Gott steckt in Schwierigkeiten: Brillante neue Wissenschaft, die Kreationisten und Christen richtig verängstigt

Ein junger MIT Professor hat Darwins Aufgabe beendet – und droht alles zugrunde zu richten, was der verrückten Rechten lieb und teuer ist.

Gott steckt in Schwierigkeiten: Brillante neue Wissenschaft, die Kreationisten und Christen richtig verängstigt

Charles Darwin (Credit: Wikimedia/WDG Photo via Shutterstock/Salon)

Vorbemerkung der Übersetzer: An einigen Stellen würden wir im Deutschen das Wort “Theorie” durch “Hypothese” ersetzen, da im Deutschen die Definitionen schärfer umrissen sind.

Der obsessive Hass der christlichen Rechten auf Darwin kann als Wunder angesehen werden, aber er könnte eines Tages Konkurrenz durch jemanden bekommen, von dem Sie unter Umständen noch nie etwas gehört haben. Darwin hat ihren Hass damit verdient, die Evolution des Lebens auf eine Art erklärt zu haben, die nicht die Hand Gottes benötigt. Darwin hat Gott natürlich nicht ausgeschlossen, obwohl viele Kreationisten unfähig zu sein scheinen, diesen Punkt zu erfassen. Aber andererseits braucht er Gott auch nicht und das war genug, um einige Leute verrückt zu machen.

Darwin hatte auch nichts dazu zu sagen, wie das Leben seinen Anfang genommen hat – was Gott noch immer eine wirklich gewichtige Rolle übrig lässt, für jene, die die Neigung haben so zu denken. Aber das könnte sich ändern und die Dinge würden für Kreationisten noch um einiges schlimmer werden, Dank Jeremy England, einem jungen MIT Professor, der eine Theorie vorgestellt hat, die auf Thermodynamik basiert und zeigt, dass die Entstehung des Lebens nicht zufällig, sondern notwendig war. „Unter bestimmten Umständen bekommt Materie unausweichlich die physikalische Schlüsseleigenschaft, die mit Leben assoziiert ist.“, wurde er in einem Artikel im Quanta Magazine Anfang 2014 zitiert, der seitdem von Scientific American und erst jüngst von Business Insider wiederveröffentlicht wurde. Im Kern sagt er, dass das Leben selbst sich aus einfacheren, nicht lebenden Systemen entwickelt hat.

Der Gedanke eines evolutionären Prozesses, weitergehend als der des Lebens selbst, ist nicht neu. Tatsächlich gibt es Belege (wie Eric Havelock in „The Liberal Tempers in Greek Politics“ noch einmal berichtet), dass diese Sicht schon von prä-sokratischen Naturphilosophen geteilt wurde, die uns als eines von vielen Dingen auch als erste das Konzept des Atoms gaben. Aber anders als diese oder frühere Vorgänger hat England einen ganz bestimmten, einigenden, überprüfbaren evolutionären Mechanismus im Sinn.

Quanta stellte die Dinge ein wenig mehr in folgendem Licht dar:

Vom Standpunkt der Physik aus gibt es einen essentiellen Unterschied zwischen lebenden Dingen und unbelebten Klumpen von Kohlenstoffatomen: erstere sind wesentlich besser darin, ihrer Umgebung Energie zu entziehen und diese wieder als Hitze abzugeben. Jeremy England, ein 31 Jahre alter Assistenzprofessor am Massachusetts Institute of Technology hat eine mathematische Formel hergeleitet, von der er denkt, dass sie diese Kapazität erklärt. Die Formel, die auf etablierter Physik basiert, zeigt, wenn eine Gruppe von Atomen von einer externen Energiequelle angetrieben wird (wie der Sonne, oder chemischem Brennstoff) und von einem Hitzebad umgeben ist (wie dem Ozean oder der Atmosphäre), dann wird sie sich häufig graduell so restrukturieren, dass sie zunehmend mehr Energie abgibt. Das könnte bedeuten, dass Materie unter bestimmten Umständen unweigerlich die physikalischen Schlüsselattribute erwirbt, die mit dem Leben assoziiert werden.

Das bedeutet nicht, dass wir Leben überall im Universum erwarten sollten – Fehlen einer freundlichen Atmosphäre, oder zu große Entfernung von der Sonne macht den größten Teil unseres Sonnensystems für Leben mit oder ohne Englands Sichtweise unbewohnbar. Aber es bedeutet, dass unter bestimmten Umständen, unter denen Leben möglich ist – wie dies hier auf der Erde offensichtlich der Fall ist – es auch recht wahrscheinlich ist, wenn nicht gar völlig unvermeidlich. Tatsächlich könnte sich das Leben hier auf der Erde gut viele Male unabhängig voneinander entwickelt haben, oder auf einmal, oder beides. Die ersten wirklich lebenden Organismen, könnten hunderte, wenn nicht gar tausende von Brüdern gehabt haben, nicht etwa von einem einzelnen physikalischen Vorfahr geboren, sondern von einem physikalischen System das buchstäblich schwanger war, mit der Möglichkeit Leben zu produzieren. Und gleichzeitige mehrfache Entstehung des Lebens könnte wiederholt stattgefunden haben, zu verschiedenen Zeitpunkten.

Das würde auch bedeuten, dass erdähnliche Planeten, die andere Sonnen umkreisen, eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit böten ebenso Leben zu tragen. Wir haben das Glück, beträchtliche Ozeane zu haben und ebenso eine Atmosphäre – die Hitzebäder, auf die sich weiter oben bezogen wurde – aber Englands Theorie schlägt vor, dass wir auch mit nur einem davon Leben erhalten könnten – und auch mit wesentlich kleineren Versionen davon, genügend Zeit vorausgesetzt. Giordano Bruno, der 1600 wegen Häresie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, war vielleicht der erste, der den Kopernikanismus zu seiner logischen Erweiterung brachte, in dem er spekulierte, dass die Sterne andere Sonnen sein könnten, die von anderen Welten umkreist werden, Welten die von Wesen wie uns bewohnt sein könnten. Seine extreme Minderheitensicht in seiner Zeit, sieht jetzt Dank England besser aus als je zuvor.

Sollte sich Englands Theorie als richtig heraus stellen, wird sie offensichtlich ein epochaler wissenschaftlicher Fortschritt. Aber was auch sehr erfreulich ist, sie wird ebenfalls eine passende Erwiderung auf die lange Zeit irrtümlich von pseudo-wissenschaftlichen Kreationisten gepflegte Behauptung sein, dass die Thermodynamik die Evolution widerlegen würde (z. B. hier), was das genaue Gegenteil dessen ist, worauf die Arbeit Englands zu verdeutlichen angelegt ist – dass die Thermodynamik, die die Evolution antreibt, sogar schon wirkt, bevor das Leben selbst erscheint, und zwar mit einer Logik, die auf der Physik basiert und sich gleichermaßen auf lebende, wie auf unbelebte Dinge anwenden lässt.

Am wichtigsten in diesem Zusammenhang ist der zweite Satz der Thermodynamik, welcher besagt, dass es in jedem geschlossenen System einen Anstieg der Gesamtentropie gibt (grob gesagt ein Maß für Unordnung). Die Zunahme der Unordnung sei das Gegenteil von auf Evolution zurückführbarer wachsender Ordnung, sagen die Kreationisten, ergo – für sie (Ergänzung d. Ü.) ein Widerspruch! Dabei übersehen sie freilich geflissentlich das zentrale Wort „geschlossen“. Es gibt viele vergleichbare Arten, den 2. Hauptsatz der Thermodynamik auszudrücken. Einer davon ist, dass Energie nicht von einem kühleren zu einem wärmeren Körper geleitet werden kann, ohne das dafür extra Arbeit verrichtet wird. Ginsbergs (der Dichter Allen Ginsberg) Theorem drückt es folgendermaßen aus: „Man kann nicht gewinnen. Man kann nicht ausgleichen. Man kann dem Spiel nicht einmal entkommen.“ Obwohl Kreationisten lange gedacht haben, Evolution sei eine Verletzung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, haben echte Wissenschaftler das keineswegs getan. Zum Beispiel schrieb im Jahr 2000 der Physiker Stephen G. Brush für die American Physical Society in „Creationism Versus Physical Science“: „Wie Ludwig Boltzmann vor mehr als einem Jahrhundert geschrieben hat, erlaubt Thermodynamik richtig interpretiert die Evolution nicht nur, sie begünstigt sie.“ Eine einfache Erklärung hierfür kommt aus einem Dokument in dem Unterverzeichnis für Thermodynamik FAQs des TalkOrigins Archive (die erste und die beste Quelle für verlässliche Informationen zur Evolution/Kreationismus Kontroverse), das an einer Stelle erläutert:

Kreationisten missinterpretieren folglich den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, um zu sagen, dass die Dinge sich unweigerlich von der Ordnung zur Unordnung entwickeln.

Jedoch missachten sie dabei die Tatsache, dass das Leben kein geschlossenes System ist. Die Sonne stellt mehr als ausreichend Energie zur Verfügung, um Dinge anzutreiben. Wenn die ausgewachsene Tomatenpflanze mehr Energie haben kann, als der Same, aus dem sie entstanden ist, weshalb sollte jemand erwarten, die nächste Generation von Tomaten könne nicht noch mehr nutzbare Energie haben?

Diese Passage trifft den Kern der Sache. Evolution ist nicht mehr eine Verletzung des zweiten Satzes, als dies das Leben selbst ist. Eine umfassendere, fröhlichere, weniger technische Beschreibung des kreationistischen Missverständnisses und um was tatsächlich geht, kann hier gefunden werden.

Die treibende Kraft des Energieflusses – ob nun von der Sonne oder einer anderen Quelle – könnte etwas zur Bekanntheit verhelfen, das dissipative Strukturen genannt wird, die sich durch den Prozess des Verbrauchs (eigentlich der Umwandlung/Nutzung, Anm. d. Ü.) der Energie, die durch sie hindurch fließt selbst organisieren. Ilya Prigogine, ein in Russland geborener belgischer Chemiker mit Schwerpunkt physikalische Chemie, gewann 1977 den Nobelpreis für Chemie, für seine Arbeit zur Entwicklung dieses Konzept. Alle lebenden Dinge sind dissipative Strukturen, ebenso wie viele nicht belebten Dinge es auch sind – Zyklone, Hurrikane, Tornados zum Beispiel. Ohne explizit den Begriff „dissipative Strukturen“ zu verwenden, ging der obige Abschnitt (aus den Thermodynamics FAQs) folgendermaßen weiter:

Schneeflocken, Sanddünen, Tornados, Stalaktiten, abgestufte Flussbetten und Blitze sind nur einige Beispiele aus der Natur für Ordnung, die aus Unordnung erwächst; keines davon bedarf eines intelligenten Programms, um diese Ordnung zu erreichen. In jedem komplexen System, durch das viel Energie fließt, kann man fast sicher sein, dass man irgendwo die Entstehung von Ordnung im System findet. Wenn Ordnung aus Unordnung den zweiten Satz der Thermodynamik verletzt, weshalb ist sie dann in der Natur so allgegenwärtig?

In sehr realem Sinn hat Prigogines Arbeit den Grundstein dafür gelegt, was England heute tut, weshalb es übertrieben sein könnte, England den Ursprung dieser Theorie zuzusprechen, wie mehrere Kommentatoren bei Quanta hervorgehoben haben. Sie führen andere Urheber (hier, hier und hier) an. Aber schon jetzt scheint England eine Sammlung von analytischen Werkzeugen zusammengestellt zu haben, Hand in Hand mit einem ausgeklügelten multidisziplinären theoretischen Ansatz, der verspricht, viel mehr zu tun, als nur eine Theorie vorzulegen, nämlich ein komplettes neues Forschungsfeld, welches dieser theoretischen Annahme detaillierten Sinn gibt. Und dieses Forschungsfeld beginnt bereits Ergebnisse zu produzieren (Besuchen sie seine Research Group Homepage für weitere Informationen).

Es ist die Entwicklung einer solchen Menge von Forschungsergebnissen, die in besonderer Weise miteinander verknüpft sind, die die Formulierung der Theorie Englands von früheren Formulierungen unterscheiden wird, die noch nicht in erfolgreiche Forschungsprogramme übersetzt wurden, die sich der Überprüfung von Theorien widmen.

Vor allem engagiert sich England, wie auf der oben genannten Homepage beschrieben, für die Verbindung des Verständnisses von Leben und verschiedenen Entwicklungsstufen von Prozessen, die dem Leben ähneln, indem er die Sichtweisen von Biologie und Physik kombiniert.

Lebende Dinge sind gut darin, Information über ihre Umgebung zu sammeln und dazu zu verwenden, mit ihrer Umwelt im Sinne ihres Überlebens und ihrer Replikation zu interagieren. Folglich führt das Sprechen über Biologie unweigerlich dazu, über Entscheidungen, Zweck und Funktion zu sprechen.

Zugleich sind lebende Dinge auch aus Atomen gemacht, die in sich und aus sich selbst heraus keine besondere Funktion haben. Eher zeigen Moleküle und die Atome, aus denen sie aufgebaut sind, genau definierte Eigenschaften, die damit zusammenhängen, wie sie sich durch den Raum und die Zeit voneinander abstoßen, sich zusammen ballen und sich kombinieren.

Das Leben auf der molekularen Ebene zu verstehen, bedeutet letztlich eine Brücke zwischen diesen beiden unterschiedlichen Arten die Welt zu betrachten zu bauen.

Wenn das überzeugend klingt, könnte Ihnen diese einstündige Präsentation seiner Arbeit gefallen (mit Tupfern schwedischen Lokalkolorits) – besonders (aber nicht nur dann) wenn sie von Wissenschaft begeistert sind.

Ob sich Englands Theorie am Ende bestätigt oder nicht, er hat bereits viel dazu beigetragen, diese Brücke zwischen den Sichtweisen auf die Welt zu bauen und andere dazu inspiriert, ähnliche Anstrengungen zu vollbringen. In der Wissenschaft geht es nicht nur darum neue Entdeckungen zu machen, sondern auch darum, die Welt auf neue Art zu sehen – was fast zwangsläufig zu neuen Entdeckungen führt. Und hierbei war England bereits erfolgreich. Wie der Quanta Artikel erklärt:

Englands theoretische Ergebnisse werden allgemein als valide betrachtet. Seine Interpretation – dass seine Formel die treibende Kraft hinter einer Klasse von natürlichen Phänomenen zu denen auch das Leben gehört beschreibt – bleibt unbewiesen. Aber schon jetzt gibt es Ideen, wie diese Interpretation im Labor getestet werden kann.

„Er versucht etwas radikal Anderes,“ sagt Mara Prentiss, Professorin für Physik in Harward, die über ein solches Experiment nachdenkt, seit sie Englands Arbeit kennen gelernt hat. „Als organisierender Fokus, denke ich, hat er eine fabelhafte Idee. Wahr oder falsch, wird es den Aufwand sie zu untersuchen mehr als wert sein.

Kreationisten betrachten sich selbst häufig als demütige Diener Gottes und bezeichnen Wissenschaftler als arrogante, allwissende Rebellen gegen ihn. Aber wieder einmal haben sie alles verdreht, was wenig überrascht. Die Arbeit Englands erinnert uns daran, dass es die Bereitschaft der Wissenschaftler ist, unsere eigene Ignoranz einzugestehen und uns damit zu konfrontieren, statt sie zu verschleiern und zu übertünchen. Und so ergießt sich ein Füllhorn an Wundern über die Welt und bringt uns herausfordernde, erfüllende Aufgaben.

Paul Rosenberg ist ein Autor/Aktivist aus Kalifornien Senior Editor für Random Lengths News und ein Kolumnist für Al Jazeera English; Folgen sie ihm auf Twitter unter: @PaulHRosenberg

Mehr von Paul Rosenberg

Übersetzung: Joseph Wolsing, Manuela Lindkamp

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    Cairsley

    Ex articulo: "Kreationisten betrachten sich selbst häufig als demütige Diener Gottes..."

    Welch ein wunderlich konzentrierter Ausdruck religiösen Wahnsinnes dieser Satz ist! Wenn die Demut die Bereitschaft sei, das Wahre anzunehmen, dann können die Gläubigen diese Tugend nicht wirklich üben, weil sie voraussetzen, dass das Wahre sei, was sie schon als das unfehlbare Wort Gottes angenommen haben. Doch bestehen sie eifrig, dass sie nach der angeblich von oben offenbarten Wahrheit mit aller Demut leben, denn sie sind so bescheiden, dass sie sich nicht wagen, mit eigenen Gedanken jener irrational vorausgesetzten Offenbarung zu widersprechen. Demut (Aufgeschlossenheit, Zugänglichkeit der Wahrheit usw) und Bescheidenheit sind beide lobenswerte Tugenden, aber man kann allzu leicht zu bescheiden werden.

    Antworten

    Neuer Kommentar

    (Mögliche Formatierungen**dies** für fett; _dies_ für kursiv und [dies](http://de.richarddawkins.net) für einen Link)

    Ich möchte bei Antworten zu meinen Kommentaren benachrichtigt werden.

    * Eingabe erforderlich