galileo_Galilei http://en.wikipedia.org/wiki/Neuroscience_of_free_will http://www.notjustatheory.com/ http://de.wikipedia.org/wiki/Hypothese


Bücher

Der Große Entwurf (Stephen Hawking & Leonard Mlodinow)

ISBN: 978 3 498 02991 3
Englischer Originaltitel: The Grand Design

 

Der Gottes Wahn (Richard Dawkins)

ISBN: 978-3-550-08688-5
Englischer Originaltitel: The God Delusion

 

Internet

 

http://www.3quarksdaily.com/3quarksdaily/2010/01/part-5-epilogue.html http://www.lehnswesen.de/page/html_wissenschaft.html#wissenschaft4 http://www.youtube.com/watch?v=_IVqMXPFYwI http://www.notjustatheory.com/ http://scienceblogs.de/planeten/2008/04/07/was-ist-eine-theorie/ http://www.derwesten.de/waz-info/darwin-der-gott-der-lueckenid191010.html http://www.ratioblog.de/entry/fehlschluss-5-gott-in-der-luecke http://www.erf.de/online/themen/politik-und-gesellschaft/gebet-hilftnicht/2270-542-3032

 

SonnenKlar

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    SonnenKlar

    Antwort auf #1 von nongorilla:
    > Sehr guter Beitrag!
    > Werde mal bei Ihrem Blog vorbeisehen wenn er fertig "renoviert" wurde.
    > Danke

    Leider habe ich momentan keinen Kontakt zum Blogbetreiber. Wenn's weitergeht, kann ich mich ja melden :)

    Antworten

    1. userpic
      nongorilla

      Sehr guter Beitrag!
      Werde mal bei Ihrem Blog vorbeisehen wenn er fertig "renoviert" wurde.
      Danke

      Antworten

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