Anmerkung des Herausgebers: Dies ist ein Gastbeitrag von Michelle Trautwein, Assistenz-Dozentin für Entomologie (Insektenkunde, Anm. d. Übers.) des „NC State and Schlinger Chair of Dipterology“ an der Akademie der Wissenschaften, Kalifornien.
Sie sind nicht allein. Ihr Körper ist eine Ansammlung von Mikroben, Pilzen, Viren… und sogar (anderen) Tieren. Tatsächlich sind Sie nicht einmal das einzige Tier, das Ihr Gesicht gebraucht. In diesem Moment leben in der unmittelbaren Nachbarschaft Ihrer Nase mindestens zwei Arten mikroskopisch kleiner Milben in Ihren Poren. Sie sind vielleicht der Meinung, Wissenschaftler wüssten ziemlich viel über diese Tiere (da wir unsere Gesichter mit ihnen teilen), doch dem ist nicht so.
Was wir wissen: Demodex-Milben sind mikroskopisch kleine Spinnentiere (Verwandte der Spinnen und Zecken) die in und auf der Haut von Säugetieren - einschließlich Menschen – leben. Sie konnten auf jeder Säugetierart gefunden werden, bei der wir danach gesucht haben, mit Ausnahme des Schnabeltiers und seiner eigenartigen eierlegenden Verwandten.
Es scheint so, dass Säugetiere oft für mehr als eine Art als Wirt fungieren, so wie die arme Feldmausart, die alleine auf ihrem Gesicht vier Milbenarten beherbergt. Für gewöhnlich leben diese Milben in friedlicher Koexistenz mit ihren Wirten. Doch wenn dieses empfindliche Gleichgewicht zerstört wird, verursachen sie bekanntlich Räude bei unseren pelzigen Freunden und Hauterkrankungen wie Rosazea und Blepharitis beim Menschen. Die meisten von uns sind einfach zufriedene, wenn auch unbewusste, Träger dieser spindeldürren, achtbeinigen Porenbewohner.
Wissenschaftler des NC State, des North Carolina Museum of Natural Sciences und der California Academy of Sciences haben soeben eine Studie veröffentlicht, die vorher unbekannte Wahrheiten über diese wenig bekannten Milben enthüllt und dabei einen flüchtigen Einblick in noch größere Rätsel, die noch gelöst werden müssen, bietet.
1. Jeder hat Milben
Eine unserer spannendsten Entdeckungen ist, dass diese Milben auf jedem Menschen leben. Ja, auf jedem, auch auf Ihnen.
Das war nicht immer offensichtlich, da es schwierig sein kann, eine mikroskopisch kleine Milbe, die auf jemandes Gesicht lebt, zu finden. Traditionelle Verfahren zur Probenahme (die auch das Schaben oder Abziehen eines Stückes Klebeband vom Gesicht beinhalten) bringen nur bei 10-15 Prozent der Erwachsenen Milben zum Vorschein. Die Tatsache, dass Milben in einem viel höheren Anteil von Leichen gefunden werden (wahrscheinlich deshalb, weil es bei Leichen einfacher ist, umfangreicher und tiefgreifender Stichproben zu entnehmen) war ein Hinweis darauf, dass sie möglicherweise viel präsenter sind.
Wie sich herausgestellt hat, muss man eine Milbe nicht tatsächlich sehen, um ihr Vorhandensein festzustellen. Dan Fergus, ein Milben-Molekularbiologe am North Carolina Museum of Natural Sciences, fand heraus, dass Milben-DNA in Gesichtsabschabungen nachgewiesen werden konnte, unabhängig davon, ob unter dem Mikroskop eine Milbe gefunden werden konnte. Und von jedem Erwachsenen, von dem wir eine Stichprobe entnahmen, konnte Milben-DNA entschlüsselt werden. Das bedeutet, dass wir Milben-DNA genauso auch bei Ihnen finden werden, wenn Sie uns Ihr Gesicht schaben lassen. Und wo Milben-DNA gefunden wird, findet man auch Milben.
2. Menschen beherbergen zwei Milbenarten, die nicht eng miteinander verwandt sind
Demodex brevis. Bild: Dan Fergus and Megan Thoemmes.
Eines der faszinierendsten (und ungelösten) Rätsel der Gesichtsmilben ist, wie wir Menschen uns diese Tierchen zugezogen haben. Vielleicht sind diese Milben ein Modellsystem der Co-Evolution. Es ist denkbar, dass sich ebenso, wie sich jede Säugetierart entwickelt hat, auch ihre Milben entwickelt haben – jede davon passte sich an die jeweiligen Veränderungen der Umweltbedingungen an. In so einem Fall würden wir erwarten, dass wir unsere Milben von unseren affenartigen Vorfahren erworben haben und dass die beiden Arten von Menschenmilben miteinander viel näher verwandt sind als mit allen anderen Milbenarten.
Doch wir haben herausgefunden, dass die beiden Milbenarten auf unserem Gesicht, Demodex folliculorum (die lange, dünne, die am Anfang dieses Artikels abgebildet ist) und Demodex brevis (die kurze, rundliche auf dem zweiten Foto) tatsächlich überhaupt keine besonders nahen Verwandten sind. Unsere Analysen zeigen, dass brevis enger mit Hundemilben verwandt ist als mit folliculorum, der anderen Menschenmilbe. Das ist interessant, denn es zeigt uns, dass Menschen sich jede dieser Milbenarten auf unterschiedliche Weise zugezogen haben, und dass es zwei getrennte Geschichten darüber gibt, wie jede dieser Milbenarten auf unser Gesicht gelangt ist.
Obwohl uns nicht genügend Belege vorliegen, um zu sagen, dass wir eine unsere Milben von des Menschen bestem Freund erworben haben, scheint es doch möglich zu sein, dass eine unserer Haustierarten, mit der wir schon lange unsere Leben teilen (seien es Hunde, Ziegen oder andere) uns ihre Milben „geschenkt“ hat.
3. Milben können uns etwas über die geschichtliche Auseinanderentwicklung der menschlichen Bevölkerungen erzählen
Wie wir unsere Milben erworben haben ist nur ein Teil der Geschichte. Uns interessiert auch, wie sich unsere Milbenarten entwickelt haben, seit sie unsere ständigen Begleiter sind.
Demodex leben wahrscheinlich schon sehr, sehr lange mit uns; als die frühen Menschen Afrika verließen auf ihrem Weg um den Globus, nahmen sie wahrscheinlich ihre Milben mit. Also möchten wir herausfinden, ob Demodex-DNA unsere eigene evolutionäre Geschichte widerspiegeln kann, indem sie uns ermöglichen, diese alten Wege der Wanderungen des Menschen zurückzuverfolgen.
Bis jetzt sehen unsere Analysen vielversprechend aus. Als wir uns die DNA einer unserer Milbenarten – D. brevis – ansahen, entdeckten wir, dass sich die Milben aus China genetisch von den Milben der Amerikaner unterscheiden. Ostasiaten und europäische Bevölkerungen entwickelten sich vor über 40.000 Jahren auseinander, und bisher sieht es danach aus, dass dies ihre Milben ebenso taten. Auf der anderen Seite ist D. folliculorum aus China nicht von jenen aus Amerika zu unterscheiden. Von den beiden Demodexarten, die mit dem Menschen in Zusammenhang stehen, lebt D. brevis tiefer in unseren Poren als foliculorum und wird seltener von Menschen geteilt, wohingegen D. Folliculorum anscheinend die globale Vorherrschaft genießt.
Doch so spannend diese Ergebnisse auch sind, China und die USA sind nur ein kleiner Ausschnitt des Bildes. Wir können es kaum erwarten, zu sehen, was geschieht, wenn wir auf der ganzen Welt Stichproben von D. brevis entnehmen! Die uralte Geschichte des Homo Sapiens, wie sie uns von Milben erzählt wird.
Wenn Ihr Gesicht ein wenig juckt, nachdem Sie dies gelesen haben, können Sie beruhigt schlafen. Aus evolutionärer Perspektive sind Menschen und Demodex sehr alte Freunde. Sie und Ihre Milben sind also in guter Gesellschaft.
Der Artikel “Ubiquity and diversity of human associated Demodex mites” wurde in PLOS ONE veröffentlicht. Hauptverfasserin des Artikels ist Megan Thoemmes, Doktorandin an der NC State. Mitverfasser sind Trautwein, Fergus, Julie Urban vom North Carolina Museum of Natural Sciences und Rob Dunn, Dozent für Biologie an der NC State. Die Forschung wurde von der NASA unterstützt und unter ROSES NNX09AK22G sowie der National Science Foundation unter 0953390 bewilligt.
Übersetzung: Elisabeth Mathes, Günter Dantrimont
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