Die UNC ist nicht Charlie Hebdo und Thomas Paine ist nicht Osama Bin Laden

Die tragische Erschießung der drei jungen Studenten gestern (10. Februar 2015, Anm. der Red.) an der UNC Chapel Hill, hätte von den Medien als eine Anklage des wuchernden Waffenkults in den USA verwendet werden können. Schließlich hatte der Killer zuvor ein Bild seines Revolvers Kaliber 38 auf seiner Facebook-Seite gepostet und die fragliche junge Familie offenbar einige Zeit belästigt, während er eine Waffe an seinem Gürtel trug.

Die UNC ist nicht Charlie Hebdo und Thomas Paine ist nicht Osama Bin Laden

Stattdessen wurde der Tatsache, dass Stephen Hicks auf derselben Facebook Seite seine Befürwortung des Atheismus ausdrückte, jedoch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und die drei Opfer waren alles Moslems.
Für viele in den muslimischen Gemeinden überall auf der Welt, die durch den terroristischen Anschlag in Paris besonders sensibilisiert sind für Gegenreaktionen mag es vielleicht natürlich sein, zu dem Schluss zu kommen, es handle sich um ein durch Hass motiviertes Verbrechen, trotz aller Hinweise darauf, dass es sich um eine Schießerei aus eher alltäglichen Gründen – Streitigkeiten um einen Parkplatz – gehandelt haben könnte.

Überraschender ist jedoch die Verbindung, die zwischen den bekanntesten Vertretern des Atheismus und dieser Gewalt hergeleitet wird, sogar in verschiedenen verhältnismäßig liberalen Zeitungen, einschließlich der Washington Post und der New Republic. Es könnte sich als unmöglich erweisen, je herauszufinden, was in Mr. Hicks Kopf vor sich ging, als er das Verbrechen beging, obwohl er zuvor nie dadurch in Erscheinung getreten ist, Gewalt gegenüber irgendeiner religiösen Gruppe befürwortet zu haben. Aber jeder Versuch, das Verbrechen in North Carolina mit den Verbrechen zu vergleichen, die an den Zeichnern von Charle Hebdo begangen wurden, bedeutet eine massive Fehlinterpretation beider abscheulichen Taten.

Eines muss klar sein: Hassreden richten sich gegen Menschen, nicht gegen Ideen. Zu behaupten, dass Individuen wie Richard Dawkins, Sam Harris, oder irgend ein anderer freimütiger Atheist, mich selbst eingeschlossen, der die Doktrinen des Islam oder des Christentums kritisieren, dazu anstiften würden, Gewalt gegen Menschen des Schlages der Terroristen, die für islamischen Fundamentalismus eintreten, auszuüben, ist wie zu behaupten, dass die Aufklärung grundsätzlich nicht anders war, als die Theokratien, die sie letztlich unterminiert hat.

Man könnte die Worte eines Autors der New Republic, der Hicks als potentiellen Hassverbrecher bezeichnet und sagt, er habe „seine Bewunderung für Richard Dawkins´ „The God Delusion“ und Thomas Paine´s „The Age of Reason“ zum Ausdruck gebracht und radikales Christentum und radikalen Islam gleichermaßen für ihre angeblichen ideologischen Gemeinsamkeiten verurteilt“, so betrachten, als als ob die Vernunft höher zu loben als eine Ideologie der erste Schritt zur Gewalttat wäre
Wie Dawkins selbst sagte, als er oder im Zuge der Kundgebung für Vernunft, die vor einigen Jahren in der Mall in Washington DC gegeben wurde, auftrat : „Ich verachte religiöse Menschen nicht, ich verachte, wofür sie stehen“. Oder wie es Ricky Gervais, ein anderer bekennender Atheist, vielleicht ein wenig freundlicher in unserem Film „The Unbelievers“, in welchem Dawkins` Anmerkungen ebenso vorkamen, ausdrückte: „Jeder hat das Recht, alles zu glauben. Aber ich habe das Recht, diesen Glauben lächerlich zu finden“.

Es ist wahr, dass sich Richard Dawkins, Sam Harris und der späte Christopher Hitchens - einige der bekannteren atheistischen Autoren - deutlich und explizit gegen gewalttätigen islamischen Fundamentalismus ausgesprochen haben. Dafür gibt es einen Grund. Unter allen Religionen in der heutigen Welt ist es der islamische Fundamentalismus, der explizit zu mehr gewalttätigen Handlungen aufruft, als andere Formen des Fundamentalismus. Fundamentalistische Christen können ebenso zufällige Akte der Gewalt begehen, welche zum Beispiel die Befürwortung von Akten der Gewaltakten gegen Kliniken, in denen Abtreibungen durchgeführt werden oder Ärzte, die sie durchführen einschließen, aber diese erreichen nicht das Maß von ISIS oder Boko Haram. Zu argumentieren, Dawkins oder die anderen würden Islamophobie verbreiten, indem sie einfach diese Tatsachen zum Thema Extremismus anführen, ist eine verzerrende Darstellung ihrer Schriften.
Das Wichtigste ist, dass der literarische Zorn dieser Herren am ehesten durch die Ideen dieser Terroristen hervorgerufen wird.

Man muss nur den Spott sehen, den sie den abscheulichen Aspekten des Judaismus und des Christentums entgegengebracht haben, um zu verstehen, dass sie den Islam an sich nicht weniger lächerlich finden, als diese anderen Glaubensbekenntnisse. Sie stellen lediglich heraus, dass der islamische Fundamentalismus in der heutigen Welt mehr Gewalt hervorbringt. Wie sie und ich und andere dargelegt haben, ist der grundlegende Unterschied zwischen islamischen Fundamentalismus, wie er heute verbreitet wird und dem fundamentalen Judaismus oder Christentum der, dass während im Alten Testament teilweise Gewalt ebenso, wenn nicht noch mehr als im Koran gebilligt wird, moderne Schriftgläubige größtenteils dazu übergegangen sind, Maximen wie die Empfehlung, ungehorsame Kinder oder vom Glauben Abgefallene zu töten, aufzugeben.

Dies war nicht immer der Fall, und die jüdisch-christliche Geschichte beinhaltet weit größere Ströme von Blut, Qual und Hass. Aber der Großteil davon erfolgte in der fernen Vergangenheit. Vor nur 500 Jahren haben Christen tausende von Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannt und Ungläubigen die abscheulichsten Qualen zugefügt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Religion, die 500 Jahre später erschien, jetzt die gleiche Gewalt erlebt. Natürlich ist der Unterschied der, dass in der heutigen Welt mit ihrer unmittelbaren Kommunikation und den Transportmöglichkeiten, der Terrorismus nicht nur globale Auswirkungen haben kann, sondern die Gewalt, die ihre Anhänger befürworten, mit dem Zugang zu modernen Waffen weiter verbreitet werden und potentiell wesentlich verheerender sein könnte.

Die Mörder, die das Büro von Charlie Hebdo in Paris gestürmt haben, wurden durch eine Ideologie des Hasses motiviert, jedoch haben sie eine Version des Islam, den diese vertrat, pervertiert. Steven Hicks war unzweifelhaft auch von irgendeiner Art Hass motiviert, als er sein Waffe auf die drei unschuldigen Studenten richtete. Aber anzunehmen, dass Thomas Paine, oder Christopher Hitchens oder sonst jemand, der Vernunft anstelle von Ideologie befürwortet oder die rationale Aufklärung anstelle von Fundamentalismus, grundsätzlich zu solcher Gewalt anstacheln würden, erniedrigt nicht nur diese Herren, sondern auch die, die eine solche Verbindung annehmen.

Lawrence Krauss ist der Direktor des Origins Projekts an der Arizona State University und tritt mit Richard Dawkins in der kürzlich erschienen Dokumentation „The Unbelievers“ auf. Sein neuestes Buch ist „A Universe from Nothing“.

Übersetzung: Joseph Wolsing, Elisabeth Mathes

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