So ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen.
Oft gehört: „Du bist Atheist? Dann hast Du noch nicht genug nach Gott gesucht. Sonst hättest Du ihn gefunden.“ Gott verspricht: „So ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen. (Jeremia 29:13).“
Das ist nicht einmal falsch - lässt sich aber genauso gut über jeden anderen, fiktiven Akteur sagen. Du glaubst nicht an Krishna? Dann hast Du noch nicht genug nach ihm gesucht. Wer Krishna wirklich offenen Herzens sucht, der wird ihn auch irgendwann finden: mit den bewährten Methoden der Autosuggestion, Wahnwahrnehmung und Bestätigungsfehler. Man frage die Hinduisten Südindiens! Krishnas Wirken ist doch nun wirklich unübersehbar! Glauben denn die Skeptiker, die Welt habe sich allein geschaffen? Glauben sie, die glückliche Ankunft meiner Mutter aus dem gefahrenvollen Kriegsgebiet wäre ohne Krishnas Güte und lenkende Hand möglich gewesen? Glauben sie ernsthaft, mein Nachbar hätte seine Drogensucht überwunden ohne Krishnas stärkende Hilfe, um die er täglich gebetet hat?
Wer nur intensiv genug sucht - womöglich durch tiefe emotionale Bedürftigkeit angetrieben - der mag sich irgendwann einreden, ein guter Schutzgeist wache über ihn. Und wer nicht an diesen Schutzgeist glaubt? Der hat noch nicht verzweifelt genug nach ihm gesucht.
Sind die Augen des „Glaubens“ erst einmal geöffnet, findet sich überall Bestätigung.
„Jesus wacht über mich!“ Heute Morgen habe ich eine Tüte Cornflakes umgestoßen - zwei Flocken sind zufällig genau in meine Müslischale gefallen. Wirklich zufällig? Zwei! Das Doppelgebot der Liebe! Jesus offenbart seine Gegenwart durch Gesten, die man nur mit offenem Herzen erkennen kann!
Oder waren es drei Cornflakes, die unzufällig, tiefsinnig, theologisch bedeutungsvoll in meine Müslischale gefallen sind? Drei! Glaube, Hoffnung, Liebe! Die Dreifaltigkeit! Jesus offenbart seine Gegenwart durch Gesten, die man nur mit offenem Herzen erkennen kann!
Oder waren es vier? Die Evangelien! Das Zeugnis seines irdischen Wirkens! Jesus offenbart seine Gegenwart durch Gesten, die man nur mit offenem Herzen erkennen kann!
Gibt es überhaupt eine zufällige Begebenheit, der sich nicht nachträglich und mutwillig eine tiefe, theologische Bedeutung überstülpen lässt? „So ihr mich von ganzem Herzen suchet, so will ich mich finden lassen.“ Das gilt aber dummerweise für jeden unsichtbaren Akteur, den Menschen sich ausdenken und verzweifelt wahrhaben wollen. Mit ausreichend starker Autosuggestion wird er sich finden lassen.
Wie kann der Gläubige erkennen, ob er noch ehrlich nach einem möglichen Gott sucht oder ob er sein Herz schon so weit geöffnet hat, dass er mittels Autosuggestion, Wahnwahrnehmung und Bestätigungsfehler überall Gespenster sieht?
Kommentare
Unglaublich zutreffend...
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Autosuggestion dürfte das erklärende Stichwort sein. Geradezu enthüllend ist, was das Internet-Lexikon Wikipedia zum Stichwort »Autosuggestion« schreibt:
»Autosuggestion ist der Prozess, durch den eine Person ihr Unbewusstes trainiert, an etwas zu glauben. Dies wird erreicht durch Selbsthypnose oder wiederholte Selbst-Affirmationen, und kann als eine selbstinduzierte Beeinflussung der Psyche angesehen werden. Die Wirksamkeit der autosuggestiven Gedankenformeln kann durch mentale Visualisierungen des angestrebten Ziels erhöht werden. Der Erfolg der Autosuggestion wird umso wahrscheinlicher, je konsistenter und länger (bzw. öfter) sie angewendet wird.« … »Bei der Autosuggestion wird derselbe formelhaft umrissene Gedanke über längere Zeit in Form mentaler Übungen wiederholt, bis er zum festen Bestandteil des unbewussten Denkprozesses geworden ist. Je nach weltanschaulichem Hintergrund wird erwartet, dass sich dieser Gedanke in Überzeugungen oder Tatsachen verwandelt. Typische Wege, den eigenen Geist durch Autosuggestion zu beeinflussen, sind: Sich die Auswirkungen einer Überzeugung bildlich vorzustellen, sie verbal zu bekräftigen oder sie mental durch permanente Wiederholung zu vergegenwärtigen (innerer Sprechgesang).«… »Autosuggestionen sind auch Bestandteil esoterischer und okkulter Verfahren.«
Wer kann sich der suggestiven Wirkung der immer gleichen Gebete, der vertrauten Lieder, der ritualisierten Abläufe der sonntäglichen Andachten, der Anrufungs- und Beschwörungsformeln eines Gottesdienstes auf Dauer entziehen, wenn sie von Kindheit an und über Jahre erfolgte? Ich behaupte darüber hinaus, dass viele Christen – und das gilt prinzipiell für jeden Gottgläubigen – den ihnen einst anerzogenen oder zum Beispiel durch Autosuggestion erworbenen Glauben so unreflektiert verinnerlicht haben, dass ihnen die Frage überhaupt nicht mehr in den Sinn kommt, ob den Kernaussagen ihres Glaubens ein vertrauenswürdiges Versprechen oder ein nachweislich historisches Geschehen zu Grunde liegt. Hat man sich erstmal selbst überzeugt von der »Wahrheit«, dann findet man überall – wie Dawkins sehr schön illustriert – allenthalben Bestätigungen dafür, und seien diese noch so willkürlich in ihrer Deutung.
Möglicherweise verlangt die soziale Natur des Menschen einfach so intensiv nach einem Partner, dass man ihn sich einfach nur vorstellen muss, um das Gefühl nach Nähe und Kommunikation zu befriedigen. Offensichtlich lebt so manch Bedrängter in einer – wenn auch nur gedanklichen – Gemeinschaft leichter, hoffnungsvoller und erfüllter. Viele Menschen brauchen offenbar ein allmächtiges »Du«, dem sie ihre Wünsche, Hoffnungen, Verzweiflung anvertrauen können. Der Gottesglaube also eine Folge der sozialen Natur des Menschen und damit auch ein Ergebnis der Evolution?
(Aus: Warum ich kein Christ sein will, Tectum Verlag 2015, 6. Auflage)
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Ich bitte Jori Wehner, den Autor dieses sehr guten Beitrags, um Nachsicht, dass ich aus Versehen den Text Dawkins zugeschrieben habe. (Was sicher nichts Ehrenrühriges wäre!)
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Die Grundaussage "Du hat noch nicht genug nach Gott gesucht" ist falsch; denn wer Gott sucht, hat ihn eigentlich bereits gefunden. Der Suche nach Gott muss ein Glaube zugrunde liegen, wenn auch bloss ein unterschwelliger und zweifelbeladener.
Mit dem Bibelzitat ist das qualifizierte Finden in Bedeutung einer tatsächlichen Gotteserfahrung gemeint. Mit "ganzem Herzen" sind alle Sinne angesprochen, nicht nur der Verstand.
Wer Gott aber ablehnt und dennoch "sucht", wird laufend Hinweise für dessen Inexistenz finden. Das kann durchaus ebenfalls selbsthypnotischen Charakter haben oder ist vielleicht bereits die Auswirkung einer Autosuggestion.
Indoktrination und Autosuggestion zu bemühen, finde ich - positiv ausgedrückt - zu einfach. Dieselben Mechanismen können für jede Weltanschauung oder für jede Überzeugung herhalten. Man stelle sich einen Biologen vor, welcher sich studienhalber intensiv mit der darwinistischen Evolution befasst!
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Wie wäre es mit der Anwendung von "OCCAMS MESSER", der Frage nach der Notwendigkeit?
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Bezüglich welcher Theorie?
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Autosuggestion = DAS Glauben.
DER Glaube ist nur die Theorie, DAS Glauben ist die Praxis.
DAS Glauben zeigt uns mit jedem Schritt, ob wir uns unserem Ziel: Leben, Gott, Heil, Erkenntnis usw. nähern oder ob wir uns davon entfernen.
Wer Gott sucht, sucht den Weg zu ihm, und der beginnt bei sich selbst.
AutoSUGgestion ist auch AutoSUCHestion ist auch AutoSOGgestion; auf Youtube habe ich mehr dazu gesagt. Autosuggestion ist ein wirklicher Lebensschlüssel.
Franz Josef Neffe
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