"Die wichtigste Grundlage des modernen Weltbildes"

Mit "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit" hat Michael Schmidt-Salomon ein neues Buch zum Thema "Evolution" vorgelegt. Im Gespräch mit dem hpd erklärt er, wie es dazu kam und warum er es als "Skandal" betrachtet, "dass Kinder mit religiösen Schöpfungsmythen gefüttert, aber über die realen Hintergründe der Entwicklung der Arten im Unklaren belassen werden". Außerdem erläutert er, warum eine "frühzeitige Beschäftigung mit Evolution der Schlüssel für eine erfolgreiche Integrationspolitik sein könnte" und weshalb er die meisten Buchhandlungen nicht betreten kann, ohne dass ein "unwiderstehliches Ekelgefühl" in ihm aufsteigt.

"Die wichtigste Grundlage des modernen Weltbildes"

Dr. Michael Schmidt-Salomon / Foto: © Evelin Frerk

hpd: Herr Schmidt-Salomon, mit “Big Family” haben Sie nach “Susi Neunmalklug erklärt die Evolution” und ihrer Mitarbeit an “Urmel saust durch die Zeit” nun schon das dritte Kinderbuch vorgelegt, das sich mit dem Thema “Evolution” beschäftigt. Was sind die Gründe dafür?

Michael Schmidt-Salomon: Nun, zunächst einmal steht fest, dass die Evolutionstheorie die wichtigste Grundlage des modernen Weltbildes ist. Wer die Prozesse der Evolution nicht begreift, kann kein realistisches Verständnis seiner selbst entwickeln und sich in einer modernen Wissenschaftsgesellschaft nicht zurechtfinden. Deshalb halte ich es für einen ausgesprochenen Skandal, dass Kinder in öffentlichen Schulen mit religiösen Schöpfungsmythen gefüttert, aber über die realen Hintergründe der Entwicklung der Arten im Unklaren belassen werden.

Mit “Susi Neunmalklug” habe ich meiner Verärgerung über diesen Missstand auf satirische Weise Ausdruck gegeben. Nachdem ich das hinter mich gebracht hatte, konnte ich bei “Big Family” einen konstruktiveren Weg einschlagen. In dem neuen Buch ging es mir in erster Linie darum, zu zeigen, wie faszinierend eine evolutionäre Sicht der Welt ist.
 

In “Big Family” erzählen Sie die Geschichte der Evolution als Familiengeschichte der Leserinnen und Leser, die über ihre Mutter, Großmutter und Urgroßmutter zu ihren Vorfahren zurückreisen – von ihrer “Steinzeit-Oma” zu “Oma Spitzmaus”, von “Oma Echse” über “Oma Fischmaul” bis zu “Omapa Bakteria”, dem Ursprung allen Lebens auf der Erde. Wie kamen Sie auf die Idee?

Schon in den 1990er Jahren habe ich in meinen Vorträgen und Seminaren versucht, die enge Verwandtschaft von Mensch und Schimpanse anhand einer Ahnenkette zu verdeutlichen. Als ich 2011 an “Keine Macht den Doofen” arbeitete, zog ich dieses Gedankenexperiment aus der Schublade, um die groteske Überheblichkeit des “Homo demens” auf den Punkt zu bringen.

Um die Darstellung griffig zu machen, gab ich der letzten gemeinsamen Vorfahrin von Mensch und Schimpanse den Namen “Oma Chimpman”. Aus Platzgründen wurde die “Chimpman”-Passage zwar aus “Keine Macht den Doofen” gestrichen (sie tauchte dann später in abgewandelter Form in “Hoffnung Mensch” wieder auf), aber seither hat mich die Idee gereizt, eine Ahnenkette zu schildern, die nicht nur bis zu “Oma Chimpman”, sondern bis zu den Anfängen des Lebens vor mehr als 3,5 Milliarden reicht.

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Kommentare

  1. userpic
    Norbert Schönecker

    Das Buch mag gut sein. Wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnisse beinhaltet, ist es sogar notwendig.
    Dawkins´ thematisch sehr ähnliches Buch für Erwachsene "Geschichten vom Ursprung des Lebens" habe ich mit großem Vergnügen und Gewinn gelesen. Hoffentlich ist Schmidt-Salomons Buch für Kinder auch so gut.
    Aber: Schmidt-Salomons einleitendes Statement, "dass Kinder in öffentlichen Schulen ... über die realen Hintergründe der Entwicklung der Arten im Unklaren belassen werden", habe ich so nicht erlebt. Ich kann zwar nicht mehr genau sagen, wann und wo ich die Evolutionstheorie kennengelernt habe. Aber dass "der Mensch vom Affen abstammt" (sehr ungenau formuliert, ich weiß), wurde mir schon im Volksschulalter (in den 70er Jahren!) als Tatsache präsentiert. Und in 12 Jahren Religionsunterricht + 6 Jahren Theologiestudium wurde diese Tatsache nie bestritten.
    Möglicherweise ist das an muslimischen Volksschulen anders. In 95% der deutschen und österreichischen Schulen ist dieses neue Buch also vielleicht interessant und didaktisch innovativ, aber keineswegs so umwälzend, wie Schmidt-Salomon das darstellt.
    Maltes Kommentar zum Originalartikel bezüglich Integrationspolitik erscheint mir übrigens auch sehr zutreffend!

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