Homo-Ehe: Unnatürlich normale Unterschiede

Eine Abrechnung mit den homophoben Strohmännern konservativer Politiker, von Beka Kobaidze, Generalsekretär der Partei der Humanisten.

Homo-Ehe: Unnatürlich normale Unterschiede

Foto von Travis S.

Es gibt gute Gründe, warum sich bestimmte Unterscheidungsmerkmale vor Gesetz und Gericht negativ oder positiv auswirken. Wenn gute Gründe vorhanden sind, handelt es sich nicht um Diskriminierung. Beispielsweise haben alle Menschen das Recht, einen Führerschein zu erwerben. Zehnjährigen Kindern ist das jedoch verboten, weil ihr Alter nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse dafür sorgt, dass sie sich nicht mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr beteiligen können, ohne sich und andere zu gefährden. Die (biologischen) Merkmale müssen sich also direkt auf die Sache (hier: Fahrtauglichkeit) auswirken, damit sie bevorzugt oder benachteiligt werden können, ohne diskriminierend zu sein.

Von einer Diskriminierung würden wir reden, wenn Frauen, Homosexuelle, Rothaarige, Dunkelhäutige oder AfD-Wähler kein Auto fahren dürften. Was man auch immer von diesen Merkmalen halten mag. Sie beeinflussen nicht die Fähigkeit, ein Auto zu fahren – oder zumindest nicht in dem Ausmaß, dass sie die jeweiligen Individuen fahruntauglich machen würden. Davon kann man sogar bei AfD-Wählern ausgehen.

Die „Natürlichkeit“ einer Handlung spielt dabei keine Rolle. Es ist nicht natürlich, sich mit 130 Kilometern pro Stunde zu bewegen. Man könnte sogar argumentieren, dass es nicht natürlich ist, überhaupt zu heiraten und in einer monogamen Ehe zu leben. Hingegen ist es “natürlich”, mit dem Beginn der Pubertät Sex zu haben und schwanger zu werden. Auf Natürlichkeit pochen manche Politiker immer dann, wenn sie glauben, sie stünde auf ihrer Seite.

„Normal“ spielt ebenfalls keine Rolle. Wenn normal ist, was die Mehrheit hat oder macht, sind Rothaarige und Linkshänder nicht normal. Sie dürfen trotzdem heiraten und sogar den Führerschein machen. Ihre Zugehörigkeit zu einer Minderheit spielt bei dieser Sache keine Rolle. Ihre Zulassung zur Führerscheinprüfung bedeutet auch nicht, dass man ihre Unterschiede nicht mehr anerkennt, oder – Gott bewahre – alle Autofahrer zum „Rotschöpfismus“ umerziehen will. Früher wurden sie als Hexen verbrannt, aber heute ist es uns glücklicherweise egal, welche Haarfarbe sie tragen. Scheiterhaufen für Homosexuelle sind heute nicht mehr drin. Aber man betont gerne, dass man sie ja nicht willkürlich verachtet. Man könne ja nichts dafür, dass sie so unnatürlich sind, dass es nicht mehr normal ist und man ja unbedingt unterscheiden müsste, um heteresexuelle Paare nicht in ihrer Natürlichkeit zu diskriminieren.

Um zu heiraten, braucht man die Ehefähigkeit. Dafür sollte man vor allem erwachsen und unverheiratet sein. Spielt das Geschlecht oder die Zeugungsfähigkeit eine Rolle? Nein. Männer können heiraten. Frauen können heiraten. Unfruchtbare können heiraten. Spielt die Geschlechterkombination und die sexuelle Orientierung indirekt durch die (Un-)Fähigkeit, Kinder zu zeugen, eine Rolle? Nein. Ein Beispiel: Wenn man eine GmbH gründen will, muss man nicht nur den Gesellschaftervertrag beim Notar unterschreiben, sondern mehrere weitere Schritte durchgehen, sonst existiert de facto keine GmbH. Wenn ich aber eine Ehe eingehe, muss ich diesen Vertrag nicht durch einen Fruchtbarkeitstest oder durch die Zeugung von Kindern abschließen. Sie ist vorher schon vollständig vorhanden und gültig. Für den Vorgang ist es völlig irrelevant, ob dann noch Kinder folgen (können).

Das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der jeweiligen Individuen, oder die gemeinsame Kombination haben keinen negativen Einfluss auf die Ehefähigkeit, weil die Ehefähigkeit keinen Kinderwunsch oder die gemeinsame Zeugungsfähigkeit voraussetzt. Somit ist die Benachteiligung von Homosexuellen nicht durch die Merkmale begründet und eine inakzeptable Diskriminierung. Außerdem kann man davon ausgehen, dass sich die Homo-Ehe nicht auf das Glück oder die Zeugungsfähigkeit von Hetero-Paaren auswirkt. Da können die Bürger ganz unbesorgt sein.

Erweitern wir die Frage auf Kinder. Dürfen Homosexuelle Kinder erziehen? Bei der Gegenargumentation spielt die sexuelle Orientierung selten eine Rolle. Häufig geht es darum, ob zwei Männer (oder Frauen) Kinder erziehen können. Ein Kind bräuchte ja Mutter und Vater, also Frau und Mann, um (geistig) gesund aufzuwachsen. Auch hier ist die Sache relativ klar. Es gibt keine Beweise, dass zwei Männer (oder Frauen – da macht man sich seltsamerweise weniger Sorgen) Kinder nicht gleich gut erziehen können. Sie tun es ja auch. Kinder werden allein von der Mutter oder vom Vater erzogen, von Vater und Opa (Achtung: zwei Männer), von Geschwistern, von Großeltern – es gibt fast jede erdenkliche Situation und Konstellation. Nichts davon wird durch das Gesetz verboten und in keinem Fall reichen diese Merkmale allein aus, um ihnen die Kinder durch das Jugendamt zu entziehen.

Der Unterschied besteht nur darin, dass zwei gleichgeschlechtliche Menschen auch als verheiratetes Paar vom Gesetz als Eltern für die gemeinsam erzogenen Kinder anerkannt werden. Wären die Merkmale relevant, würde der Staat jetzt schon eingreifen. Er tut das z. B. bei einem Zwölfjährigen, der alleine seinen jüngeren Bruder erziehen will. Er tut das nicht bei einem alleinerziehenden Vater, auch wenn der Bruder oder der Großvater mit in der Wohnung lebt und bei der Erziehung hilft. Darüber macht sich das Jugendamt keine Sorgen. Wir erinnern uns nicht an Nachrichten über vom Jugendamt vertriebene Großväter von alleinerziehenden Vätern, um das Kind vor der Erziehung durch zwei erwachsene Männer zu schützen.

Warum bekommen manche Politiker dann Schnappatmung, wenn die zwei erziehenden Männer schwul und verheiratet sind? Warum ist es dann plötzlich ein Problem für Hetero-Ehen und eine Gefahr für Kinder? Weil die Abwehrhaltung irrational ist. Weil es die Homosexualität selbst ist, die sie stört. Weil sie jeden Schritt verhindern wollen, der dazu führt, dass Homosexuelle als “normale” Mitglieder dieser Gesellschaft akzeptiert werden. Dabei ist es egal, ob die Ungerechtigkeit durch konservative oder fundamentalistische Ideologien motiviert sind, oder die Gegner sich einfach nicht mit dem gesellschaftlichen Wandel abfinden können. Wir müssen uns dieser Homophobie entschieden entgegenstellen!

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