Aus dem Reichskondordat von 1933
Das Erzbistum Paderborn ist mit einem Vermögen von rund 7,15 Milliarden Euro das reichste Bistum in Deutschland. Doch das Gehalt von monatlich rund 12.000 Euro wird dem neuen Erzbischof wie allen anderen Bischöfen in den meisten Bundesländern vom Staat bezahlt. Dafür leistet der Gottesmann einen „Treueid“ gem. Artikel 16 des Reichskondordats - aus dem Jahr 1933.
Am 9. Dezember vorigen Jahres, um 12 Uhr mittags, läuteten zeitgleich in Rom und in Paderborn die Glocken, zunächst des Paderborner Domes und dann aller Kirchen im westfälischen Glaubens-Sprengel. Ein freudiges Ereignis galt es mit Glockengeläut zu verkünden: das katholische Glaubens-Sprengel hat einen neuen Erzbischof. Nach der Ernennung durch Papst Franziskus wird Udo Markus Bentz, zuletzt Weihbischof und Generalvikar im Bistum Mainz, das Amt des 67. Bischofs und fünften Erzbischofs von Paderborn im Frühjahr übernehmen. Der Gottes-Mann leitet die Erzdiözese mit rund 1,4 Millionen Katholiken und fast 3.000 Mitarbeitenden. Das Erzbistum umfasst 617 Pfarrgemeinden in 108 Seelsorgeeinheiten. Nicht allein jenseitige Verkündungs-Kompetenz, auch irdische Management-Qualitäten sind hier gefragt.
Sein größter Wunsch sei, „dass wir als Kirche von Paderborn mit offenen Augen durch die Welt gehen und die Lebenskraft unseres Glaubens wahrnehmen, nicht nur für uns selbst, sondern grundsätzlich für das Zusammenleben der Gesellschaft. Und dass wir den Mut haben, dazu gemeinsam zu stehen!“, verkündete der neue Erzbischof in einem Interview. Am 10. März findet am im Hohen Dom zu Paderborn die Einführung des neuen Erzbischofs statt. Vorher muss er den im Konkordat vorgeschriebenen „Treueid“ vor den Ministerpräsidenten der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen ablegen - ein längst aus der Zeit gefallener Vorgang. Die Beteiligung des Staates an der Personalauswahl der Bischöfe und die Ablegung des Treueides gehen noch auf Regelungen des längst aufgelösten Landes Preußen mit dem „Heiligen Stuhl“ (Preußenkonkordat) von 1929 und des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 (sog. Hitlerkonkordat) zurück. Sie erinnert in ihrem Wortlaut an ein mittelalterliches Homagium, wenn Bischöfe dem zuständigen Ministerpräsidenten (im Wortlaut „Reichsstatthalter“) ihren Treueid leisten. Lauschen wir hier - gewissermaßen als externe Zuhörerschaft - dem Treueeid gem. Artikel 16 des Reichtskondordats von 1933, der auch im Jahr 2024 vom neuen Erzbischof Udo Markus Bentz abgelegt wird:
„Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte …“
Ganz im Sinne der Sorge gegenseitigen Interesses werden bis heute Bischöfe und weiteres kirchliches Führungspersonal behandelt wie Beamte des öffentlichen Dienstes. Die Gehälter, bzw. den „Dotationen“, von Bischöfen und Landesbischöfen - monatlich etwa 8000 Euro Grundgehalt, Erz- und evangelische Landesbischöfe oder Kardinäle bekommen bis zu 12000 Euro - werden vom Staat übernommen. Bundesländer (Ausnahme: der Stadtstaat Bremen) bezahlen auch für Domkapitulare, Oberkirchenräte und Dom-Messner. Hinzu kommt, dass gehobenes Kleriker-Personal meist nahezu mietfrei wohnt und über Dienstwagen mit Chauffeur verfügt. Die klerikalen Eminenzen fahren gerne S-Klasse statt S-Bahn.
Gefragt, was er den Gläubigen im Erzbistum Paderborn als erstes mitteilen wolle, sagte Bentz in einem Interview: „Es geht nicht nur darum, was mir wichtig ist, sondern was uns allen wichtig ist. Ich möchte gemeinsam mit den Gläubigen Gottes Ruf wahrnehmen und die Botschaft des Evangeliums in unserem Leben verankern.“ Als langgedienter Karriere-Kleriker weiß er, wie sich die Verbreitung himmlischer Botschaften kongenial mit der Akkumulation weltlichen Reichtums verknüpfen lässt: Das Erzbistum Paderborn ist mit einem Vermögen von rund 7,15 Milliarden Euro (das Vermögen des Erzbischöflichen Stuhls und von sechs erz-diözesanen Stiftungen inbegriffen) das reichste Bistum in Deutschland. Ein solides Finanz-Portfolio erwartet den Erzbischof an seiner neuen Wirkungsstätte. Die Gläubigen in und um Paderborn dürfen auch weiterhin darauf hoffen, dass Gottes Ruf sie erreichen wird, auch dank staatlicher Alimentierung und fragwürdigen Sonderrechten - gefestigt und besiegelt im Treue-Eid.
Dabei sind nach unserem Grundgesetz Staat und Kirche voneinander getrennt und der Staat weltanschaulich neutral. In innerkirchliche Angelegenheiten hat sich der Staat herauszuhalten. Doch daran hapert es.
Obschon die Zahl der Mitglieder der beiden großen christlichen Kirchen inzwischen dramatisch gesunken ist - nur noch 48 Prozent der Deutschen waren 2023 Mitglied einer der beiden christlichen Großkirchen –reklamieren die beiden großen Kirchen für sich weiterhin Privilegien. Sie möchten besonders behandelt werden: rechtlich, fiskalisch, gesellschaftlich. Und der Staat gewährt ihnen zahlreiche Steuervorteile und Sonderrechte, und Staatsleistungen von über 600 Millionen jährlich gibts obendrein. Änderung ist nicht in Sicht. Zu verwoben ist diese Einheit aus politischer Macht und organisiertem Glauben.
Nein, es geht nicht darum, die Kirchen aus dem gesellschaftlichen Leben zu verbannen, sondern allein darum, die fragwürdige Verknüpfung mit dem Staat endlich zu beseitigen, mit der die Kirchen sich Sondervorteile vor anderen Gruppen in der pluralistischen Konkurrenz um gesellschaftlichen und politischen Einfluss verschaffen. Diese „unheilige Allianz“ zwischen Staat und Kirche ist nicht mehr zeitgemäß. Die andauernde Verletzung des Verfassungsgebots staatlicher Neutralität ¬muss ein Ende haben. Und der anachronistische Treue-Eid, den deutsche Bischöfe schwören? Dieses zweifelhafte Relikt aus der NS-Zeit sollte abgeschafft werden. Schnellstens. Nicht nur in Paderborn.
Hinweis: Konkordat zwischen dem Hl. Stuhl und dem Deutschen Reich, 20. Juli 1933
Helmut Ortner, Jahrgang 1950, hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien veröffentlicht. Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt. Helmut Ortner ist Mitglied bei Amnesty International und im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung. Eine Answahl seiner Bücher: Der Hinrichter - Roland Freisler, Mörder im Dienste Hitlers, Der einsame Attentäter - Georg Elser und EXIT: Warum wir weniger Religion brauchen - Eine Abrechnung, Widerstreit: Über Macht, Wahn und Widerstand, und Volk im Wahn - Hitlers Deutsche oder Die Gegenwart der Vergangenheit.
Im März 2024 erscheint:
Das klerikale Kartell – Warum die Trennung von Staat und Kirche überfällig ist
Nomen Verlag, Frankfurt - 272 Seiten, 24 Euro
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