Forscher haben möglicherweise einen Stamm des Grippevirus H1N1 gezüchtet, der das Immunsystem umgeht

Im Juni wurde eine umstrittene Studie von Forschern der University of Wisconsin-Madison bekannt, die ein Grippevirus mit ähnlichen Eigenschaften wie das berühmt-berüchtigte Grippevirus von 1918 erzeugt haben. Die Forschungsarbeit wurde von vielen Experten kritisiert und als verrückt, dumm und gefährlich gebrandmarkt.

Forscher haben möglicherweise einen Stamm des Grippevirus H1N1 gezüchtet, der das Immunsystem umgeht

Photo credit: CDC Influenza Laboratory, via Wikimedia Commons

Laut The Independent ist jetzt der Leiter der Forschungsgruppe, Yoshihoro Kawaoka, noch einen Schritt weitergegangen, indem er den H1N1 Grippevirusstamm von 2009 so manipuliert hat, dass dieser das Immunsystem umgehen kann.

 Die 20090 durch das Influenza-A-Virus H1N1, oder den Erreger der Schweinegrippe, ausgelöste Pandemie hat innerhalb eines Jahres zwischen 151,700 und 575,400 Todesopfer gefordert.

Diese Zahl erscheint gering im Vergleich zur pandemischen „Spanischen Grippe”, die 50 Millionen Menschen getötet hat.  Bedenkt man aber die Zahl der Personen, die dem Grippevirus von 2009 ausgesetzt waren, sind wahrscheinlich weltweit viele Individuen immun gegen diesen Stamm.

Kawaoka hat jedoch angeblich ganz bewusst einen Stamm erzeugt, der die Immunreaktion umgehen kann.

„Warum?“ werden jetzt sicherlich viele aufschreien. Laut Kawaoka sollte das Experiment Aufschluss darüber geben, in welcher Weise das Virus verändert werden muss, um die Immunabwehr umgehen zu können, und damit zur Entwicklung neuer Impfstoffe beitragen. Um das zu bewerkstelligen, haben die Forscher sogenannte Escape-Viren genommen und erfolgreich die Schlüsselregionen identifiziert, die ihnen diese besondere Eigenschaft verleihen.

“Es wurden Viren in klinischer Isolation entdeckt, die dieselben Änderungen im viralen Protein aufweisen. Das zeigt, dass derartige Viren in der Natur vorkommen und Laborstudien wie unsere für das, was in der Natur passiert, von Bedeutung sind”, berichtete Kawaoka dem Independent.

Weitere Einzelheiten sind gegenwärtig nicht bekannt. Berichten zufolge gab Kawaoka an, dass die Studie bald zur Veröffentlichung vorgelegt werden soll. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie auch akzeptiert wird. Abgesehen von den Gesprächen mit dem Independent, kommt die einzige weitere Informationsquelle aus den Reihen der Teilnehmer einer wissenschaftlichen Konferenz, die zu den Informationen, die Kawaoka bereitstellte, Bedenken äußerten.

„Er nahm das pandemische Virus von 2009 und selektierte die Stämme, die nicht von menschlichen Antikörpern neutralisiert wurden. Er wiederholte das so lange, bis er regelrechte Monsterviren hatte“, berichtete ein Wissenschaftler dem Independent. „Er verwendete ein Grippevirus, von dem man weiß, dass es Menschen infizieren kann und manipulierte es so, dass die Weltbevölkerung wehrlos ist, sollte es jemals aus dem Labor entweichen. Im Prinzip hat er einen pandemischen Virenstamm erzeugt, der gegen alle Impfungen resistent ist.“

Sicherlich wurde die Forschungsarbeit nicht planlos und unüberlegt durchgeführt und es ist höchst unwahrscheinlich, dass das Virus freigesetzt wird; dennoch ist es nicht unmöglich. Deswegen stellt sich die Frage, ob derartige Experimente durchgeführt werden sollen.  Wird diese Arbeit einen realistischen Nutzen für die Bevölkerung haben oder die Forschung auf diesem Gebiet voranbringen? Trotz all unseren Wissens sind Grippeepidemien außerordentlich schwierig vorherzusagen, daher ist der Nutzen dieser Studie zum jetzigen Stand schwer zu erkennen. Nur weil die Forscher diese Viren herstellen können, heißt das nicht, dass sie es auch tun sollten. Potentielle Risiken müssen ernsthaft gegen die Vorteile abgewogen werden. In diesem Falle scheinen die Vorteile unklar.

Übersetzt von Erwin Nüßler

Original:  http://www.iflscience.com/health-and-medicine/researchers-may-have-created-h1n1-flu-strain-capable-evading-immune-system#lfHSKferYvL7UqWd.99

 

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