In einem evangelischen Kindergarten sind niedliche Hexen und kleine Zauberer zu Fasching unerwünscht. Der Pfarrer der Kirchengemeinde hat diese Kostüme zensiert – den Grund fände man in der Bibel.
Kleine Zauberer, Hexen oder Teufel sind an Fastnacht im Kindergarten der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde in Wiesbaden verboten. "In der Heiligen Schrift steht, dass die Menschen von Zauberern und Hexen die Finger lassen sollten", sagte Pfarrer Friedrich-Wilhelm Bieneck am Freitag. "Für Gott ist es ein Gräuel." Deshalb sollten die Kleinen auf diese Kostüme verzichten.
Nachdem sich eine Mutter in einem Leserbrief über die Kostümzensur beschwert hatte, berichtete das "Wiesbadener Tagblatt" am Freitag über den Streit. Dieser hatte seinen Ursprung bereits an Halloween – was der Kindergarten nicht feiert: Dennoch erschien der vierjährige Sohn der Frau am 31. Oktober in einem "zum Teil selbst gestalteten" Zaubererkostüm.
Daraufhin soll die Kindergartenleiterin dem Kleinen vorgeschlagen haben, den Hut abzunehmen und lieber "Superman" zu sein. Doch die Mutter habe sich geweigert und ihrem Sohn stattdessen das Kostüm gleich ganz ausgezogen.
Zauberer, Hexen und Teufel sind nicht eingeladen
Kommentare
Wenn es diesen Gott gäbe, dann wäre es extrem anmaßend, ihm zu unterstellen, dass er sich vor verkleideten Kindern grault. Aus meiner Sicht ist dieser Pastor also ziemlich unverschämt zu seiner angebeteten Märchenfigur - man könnte ihn anzeigen wegen Blasphemie oder zumindest seine Eignung für das Amt anzweifeln.
Andererseits war es ein evangelischer Kindergarten, Da ich selbst gar keine Kreationisten oder sonstwie erkennbar Religionsgläubigen in meinem Haus und meinem Betrieb dulde, muss ich wohl auch diesem Verein in seinen eigenen Räumen das Hausrecht zugestehen.
Warum gibt es keine vernunftgeleiteten Kindergärten, aus denen wir (den bekanntlich für Kinder schädlichen) religiösen Schwachsinn aussperren können?
marstal08
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Das ganze erscheint mir wie die Panikreaktion eines Ertrinkenden. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften schlagen im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer wilder um sich. Sicherlich darf man nicht vergessen, dass ein Kindergarten nicht alle Kindergärten sind. Aber die Tendenz scheint relativ offensichtlich zu sein. Hier bei uns sind die Ausformungen dieses religiös motivierten Gebarens weit weniger drastisch als in Ländern, in denen die Trennung von Kirche und Staat weniger strikt ist.
Bedenklich finde ich dabei, dass die Bezeichnung evangelischer (oder auch katholischer) Kindergarten häufig über die wahren Verhältnisse hinweg täuscht. Es ist immer noch nicht allgemein bekannt, zu welch großen Teilen diese sogenannten kirchlichen Einrichtungen letztlich von allen Steuerzahlern und nicht nur von denen die Kirchensteuer entrichten finanziert werden. Außerdem sollte man bedenken, dass in ländlicheren Gegenden (auch in Städten, wenn die Eltern nicht die Möglichkeit haben ihre Kinder durch die ganze Stadt zu karren) nicht einfach die möglich besteht auf eine religiös neutrale Einrichtung zurück zu greifen.
Will man es humorvoll angehen, kann man seinen Sohn ja einfach in eine Kardinalsrobe stecken und ihnen sagen sie seien Großinquisitoren und den Töchtern im Hexenkostüm könnte man ja das Feuerholz für ihren Scheiterhaufen gleich mitgeben um authentisch zu bleiben (das war echt ein Scherz, ich würde natürlich Kinder mit Derartigem erst konfrontieren, wenn sie alt genug sind es auch zu verstehen!).
Ich finde es auch bezeichnend, dass kirchlich.basierte Institutionen denken sie hätten tatsächlich das Recht auch ursprünglich heidnische Gebräuche wie Fastnacht (hier im Schwarzwald Fasnet - die Zeit der Winteraustreibung, deshalb haben bei der Schwäbisch-Allemannischen Fastnacht auch viele Zünfte recht schockierende Masken!) zu kontrollieren. Merkwürdige Ambition meines Erachtens nach.
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Für was alles findet man in der Bibel keine Gründe?
Warum man Zauberer, Hexen und den Teufel hassen soll? Klar, die sind ja auch real existent und hassenswert.
Aber auch Schwule soll man hassen.
Oder Andersgläubige.
Oder Nichtgläubige.
Oder Sabbatbrecher und Menschen, die zweierlei Garn in ihrer Kleidung tragen, die die Ehe brechen, die, die sich aus Liebe wiederverheiraten wollen. Alle hassen, töten, abschlachten, weil sie alle dem feinen HErrn ein Gräuel sind.
Stattdessen sollen wir diejenigen lieben, die unsichtbare, massenmordende Geister aus der Bronzezeit anbeten, die ihnen opfern, die, die sich für diese Geister geißeln und vor allem die, die ihren kleinen Kindern Stücke des Körpers abschneiden.
Diese Kirchen - im vorliegenden Fall sogar die evangelische - wollen den Knall nicht mehr hören. Es kommt mir so vor, als verschlössen sie bewusst Augen und Ohren vor der Wirklichkeit, die sie nicht mehr ändern können, die wie ein ICE über ihre alte Welt hinwegrauscht und alles platt macht, was ihnen einst heilig schien. Es ist die schiere Kapitulation, die aus einem Kostümverbot für kleine Kinder spricht - eine Kapitulation vor der Realität, die als schmerzhafter empfunden wird, als ein Bußgürtel um den Oberschenkel.
Aber auch eine Kapitulation aus der das unaufhaltsame, nahe Ende ihres eigenen Wolkenkuckucksheims spricht.
Soll ich da Mitleid empfinden? Nein! Wer bewusst den Knall der Aufklärung verpennt hat und sich beharrlich weigert, den fortlaufenden rappelnden Wecker der Moderne zu hören, wer in seinem geistlichen Schlafbedürfnis Kinder mit hineinziehen will, der verdient kein Mitleid. Das hat man dort bei aller geheuchelten Barmherzigkeit auch nicht - noch nie gehabt.
Immerhin ein kleiner Fortschritt ist erkennbar: Heute zieht man den Hexen nur ihre Kostüme aus - früher wurden sie gnadenlos, mitleidlos verbrannt...
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