Schrumpfen die Zähne, wenn ein Mensch eingeäschert wird? Die eher ungewöhnliche Frage soll nun einen alten Streit entscheiden: Haben die Karthager – genereller: die Phönizier, sie gründeten auch Karthago – ihren Göttern Kinder geopfert, und zwar ganz kleine? Nicht erst Flaubert („Salammbô“) traute ihnen Blutigstes zu, schon in der Antike waren sie die Outsider, denen ritueller Kindsmord vorgeworfen wurde: „In der Mitte steht eine Bronzestatue von Kronos, ihre Hände, auf die die Kinder gelegt werden, sind über eine Feuerschale ausgestreckt.
Wenn die Flammen den Körper erreichen, ziehen sich die Gliedmaßen zusammen und der Mund öffnet sich fast wie beim Lachen, bis der Körper ruhig in die Feuerschale fällt.“ So berichtet es etwa 300 v.Chr. der griechische Historiker Kleitarchos.
„Dann ward die Glut im Innern dunkler, und man erkannte brennendes Fleisch. Man hörte das Schreien der Mütter und das Prasseln des Fetts, das auf die Kohlen tropfte.“ So ergänzte Flaubert frei aus seiner Fantasie. War die auch früher am Werk? Gräuelpropaganda ist kein Privileg der Neuzeit, mit ihr hat man immer schon Kriege vorbereitet. Aber es steht eben in so vielen Quellen: „Sie opfern Kronos sogar ihre eigenen Söhne.“ Immerhin wurden die eingeäscherten Reste in Karthago bestattet, auf einem eigenen Friedhof, dem Tophet, dorthin kamen nur ganz kleine Kinder (und Tiere). 370 Urnen wurden in den 1970er-Jahren ausgegraben, 2010 analysierte Patricia Smith (Hebrew University) die Reste, sie konzentrierte sich auf die Zähne: Die waren sehr klein, sie deuteten auf Neugeborene: „Opfer waren sehr wahrscheinlich“, schloss Smith (Antiquity, 85, S.859).
Die Zähne seien viel zu klein, konterte Jeffrey Schwartz (Penns): Sie könnten nur von Kindern stammen, die gar nicht lebend zur Welt gekommen waren (PLoS One, 5, e9177). Nun kommt wieder Smith, sie hat 1422 Zähne näher analysiert, alle zeigen die Einäscherung an der Farbe – und viele auch an der Größe. Denn Zähne, die noch im Wachsen sind, schrumpfen im Feuer um 18 Prozent, man weiß es aus früheren Experimenten. Also wurden die Kinder lebend geboren und dann getötet, die meisten im Alter von zwei bis fünf Monaten, das steht für Smith nun „eindeutig“ fest (Antiquity, 87, S.1191).
Kommentare
Dr. Ulrich Sinn hat in einer Vorlesung dazu mal erzählt, daß die im Bezug auf ein Göttermahl bestatteten Kinder nichts anderes sind als ein "Hallo werter Gott/Göttin, es wäre nett, wenn es zu keiner Totgeburt oder zu keinem frühen Tod eines Säuglings mehr käme.
Ich bestatte den kleinen X oder die kleine Y hier, damit du daran erinnert wirst." (Er benutzte andere Worte). Es wurden also keine Kinder geopfert, sondern es wurden Kinder aus rituellen Gründen mit einer speziellen Bestattung versehen.
Die Geschichte von den Kindern opfernden Phöniziern stammt aus römischen und jüdischen Quellen, die beide Grund hatten die Phönizier zu diffamieren.
Es zählt der archäologische Befund und nicht ein naturwissenschaftliches Detail.
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