Der Islam braucht eine kritikfähige Renaissance

Das Phänomen der Gewalt zieht sich durch die ganze Frühgeschichte des Islam. Die historischen Wurzeln der Grausamkeit werden jedoch von vielen Muslimen verschwiegen. Ein Prozess kritisch-reflektierender Aufklärung ist nötig.

Der Islam braucht eine kritikfähige Renaissance

Am 18. Januar 1985 wurde der sudanesische Mystiker Mahmud Taha im Alter von 75 Jahren vor Tausenden Zuschauern gehängt. Die Anklage des Obersten Gerichts des Sudan lautete "Apostasie". Die Empörung darüber war in der westlichen Welt einvernehmlich. Muslimische Gelehrte hingegen beglückwünschten die Machthaber im Sudan zur Exekution des "Ketzers" und "Gottesfeindes".

Taha hatte es gewagt, in seinem Werk "Die zweite Botschaft des Islam" einen Teil des Korantextes zu kritisieren. Seines Erachtens gilt nur der in Mekka 610 bis 622 offenbarte Koran als zeitlos, weil er universal sinnstiftende Lehren im ethischen Sinne beinhaltet. Die von Muhammad als Staatsmann einer irdischen Gemeinde in Medina 622 bis 632 verkündeten Koranstellen seien hingegen nur im historischen Kontext zu begreifen. Indirekt thematisierte er so auch eines der Tabuthemen des innerislamischen Diskurses, nämlich das Phänomen der Gewalt in der Gemeinde des Propheten, das bis heute Extremisten als Legitimationsgrundlage dient.

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