Einer flog übers Affenhaus

Das Leben hinter Gittern ist für Tiere belastender als bisher bekannt. Es gibt Hinweise auf den systematischen Einsatz von Psychopharmaka

Die Droge kam mit der Babyflasche. Eine Tablette in Viagra-Blau, aufgelöst in Milchbrei. Epulu, der Schimpanse, nuckelte. Als die Wirkung eine Viertelstunde später einsetzte, war Epulu nicht wiederzuerkennen. Zugedröhnt, benommen, aber friedlich von seiner Dosis Valium. Ohne Valium wäre Epulus Leben unerträglich gewesen, für ihn, für die Pfleger, für die anderen Tiere im Gehege. Epulu kannte und liebte diese Flasche, die Mitarbeiter des Wuppertaler Zoos liebten sie auch. "Wenn Epulu raste, wenn er mit voller Wucht gegen die Scheiben sprang, dachten wir: Hoffentlich hält das Panzerglas", sagt Dirk Diestelhorst. Er war regelmäßig dabei, wenn Epulu seine Flasche bekam.

30 Jahre lang, bis Ende 2011 arbeitete der heute 51-Jährige als Tierpfleger im Wuppertaler Zoo. Diestelhorst hat das Verhalten von Schimpansen in Zoos und in freier Wildbahn verglichen. Er weiß, wozu männliche Schimpansen fähig sind. Im Zorn erschlagen sie schon mal ein Weibchen. Epulu war gefährlich. Die Pfleger näherten sich ihm nur, wenn er zuvor mit Drogen ruhiggestellt worden war. "No-Hands-Haltung" ist der Fachbegriff dafür. "Ohne Valium rastete Epulu aus", sagt Diestelhorst. "Die krachenden Schläge hat man im Umkreis von 100 Metern gehört."

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Kommentare

  1. userpic
    dirk.diestelhorst.5

    Mein Name ist Dirk Diestelhorst-Korte . Ich habe von 1978-Januar 2010 als
    Tierpfleger im Wuppertaler Zoo gearbeitet. Ich bin derjenige, der als ehemaliger Tierpfleger in diesem Bericht gemeint ist. In der Tat wurden dem Schimpansen-Mann Epulu vor über 30 Jahren Valium-Tabletten zur Ruhigstellung verabreicht. Eine kontinuierliche Vergabe von Psychopharmaka oder Schmerzmitteln ist zumindest im Wuppertaler Zoo ausgeschlossen. Wäre auch kontraproduktiv, denn wenn diese Medikamente einmal benötigt werden würden, würden sie bei ständiger Vergabe wirkungslos sein. So habe ich das auch gegenüber der Journalistin geschildert, die einen Bericht in der Zeitung "Die Welt" über dieses Thema veröffentlicht hat. Um die Sache noch einmal auf den Punkt zu bringen: Meiner Meinung nach werden Medikamente, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, nur nach ausgewogener Medikation in deutschen wissenschaftlich geleiteten Zoos verabreicht. Dies macht auch Sinn, denn manchmal müssen Tiere eben mit Schmerzmitteln behandelt werden. Ich habe den Wuppertaler Zoo oft kritisiert, aber so wie es in dieser Reportage dargestellt wird, dass ich schwere Vorwürfe erhebe, dem ist nicht so. Zumindest was dieses Thema angeht. Zum guten Schluss möchte ich noch erwähnen, dass aus meiner Sicht heraus den Tieren bei Bedarf auch diese Medikamente zur Verfügung gestellt werden sollten und das der Umgang mit dem Schimpansen Epulu vor über dreißig Jahren falsch war, weiß der Wuppertaler Zoo auch. In den 70ern hatten die Zoologen anderen Vorstellungen von der Haltung von Tieren in zoologischen Gärten. Der neue Zoochef aus dem Wuppertaler Zoo versucht derzeit unter dem Motto "Grüner Zoo" dem Zoo ein grünes Deckmäntelchen überzuziehen. Meiner Meinung nach hat dieses eine Alibi-Funktion. Auf absehbare Zeit sollten Tiererhaltungsprogramme nur auf Tierarten vollzogen werden, die aus Westeuropa stammen und vom Aussterben bedroht sind. Eine artgerechte Tierhaltung ist in Zoologischen Gärten trotz mühevoller Sorge und Pflege der Mitarbeiter nicht möglich. Jedes noch so große Gehege ist im Grunde genommen zu klein. Da helfen auch keine Gutachten, die das Gegenteil behaupten.

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