Die Kirchen dürfen keine Sonderrolle einnehmen, wenn es um den Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren geht. So könnte die zentrale Botschaft einer Pressekonferenz zusammengefasst werden, die am Dienstag in Berlin stattfand. Vorgestellt wurden die Ergebnisse einer Studie, welche die "Kirchenrepublik Deutschland" unter die Lupe genommen hat.
Die Idee, sich einmal genauer anzuschauen, wie die beiden großen christlichen Kirchen ihre Interessen gegenüber der Politik und konkret den Parlamenten in Bund und Ländern vertreten, wurde im Sommer 2011 auf einem Arbeitstreffen des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) geboren. Im Herbst 2013 wurde dann der Politikwissenschaftler Carsten Frerk mit der Durchführung der Untersuchung beauftragt. Die zentralen Ergebnisse seiner über 1.000-seitigen Studie wurden auf der Pressekonferenz präsentiert.
Neben ihm saßen auf dem Podium die langjährige Bundestagsabgeordnete Ingrid Matthäus-Maier und die Anwältin Jacqueline Neumann, die Frerks Ausführungen aus politischer und juristischer Perspektive ergänzten. Die Leitung der Pressekonferenz lag bei der Journalistin Daniela Wakonigg.
Fehlende RechtsgrundlagenZunächst stellte Carsten Frerk heraus, dass es keinerlei Rechtsgrundlagen dafür gibt, die Kirchen zu einem so frühen Zeitpunkt in Gesetzgebungsverfahren einzubinden, wie dies derzeit regelmäßig geschieht. (Jacqueline Neumann zeigte später, dass ein hier immer wieder erwähnter "Erlass" aus den frühen 1970er Jahren tatsächlich gar nicht existiert – es handelt sich lediglich um einen Brief des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt an seine Minister mit der Bitte, die Kirchen über anstehende Reformvorhaben frühzeitig zu informieren.)
Eine zentrale Rolle für die Lobbyarbeit der Kirchen spielen die kirchlichen Büros, die es in Berlin sowie allen Landeshauptstädten gibt. Alleine hier arbeiten etwa 100 Personen daran, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die Büros sind eingebunden in ein Netz von Arbeitskreisen, Instituten und Kommissionen, deren Fachkompetenz hinzugezogen werden kann, was die Wirkungsmöglichkeiten noch erweitert. Dabei läuft der Kontakt häufig nicht in erster Linie über die Abgeordneten, sondern über die Ministerialbürokratie. Denn anders als die Parlamente werden die Ministerien zumindest auf der "Arbeitsebene" nach Wahlen nicht neu besetzt.
Weiterlesen im Originalartikel.
Kommentare
Jeder Politiker hat das Recht, sich beraten zu lassen, von wem er es für richtig hält. Ganz egal, ob es die Wirtschftskammer, das Rote Kreuz, der WWF, die Freimaurerloge, ein Universitätsprofessor, die Ehefrau, die Katholische Kirche oder der Humanistische Verband ist. Politisch anständig ist es, wenn der Politiker sagt, von wem er sich beraten lässt. Dass aber z.B. die CDU/CSU der Kirche nahe steht, ist ja kein Geheimnis. Trotzdem (oder deshalb?) genießt sie das Vertrauen von mehr als 40% der Bevölkerung.
Man darf gesetzlich verankerte Sonderrechte kritisieren, vielleicht sogar zurecht. Man darf auch journalistisch die Bevölkerung über Lobby- und Machtstrukturen informieren. Aber man darf gewählten Abgeordneten nicht vorschreiben, mit wem sie sich über Gesetzesvorlagen beraten dürfen. Auch ein Abgeordneter soll reden dürfen, mit wem er will. (Und er soll auch nicht reden müssen, mit wem er nicht will!).
Die Vermutung, dass christlicher Glaube (um den geht es ja hier geht) besonders für "Nötigungs- und Erpressungssituationen" anfällig mache, ist übrigens geradezu perfid und entspricht nicht dem kirchlichen Alltag, den ich in den letzten Jahrzehnten kennengelernt habe. In der Katholischen Kirche herrscht sicher mehr Meinungsfreiheit als in jeder Partei, die im Bundestag vertreten ist.
Die Kirche hat in Deutschland und Österreich genau die Macht, die ihr von der Bevölkerung (bzw. deren Vertretern) gegeben wird. Und so soll es ja in einer Demokratie sein.
Antworten
Neuer Kommentar