Eine gemeinsame Vision für die Welt (Teil 1)

Wir benutzen das Wort "Menschenrechte" relativ häufig und versuchen damit, unsere Sicht auf die Welt zu begründen. Doch was genau ist unter dem Begriff zu verstehen und wie hat er sich entwickelt? Herbert Nebel versucht in der heute beginnenden dreiteiligen Serie die Fragen zu beantworten. Im ersten Teil schaut er auf die Geschichte zurück.

Eine gemeinsame Vision für die Welt (Teil 1)

Menschen haben die Fähigkeit, über ihr eigenes Dasein und über ihre Umwelt nachzudenken, Ungerechtigkeiten zu empfinden, Gefahren zu vermeiden, Verantwortung zu übernehmen, Zusammenarbeit anzustreben und moralisches Empfinden, das ethischen Grundsätzen folgt, zu zeigen. Sie haben das Bewusstsein, dass die kulturelle Vielfalt als Quelle von Austausch, Innovation und Kreativität sinnvoll und notwendig ist, jedoch eine Berufung auf diese Vielfalt nicht auf Kosten der Menschenrechte und Grundfreiheiten erfolgen darf. Die Stellung der Frau ist häufig ein Gradmesser für die Bewertung der sozialen Verhältnisse einer Gesellschaft.

Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft erfordert eine gemeinsame Basis an Grundwerten. Das Internet, die Globalisierung und Migrationsströme in unvorstellbarem Ausmaß ließen unsere Welt zu einem Dorf schrumpfen. Demzufolge brauchen wir einen Grundkonsens über Werte und Normen, der unabhängig von Kultur, Religion oder Nationalität gilt. Für unsere globale Gesellschaft ist ein solcher gemeinsamer Wertekanon durch die Menschenrechte definiert, die – in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen – als Bezugspunkt die Menschenwürde haben. Die Menschenrechte sind zum einzig universell anerkannten Wertesystem der Gegenwart aufgestiegen.

Die "Menschenwürde" geht von der Gleichheit aller Menschen aus, billigt ihnen Rechte zu aber verlangt auch, dass grundlegende Rechte anderer zu beachten sind. Konstitutiv für die Menschenwürde als oberstem Prinzip ist seine allgemeine Verbindlichkeit. Sie kann nicht zu- oder aberkannt werden, sie steht jedem Menschen zu und muss geachtet werden.

Hunderte Millionen von Menschen sind weltweit von einem selbstbestimmten Leben in Würde ausgeschlossen. Hunger, keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, leben ohne sanitäre Anlagen, ohne Zugang zu Gesundheits- und Bildungssystemen, Obdachlosigkeit, ohne Arbeit oder Arbeit unter ausbeuterischen Lebensbedingungen ist für diese Menschen die Lebenswirklichkeit.

Ist die Menschenwürde in eine "Werte-Nische" abgeschoben worden weil sie durch einen inflationären und unpräzisen Gebrauch zu einer Trivialisierung der Menschenrechts-Idee geführt hat? Diese Frage muss beantwortet werden, denn es gilt, die offene, auf Menschenrechte für alle basierte Gesellschaft im Innern zu erkämpfen und zu verteidigen, um auch nach außen als glaubwürdiger Fürsprecher der universellen Menschenrechte auftreten zu können. Menschenrechte müssen immer wieder bekräftigt und verkündet werden, denn die Kenntnis der Menschenrechte ist Voraussetzung dafür, dass Menschen sie einfordern.

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