Diktatur des Fühlens

Wir leben in einer Diktatur des Fühlens und der Befindlichkeiten.

Diktatur des Fühlens

Foto: Pixabay.com / Pixaline

Zu Beginn der 2010er-Jahre hat die politische Linke alles erreicht, wovon sie immer geträumt hat: Sozialgesetze noch und nöcher, Beschneidungen der Firmen, an jeden war gedacht und jeder noch so kleine Sonderfall mit Geld zugeschüttet.

Was also tun? Wofür kämpfen?

Es etablierte sich ein Kult um gesellschaftliche Minderheiten und deren vermeintliche Probleme. Das Konzept der Diskriminierung wurde aus dem juristischen Kontext herausgelöst und auf die Ebene der Gesellschaft übertragen. Fortan gibt es nicht nur Diskriminierung von Gesetzes wegen – also Benachteiligungen, die man klar überprüfen und unstreitig messen kann, sondern auch Diskriminierung innerhalb einer Gesellschaft, bei der „Messfehler“ auf der Tagesordnung stehen: Diskriminierung ist nicht mehr nur dann, wenn einer Person die Ausübung eines Rechtes verwehrt wird, sondern immer dann, wenn sich ein Opfer diskriminiert FÜHLT.

Es entsteht eine Sortierung der Gesellschaftsmitglieder in Opfer – und zwangsläufig in Täter, denn ohne Täter gäbe es all die Opfer nicht. Die politische Linke terrorisiert den Rest der Gesellschaft mit ihren Ansichten, fordert „Hört ihnen zu!“ und verkündet ihre Appelle an jeder Straßenecke. Die „Täter“ sollen zum Umdenken gebracht und zur Selbstreflexion gedrängt werden. Vornehmlich Männer, vornehmlich Weiße, vornehmlich Heterosexuelle, vornehmlich Deutsche sollen den Kopf senken und … was denn? Was soll erreicht werden? Dass sich niemand mehr diskriminiert fühlt?

Hier beginnt das Missverständnis. Wie sich jemand fühlt, kann kein Gradmesser für irgendwas sein. Gefühle können sich binnen Sekunden ändern. Was eben noch schlimm war, ist in einem anderen Kontext nicht mehr schlimm. Gefühle können vorgetäuscht werden, aus hohen (etwa Notlüge bei realer Gefahr) oder niederen (etwa Erschleichen von Leistungen) Beweggründen. Gefühle sind subjektiv und auf Basis einer solchen subjektiven Einschätzung darüber befinden zu wollen, was jemand sagen oder nicht sagen darf oder welche Verträge jemand eingehen oder nicht eingehen darf, ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Ziel, dass jeder Angehörige einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe sich zu jeder Zeit gut (oder: nicht diskriminiert) fühlen soll, klingt ehrbar, würde es nicht die fundamentale Prämisse ausblenden, dass Fühlen ein subjektiver Akt ist und nichts, was das Kollektiv abnehmen könnte.

Überhaupt hat die ganze Thematik einen egozentrischen Spin. Beobachtet mal, wie Linke sich gebärden, wenn sie ihre Weltsicht darlegen; es ist viel „ich, ich, ich“ – und noch viel mehr Gefühl.

Wohin das alles führt?

Linke sind sich sicher, dass sie diese schlimmen Zustände alleine nicht überwinden können – sie brauchen einen mächtigen Verbündeten: Den Staat.

Der Staat soll nicht nur in die Vertragsfreiheit eingreifen (etwa beim Mindestlohn), sondern auch in gesellschaftliche Angelegenheiten und dort Freiheiten beschneiden. Die Klärung jedes noch so kleinen Anliegens muss in ein Gesetz gegossen werden. Auch hier lohnt es, Linken zuzuhören: Als Lösung für Probleme fällt ihnen oft in mannigfaltiger Ausprägung „mehr Staat“ ein.

Wohin sich diese Gefühlsautokratie entwickelt, zeigen Beispiele.

Bei politischen Diskussionen treten rationale Argumente oder überhaupt nur Kontexte in den Hintergrund – was zählt, ist das Gefühl.

In der Migrationsdebatte wird nicht gefragt, was mittelfristig das Beste für das Individuum ist, sowohl auf der ankommenden als auch auf der willkommenheißenden Seite, sondern es wird geschaut, wie sich der einzelne Einwanderer FÜHLT – und dies wird dann zur Orientierung für Stimmungen und Maßnahmen erhoben.

Armen Menschen muss geholfen werden, koste es, was es wolle. Finanzielle Ressourcen? Nachrangig, wir sind ein „reiches Land“, es ist genug da, es muss nur gerechter verteilt werden. Was „gerecht“ ist, basiert rein auf Gefühl.

In der Gender-Politik ist es verboten, die inhaltlichen (z. B. biologischen) Voraussetzungen zu hinterfragen; wer das wagt, wird als „transphob“ o. ä. geschmäht und bedroht. Hier zählt allein das Gefühl der „Betroffenen“ und das derjenigen, die sich als Anwalt der Minderheiten aufspielen.

Reportagen und Dokumentationen von links-geneigten Journalisten kreisen sich um die Frage: „Wie fühlt sich das an?“ Opfer sind das Kapital der Medien, deren Lebenselixier.

Gefühle sind jedoch Privatsache und die Erlangung der Kontrolle über sie gehören zum Reifeprozess. Es gibt Angelegenheiten, die kann und sollte der Staat seinen Bürgern nicht abnehmen.

Kommentare

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    Jonas Hopf

    Daumen hoch

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      Max Schumacher

      Die Einleitung des Textes zäumt das ganze Pferd der Kritik entschlossen vom Schwanz her auf: Denn man kann nicht ernsthaft behaupten, dass 2010 (!) die politische Linke alle ihre Ziele erreicht gehabt hätte und dann quasi aus Jux und Dollerei sich einen Identitätstrip eingeworfen hätte, der bis heute andauert. Vielmehr ist es doch so, die Leute, die auf Identitätspolitik abfahren, stillschweigend akzeptiert haben, dass im finanzmarktgetriebenen politischen Irrenhaus der letzten Jahre eben nur noch auf der symbolischen Ebene erreichbar sind? Eine Art radikales Biedermeier, das sich mit dem radikalisierten Turbokapitalismus gar nicht mehr in die Quere kommt! Auch der "progressive" Neoliberalismus ist nur eine Variante des Neoliberalismus. Pars pro toto sei an die schwarze Null erinnert, diesen Fetisch der CDU, dessen baldige Einhaltung sich auch die jetzige "Fortschrittskoalition" auf die Fahne geschrieben hat. Das mag in den Köpfen der Eingebildeten und vom rechten Rand her wie "links" aussehen, für die Betroffenen ebenso wie für differenziert analysierende Beobachter ist eine Politik, die soziale Gegensätze planmäßig verschärft, eine rechte Politik.

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        Max Schumacher

        Nach "auf der symbolischen Ebene" fehlt das Wort Erfolge

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          Lambert

          So viele linke Schlagworte, politisches Irrenhau, Turbokapitalismus, Neoliberalismus..., da weiß man gleich, dass vom Verfasser nicht gedacht sondern geplappert wird.

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