Eine Geschichte der Theorie der Plattentektonik (Teil 2/7)

Am 6. Januar 1912 hielt Alfred Wegener (1880-1930) auf der Jahrestagung der Deutschen Geologi­schen Vereinigung in Frankfurt am Main einen Vortrag mit dem Titel „Die Herausbildung der Groß­formen der Erdrinde (Kontinente und Ozeane), auf geophysikalischer Grundlage.“

Eine Geschichte der Theorie der Plattentektonik (Teil 2/7)

Quelle: USGS

Teil 2: Der Verkannte

Es scheint kein Augenzeugenbericht überliefert zu sein, wie seine Zuhörer reagierten. Doch was der Geologe Max Semper (1870-1954) fünf Jahre später über Wegeners These bemerkte, dürften sinngemäß auch die meisten von ihnen gedacht haben:

„O heiliger Sankt Florian, verschon das Haus, zünd' andere an!"

Wegener hatte nichts anderes getan, als die Axt an ihr geologisches Weltbild zu legen. Den großen Rahmen, in den sich all ihre Forschungsergebnisse ihrer Meinung nach einfügten, hatte er verwor­fen. Er hatte die Kontraktionstheorie für falsch erklärt.

Mit welchem Selbstvertrauen Wegener die Sache anging, wird aus der Einleitung der schrift­lichen Ausarbeitung seines Vortrags („Die Entstehung der Kontinente“) deutlich, die er zwei Monate später veröffentlichte:

„Im folgenden soll ein erster Versuch gemacht werden, die Großformen der Erdrinde, d.h. die Kontinentaltafeln und die ozeanischen Becken, durch ein einziges umfassendes Prinzip gene­tisch zu deuten, nämlich das der horizontalen Beweglichkeit der Kontinentalschollen. Überall, wo wir bisher alte Landverbindungen in die Tiefe des Weltmeeres versinken ließen, wollen wir jetzt ein Abspalten und Abtreiben der Kontinentalschollen annehmen. Das Bild, welches wir so von der Na­tur unserer Erdrinde erhalten, ist ein neues und in mancher Beziehung paradoxes, entbehrt aber nicht der physikalischen Begründung. Und andererseits enthüllt sich uns schon bei der hier versuch­ten vorläufigen Prüfung eine so große Zahl überraschender Vereinfachungen und Wechselbeziehun­gen, daß es mir nicht nur als berechtigt, sondern geradezu als notwendig erscheint, die neue, leis­tungsfähigere Arbeitshypothese an Stelle der alten Hypothese der versunkenen Kontinente zu set­zen, [...]. Trotz der breiten Grundlage möchte ich das neue Prinzip als Arbeitshypothese behandelt sehen, bis es gelungen sein wird, das Andauern dieser Horizontalverschiebungen exakt durch astro­nomische Ortsbestimmung nachzuweisen."

Alfred Wegener im Jahr 1912. Quelle: Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz

Wegener führt schwere Einwände gegen die Kontraktionstheorie an:

Sie geht vom kontinuierlichen Abkühlen einer zunächst glutflüssigen Erde aus. Die Entde­ckung radioaktiver Zerfallsprozesse im Erdinneren, einer in der Theorie nicht berücksichtig­ten Wärmequelle, zieht diese Grundannahme in Zweifel. (Heute ist bekannt, dass der Erd­mantel tatsächlich mit etwa 100°C pro Jahrmilliarde abkühlt. Das beeinträchtigt aber nicht die folgenden Kritikpunkte Wegeners, die auch aus heutiger Sicht standhalten.)

Der Kontraktionsheorie zufolge schrumpft die Kruste der Erde beim Abkühlen weniger stark als ihr Inneres, sodass sie ihr „zu groß“ wird. Das äußert sich im Stehenbleiben mächtiger „Runzeln“, den Gebirgen. Im Fall einer Schrumpfung wäre aber eine gleichmäßige, nur sehr schwache Runzelung des Erdballs zu erwarten, und es dürften keine Zugkräfte auftreten, wie sie sich an Grabenbrüchen äußern, etwa in Ostafrika oder dem Rheintal.

Laut der Kontraktionstheorie eilen manche Partien der Kruste den anderen in ihrer Schrump­fung voraus und werden zu Ozeanbecken. Andere hinken hinterher und bilden so die Konti­nente. Der Vorgang kann sich umkehren, wodurch ein Kontinent zum Ozeanboden und ein Ozeanboden zum Kontinent wird – eine Erklärung für das Entstehen und Verschwinden von Landbrücken.

Die Erdkruste ist jedoch nicht einheitlich, Kontinente und Ozeanböden unterscheiden sich deutlich in ihrer chemischen Zusammensetzung, was nicht zur Annahme passt, dass letztere einfach tiefer und erstere weniger tief gesunkene Krustenteile sind. Hinzu kommt, dass die Höhenniveaus von Kontinenten und Ozeanböden sich um zwei völlig unterschiedliche Mit­telwerte gruppieren – nur ein kleiner Teil der Erdoberfläche befindet sich „auf halbem Weg“ zwischen Kontinent und Ozeanbecken. Träfe die Kontraktionstheorie zu, sollten aber gerade diese Bereiche in der Mehrheit sein.

Der Zusammenschub der Kruste bei der Gebirgsbildung war nach neueren Untersuchungen viel größer als angenommen. Der Breite eines Gebirges entsprach diesen Schätzungen zufol­ge eine vier- bis achtfache ursprüngliche Breite vor der Gebirgsbildung. Eine so große Ver­kürzung konnte nicht durch simples Schrumpfen erklärt werden.

Häufigkeiten der Höhenniveaus der Erdoberfläche. Durchgezogen: Beobachtet. Gestrichelt: Nach Kon­traktionstheorie erwartet. Quelle: Wegener (1929).

(Ein notwendiger Einschub an dieser Stelle: Bei der Kontraktionstheorie handelte es sich nur um eine Ausrichtung des Fixismus, wenn auch die, vor allem im europäischen Raum, einflussreichste. Es gab eine Gegenposition, die Permanenztheorie, von der in Teil 4 die Rede sein wird. Diese teilte mit der Kontraktionstheorie viele Gemeinsamkeiten. Wegeners Einwände sind daher zum Teil auch auf die Permanenztheorie anwendbar, manche dafür, wie die jetzt kommenden gegen das Versinken von Landbrücken, auschließlich auf die Kontraktionstheorie. Es wird hier nicht differenziert, und, wie Wegener es tat, stets nur die Kontraktionstheorie angesprochen.)

Aus diesen Argumenten hätten sich die Anhänger der Kontraktionstheorie vielleicht herauswinden können. Geradezu vernichtend war allerdings, was Wegener gegen die Landbrückenhypothese vor­brachte, das stützende Hilfskonzept, ohne das die Theorie nicht in Einklang mit den paläontologi­schen Fakten zu bringen war:

Geophysikalische Messungen hatten ergeben, dass die Erdkruste fast überall auf dem Plane­ten im Tauchgleichgewicht (in Isostasie) mit dem darunterliegenden Mantel steht. Die Krus­te „schwimmt“ auf dem dichteren, plastischen Mantel wie eine Eisscholle auf dem Wasser. Kontinente ragen gegenüber den Ozeanböden hervor, weil sie aus leichterem Material beste­hen, und senken sich nur bei Hinzufügen einer Auflast, z.B. von Sedimenten (oder Eis; so hebt sich Skandinavien, seit es von den eiszeitlichen Gletschern befreit ist, mit einer Rate von Dutzenden Zentimetern pro Jahrhundert. Dieses Bespiel gebrauchte Wegener in seinen späteren Arbeiten, allerdings noch nicht 1912).

Die Landbrückenhypothese widersprach schlicht den Gesetzen der Physik: Ein Kontinent kann nicht versinken und zum Boden der Tiefsee werden.

Es gibt auf den Kontinenten zwar viele Sedimente aus flachen Meeren, aber kaum solche, die in der Tiefsee abgelagert wurden. Anders als von der Kontraktionstheorie vorhergesagt waren keine ausgedehnten Bereiche des heutigen Festlands jemals Teil des Tiefseebodens, oder solche Sedimente müssten viel häufiger sein.

(1929 sollte Wegener ein noch stärkeres Argument finden, das sich von dem Mangel an Tief­seesediment auf den Kontinenten ableitete: Wenn es früher zusätzliche Landmassen gab, die heutigen Kontinente aber alle schon existierten, wo war dann das Ozeanwasser geblieben? Es wäre verdrängt worden und hätte zu Überflutungen des Festlands in einem Ausmaß ge­führt, für das es keine Belege gab. Dass die Ozeane damals genau um das richtige Maß tiefer waren, oder genau die richtige Menge Wasser weniger enthielten, hielt er für eine ziemlich gewagte Annahme.)

Landbrücken können zwar die paläontologischen Übereinstimmungen erklären, aber weni­ger die geologischen. Hatte eine Landbrücke existiert, mussten die im Ozean versunkenen Verbindungsstücke zueinander gehörender Strukturen (Wegener nennt als Beispiel die Appa­lachen und die europäischen Kaledoniden beiderseits des Atlantiks) viele tausend Kilometer lang gewesen sein, viel länger als ihre heute bekannte Ausdehnung.

Nachdem er sich solcherart mit der Kontraktionstheorie befasst hatte, nannte Wegener Belege für die Kontinentalverschiebung. Einmal waren das die geologischen und paläontologischen Daten, die er in seinem Sinne interpretierte, und das alte Argument von der Übereinstimmung der Küsten. Er konnte aber noch weitere Indizien anführen:

Im Perm und Karbon hatte es eine Eiszeit gegeben, deren Spuren sich in Australien, Süd­afrika, Südamerika und Ostindien finden. Wollte man diese Gebiete in ihrer heutigen Lage unter eine Eiskappe bringen, ergäbe das eine höchst umfassende Vereisung, die ihre Spuren an fast jedem Punkt der Erdoberfläche hinterlassen hätte – was nicht der Fall ist. Die Pro­bleme verschwinden jedoch, wenn man sich die vereisten Gebiete nahe aneinandergerückt vorstellt.

Diese Überlegung gilt selbst, wenn man eine Verschiebung der Erdachse in Betracht zieht und den Südpol an eine günstigere Stelle verlegt. Polwanderungen bildeten ein anderes von Wegeners Argumenten:

Man hatte festgestellt, dass Nord- und Südpol nicht immer dieselbe Position eingenommen hatten. Im Laufe der Erdgeschichte hatten Wanderungen stattgefunden. Dafür mussten große Massenverschiebungen verantwortlich sein, sodass die Rotations- nicht mehr mit der Träg­heitsachse der Erde zusammenfiel, sie eine Unwucht bekam. Kontinentalverschiebung bot sich hier als plausible Ursache an. Und wirklich fielen große Polwanderungen zeitlich mit der Trennung zuvor verbundener fossiler Artgemeinschaften zusammen, d.h. laut Wegener mit dem Abspalten von Kontinenten.

Landbrücken zu Beginn des Zeitraums, in dem Pangaea existierte, nach Lehrmeinung der Kontraktionstheorie. Weiss: Land. Schraffiert: Ozean. Um das obige Phänomen mit Land­brücken zu erklären müsste man akzeptieren, dass alle weißmarkierten Bereiche, an deren Stelle heute Ozeane liegen, versunken sind, und umgekehrt. Quelle: Wegener (1929).

Im Prinzip hätte die Debatte damit entschieden sein müssen. Immerhin wäre zu erwarten gewesen, dass es zu einer Debatte gekommen wäre. Wegener hatte recht, es „nicht nur als berechtigt, sondern geradezu als notwendig“ zu betrachten, von einer Kontinentalverschiebung auszugehen. Bekannt­lich konnte er sich aber zu seinen Lebzeiten niemals durchsetzen, oder auch nur in breiteren Kreisen Gehör finden. Seine Ideen trafen fast überall auf Ablehnung.

Wegener konnte nicht erklären, welche Kraft die Verschiebung bewirken soll, und gab das auch offen zu. Als Kandidaten nennt er die Gezeitenkraft des Mondes, obwohl er sich dabei unwohl fühlt (zu recht), sowie, als wahrscheinlichere Alternative, „zufällige Strömungen im Erdkörper“ – ein heutiger Leser denkt hier sofort an Mantelkonvektion, aber es ist schwer zu sagen, was Wegener genau meinte.

Weiterhin konnte er die aktuelle Verschiebung nicht nachweisen, auch wenn ihm bewusst war, dass eine endgültige Bestätigung seiner Theorie von dieser Seite kommen musste („[...], bis es gelungen sein wird, das Andauern dieser Horizontalverschiebungen exakt durch astronomische Ortsbestimmung nachzuweisen.“) Der Stand der Wissenschaft zu seiner Zeit gestattete so genaue Messungen nicht.

Wegener glaubte zwar, dass Grönland und Skandinavien sich pro Jahr um etwa 30 m vonein­ander entfernten, ausgehend von paläontologischen Befunden, die eine Trennung vor weniger als 1 Million Jahren nahelegten. Eine so starke Verschiebung hätte auch damals schon gemessen wer­den können, und Wegener gab sich zuversichtlich, dass dies in naher Zukunft gelingen würde. Tat­sächlich war der von ihm angenommene Betrag aber um das Tausendfache zu hoch. Eine korrekte Messung der aktuellen Verschiebung gelang erst, als die Theorie der Plattentektonik bereits durch andere Beweise etabliert war.

Er konnte „lediglich“ nachweisen, dass Verschiebungen geschehen sein mussten. Das genüg­te jedoch nicht, um die Geologen seiner Zeit zu überzeugen. Neben halsstarrigem Festhalten am ge­wohnten Weltbild könnte noch über andere Beweggründe spekuliert werden, die sie Wegener feind­lich stimmten: Er war ein Fremder. Eigentlich war er Meteorologe. Und er war jung: Als er den Vor­trag hielt, der einmal als Geburtsstunde einer der größten wissenschaftlichen Theorien gelten sollte, 31 Jahre.

Wegener scheint ein Mensch gewesen zu sein, der immer bereit war, sich von einem neuen Interesse gefangennehmen zu lassen. Er hatte Astronomie studiert und war dann über die Wissenschafts­geschichte der Astronomie zur Ballonfahrt und Meteorologie gekommen. Von 1906 bis 1907 hatte er als Meteorologe an einer Grönlandexpedition teilgenommen und war im Begriff, zu einer zweiten aufzubrechen. Dass er mit seiner Verschiebungsthese quasi auf fremdem Gebiet wilderte, dürfte ihn kaum geschreckt haben, und ihre fast einhellige Ablehnung nahm er mit Gelassenheit, ja Weisheit:

„Hätten sie die Verschiebungstheorie schon auf der Schule gelernt, so würden sie sie mit demselben Unverstand in allen, auch den unrichtigen Einzelheiten, ihr ganzes Leben hindurch vertreten, wie jetzt das Absinken von Kontinenten“, schrieb er im Jahr 1917 an seinen Schwiegervater, den Geo­graphen und Meteorologen Wladimir Köppen (1846-1940), über seine Gegner.

Wegener blieb immer von der Richtigkeit seiner These überzeugt (sie „Theorie“ zu nennen, wie er es selbst tat, wäre in streng wissenschaftlicher Hinsicht übertrieben). 1915 veröffentlichte er sein Hauptwerk zur Kontinentalverschiebung, „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“, ein zu­nächst knappes Buch von nur 94 Seiten. In den nächsten Jahren trug er weiteres Material zusam­men, es folgten neue, umfangreichere Auflagen, die vierte und letzte im Jahr 1929. Er fand einige, auch hochrangige Unterstützer, unter ihnen den südafrikanischen Geologen Alexander du Toit (1878-1948) und dessen britischen Kollegen Arthur Holmes (1890-1965), denen wir in Teil 3 be­gegnen werden. Um „Die Entstehung der Kontinente“ entwickelte sich so etwas wie eine Subkultur aus Wissenschaftlern, die ebenfalls mit den Widersprüchen in der Kontraktionstheorie unzufrieden waren.

Einiges stellte durchaus einen Rückschritt gegenüber seiner ursprünglichen Arbeit von 1912 dar: So ließ Wegener den Gedanken an Bewegungen im Erdmantel als Ursache der Verschiebung zunächst fallen und griff ihn erst in der vierten Auflage wieder auf (in der Zwischenzeit spricht er zwar noch von Strömungen im Mantel als einer der verschiebenden Kräfte, meint aber, diese seien durch eine der anderen von ihm postulierten Kräfte bedingt, welche somit letztendlich hinter der Verschiebung stehen). Stattdessen dachte er weiter an Gezeitenwirkungen oder z.B. an Fliehkräfte aufgrund der Erdrotation. Seine Gegner wiesen ihm nach, in diesem Fall korrekt, dass diese Kräfte viel zu schwach waren.

Und während er 1912 den mittelatlantischen Rücken noch als vulkanische Struktur interpre­tiert, die durch Entblößen des heissen unterliegenden Gesteins beim Zerbrechen des Urkontinents entstand – womit er den wahren Zusammenhängen der Kontinentalverschiebung zum Greifen nahe kommt – bezeichnete er ihn von dort an als stehengebliebene Reste dieses Kontinents.

Wegeners Rekonstruktion vergangener Kontinentalverschiebungen. Weiss: Land. Hellgrau: Flachmeere. Dunkel: Ozean. Konturen heutiger Kontinente und Flüsse als Sichthilfe. Gradnetz willkürlich. Quelle: Wegener (1929)

Eine moderne paläogeographische Karte, für denselben Zeitabschnitt wie die oberste Karte in Wegeners Zeichnung. Es besteht weitgehende Übereinstimmung. Quelle: Paleomap Project.

Auch wissen wir rückblickend, dass sein Modell einen wesentlichen Fehler enthielt:

Wegener ist Begründer der Kontinentaldriftthese, nicht Begründer der Theorie der Plattentektonik. In moderne wissenschaftliche Begriffe übersetzt glaubte er, dass sich die Kontinente aktiv durch den Erdmantel bewegen. Inzwischen ist bekannt, dass sie passiv auf den sich bewegenden Platten reiten, die an den mittelozeanischen Rücken ständig neu gebildet werden und an Subduktionszonen in den Erdmantel zurücksinken. Der Vorgang spielt sich gewissermaßen eine Etage tiefer ab, als Wegener dachte. Aus heutiger Sicht befand er sich in einem groben Irrtum, was nicht heißt, dass er sich einer ähnlichen Verblendung schuldig machte wie seine Gegner. Die Kenntnisse über das Erd­innere waren zu seiner Zeit einfach noch sehr dürftig und weit interpretierbar.

Häufig ist zu lesen, Wegeners Modell könne nicht erklären, wie die Kontinente sich durch die starre ozeanische Kruste „pflügen“ sollten. Diese Kritik mag ihm von seinen Gegnern vorgehal­ten worden sein, das bedeutet allerdings nicht, dass das Argument stichhaltig war. Setzt man statt pflügen unterpflügen und statt Kontinent Platte, ist es das, was wirklich passiert. Wegeners Fehler bestand allein darin, von aktiver Drift der Kontinente auszugehen.

Es ist sehr gut möglich, dass Wegener noch zu einem entscheidenden Umdenken gekommen wäre, hätte er lange genug gelebt. Doch er starb bereits 1930, mit 50 Jahren, während seiner vierten Grönlandexpedition. Hätte er zwei oder sogar drei Jahrzehnte mehr Zeit gehabt und auf die Daten zugreifen können, die während dieser Zeit hereinkamen, hätte er seiner Idee wohl persönlich zum Durchbruch verholfen.

Er war nicht der Erste, der eine Kontinentaldrift vorgeschlagen hatte, aber der Erste, der sie systematisch wissenschaftlich untermauerte. Mit seinem Tod sank die Idee in einen Dornröschen­schlaf zurück. Der allerdings, während sich das neue Forschungsmaterial ansammelte, zunehmend unruhiger wurde.

(Fortgesetzt in Teil 3: Die Epigonen)

Literatur:

Carey, S. W. (1989): Theories of the Earth and Universe. A History of Dogma in the Earth Sciences. Stanford University Press. Stanford, California. 419 Seiten. ISBN 0804713642.

Frankel, H. R. (2012): The Continental Drift Controversy: Wegener and the Early Debate. Cambridge Uni­versity Press. 520 Seiten.

Krause, R. A. & Thiede, J. (2005): Alfred Wegener, Geowissenschaftler aus Leidenschaft. Deutsches Schiff­fahrtsarchiv, 28, 298‑326.

Krause, R. A. (2012): Und sie bewegen sich doch ... – 100 Jahre Theorie der Kontinentverschiebung – ein Symposium am Senckenberg‑Museum. Polarforschung, 81 (2).

Monmonier, M. (1995): Drawing the Line: Tales of Maps and Cartocontroversy. Henry Holt and Company, Inc., New York. 273 Seiten. ISBN 0805025812.

Sullivan, W. (1974): Continents in Motion. McGraw-Hill, New York. 399 Seiten.

Wegener, A. (1912): Die Entstehung der Kontinente. Geol. Rundschau, Nr. 3, 276‑292.

Wegener, A. (1915/1929): Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Nachdruck der 1. und 4. Auflage, Ge­brüder Bornträger Verlagsbuchhandlung, Berlin/Stuttgart 2005. 481 Seiten.

Wegener, A. (1917): Wegener an Wladimir Köppen, 22. 12. 1917. In: Wutzke, U. (1998): Alfred Wegener. Kommentiertes Verzeichnis der schriftlichen Dokumente seines Lebens und Wirkens. Berichte zur Polar­forschung 288. p. 1-142. Alfred Wegener Institut, Bremerhaven. ISSN 0176-5027.

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Kommentare

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    Adrian Fellhauer

    Hallo, was für eine schöne Geschichte! Ich freue mich schon auf die nächsten Teile.

    Schöne Grüße

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