Im Sexual- wie Religionsverhalten sind Fetische lebende oder tote Gegenstände, die als Stimulantien der Erregung und Befriedigung dienen. Eine ähnliche Funktion, so scheint es, hat die Atheismus-Kritik in kirchlichen Zusammenhängen. Gegenstände werden zu Fetischen aber nicht als solche, sondern durch die Bilder davon, die man sich macht, und die Phantasien darüber, die zu beflügeln vermögen. Sind die Bilder unbefriedigend, stellt sich keine Wollust, sondern Frust ein. Der Fetisch ist dann keiner. Falsche Bilder wiederum zerstören die Erotik oder lassen sie gar nicht erst zu.
Ist der Fetisch also ungeeignet oder falsch oder nur neblig in den Gedanken, kommt es nicht zur gewünschten Erregung. Die Aufladung bleibt aus, der Akt der Befriedigung auch bzw. das Ritual funktioniert nicht. Das ist unglücklich für denjenigen, der des Fetischs bedarf oder ihn einsetzen will. In diesem Sinne ist die vorliegende Publikation “Atheistische Weltdeutungen” der “Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen” (EZW) unglücklich. Den Fetisch Atheismus, was man dafür hält, zu beschwören, die Bilder davon und die Phantasien darüber, wie sie vor der Leserschaft als Aussagen über den Atheismus aufgerichtet werden, bedienen die Absicht nicht.
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Kommentare
Es geht doch letztlich um:
"Ich bin überzeugt, dass Gott existiert, die anderen wissen es nur noch nicht!" vs. "Ich bin nicht überzeugt, dass Gott existiert, die anderen wissen es nur noch nicht!"
Da es sich um einen Glaubensgegenstand handelt, wird es natürlich keinen Sieger geben. Aber wäre das wichtig? Historisch gesehen kommen wir aus einer nahezu 100% gläubigen Welt und bewegen uns auf eine Welt zu, die irgendwann nahezu 100% ungläubig sein wird. Religion ist also ein temporäres Phänomen der Menschheitsgeschichte, das eben mangels Wissenschaft und Philosophie - quasi als deren Lückenfüller - eine Zeitlang "die letzten Fragen" beantworten konnte.
Jetzt haben wir andere Antworten, die manchem nicht schmecken mögen, doch Wirklichkeit ist kein Wunschkonzert. Dieser Prozess geht natürlich auch nicht an den Kirchen spurlos vorüber. Es geht um ihr Selbstverständnis, das zum Selbstverständnis des "christlichen Abendlandes" und seiner "Werte" hochstilisiert wird. Man spricht von "religiöser Grammatik" und "Musikalität", die Kinder lernen sollen und vermeidet auf die Weise Begriffe wie Indoktrination oder Gehirnwäsche. Früher war es selbstverständlich, dass in einem mittels Repressionen "reinreligiös" gehaltenen Umfeld Kinder mit strenger Hand dem Glauben zugeführt wurden.
Heute haben wir ein anderes, rechtsstaatliches Verständnis, wer Kinder sind, denn Kinder sind wer, und wie mit ihnen umgegangen werden muss. Und eine freie, nicht dogmatisierte Kindheit führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Religionslosigkeit - nicht etwa zu einem Atheismus. Solcherart von religiöser Grammatik verschonte Kinder sammeln sich ihre Werte und Ethik aus anderen Quellen, sehen die Welt ein stückweit objektiver und haben dadurch die Chance, die Welt WEITERZUENTWICKELN.
Das ist der für mich wichtigste Punkt in der Debatte. Religion fixiert als "rückwärts Gebundenes" bestimmte Moralvorstellungen der Vergangenheit, macht gesellschaftliches Leben unflexibel und damit zukunftsunfähig. Da spielt letztlich die Frage nach Gottes Existenz - und damit eine Positionierung dazu in Form von Theismus oder Atheismus - keine Rolle mehr. Von mir aus können Menschen an alle Spukgestalten glauben, die sie sich nur ausdenken können - aber das tägliche Zusammenleben muss befreit werden von christlicher Moral - inklusive des darauf basierenden Arbeitsrechts und dubioser Finanzierungen.
Das ist aber säkulare Politik, führt zum gesellschaftlichen Wandel, zum modernen Humanismus, zu den Werten von Wissenschaft, Philosophie und Kunst und ist eben kein Atheismus. Am Ende des Tages werden Theismus und Atheismus einen gemeinsamen (hoffentlich) friedlichen Tod sterben...
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