Humanismus als letzte Chance des Islams? (1)

Hamed Abdel-Samad und Prof. Dr. Mouhanad Khorchide trafen sich im Trubel der Buchmesse Frankfurt, um ihre neuen Bücher vorzustellen. Der hpd führte bei dieser Gelegenheit mit beiden ein ausführliches Exklusivinterview. Es ging dabei wesentlich um die Frage, ob es den von Prof. Khorchide propagierten islamischen Humanismus – also einen Humanismus mit Gott – überhaupt geben könne. Das Interview führte unser Autor Bernd P. Kammermeier.

Humanismus als letzte Chance des Islams? (1)

Gang rauf, Gang runter. Gefühlte hundertmal. Ich kenne Gang E in Halle 3.1 inzwischen besser als meine Westentasche. Das Treffen der beiden Schwergewichte in der Islamdebatte musste noch zwischen den Verlagen Droemer Knaur und Herder feinabgestimmt werden – eingebettet in viele Termine, Interviews und Sicherheitsbedenken. Mouhanad Khorchide, Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Münster, wirkt smart wie immer, freundlich, unaufgeregt und in freudiger Erwartung des Rededuells mit Hamed Abdel-Samad. Auch dieser, von Hause aus Politologe und Autor, wirkt trotz seiner angespannten Sicherheitslage erstaunlich aufgeräumt.

Hameds Verlag Droemer Knaur stellt uns einen Raum zur Verfügung, der uns vor dem Trubel der Buchmesse schützt. Es ist einer dieser Serviceräume auf Messeständen – karg und eng -, die einen spontan hoffen lassen, dass alle Deo benutzt haben. Die Security vor der Tür gibt uns - vor allem Hamed – ein Gefühl der Sicherheit. So kann er für eine gewisse Zeit seine schusssichere Weste ablegen. "Man schwitzt sehr darunter", meint der Politologe schicksalsergeben. Dies rückt uns das thematische Umfeld unseres Gesprächs beklemmend nah: der Islam mit seinen Schattenseiten. Trotz all dieser Einschränkungen seines Lebens wegen einer ägyptischen Fatwa ("scharia-gerichtliche" Morddrohung) im Jahr 2013, so betont es Hamed, fühle er sich freier im Denken, als Theologen.

In entspannter Atmosphäre geht es los. Ich gebe das folgende Gespräch vollständig wieder, aber sprachlich ohne Inhaltsänderung leicht korrigiert, da meine Gesprächspartner zwar extrem kompetent und redegewandt, aber keine deutschen Muttersprachler sind.
 

hpd: In Ihren neuen Büchern "Mohamed – eine Abrechnung" und "Gott glaubt an den Menschen" stellen Sie beide den Islam von zwei konträren Standpunkten aus vor. Würden Sie bitte kurz ausführen, worin Sie den wesentlichen Unterschied zwischen Ihren Positionen sehen?

Prof. Mouhanad Khorchide (MK): Es ist die Lesart. Ich habe eine humanistische Lesart des Islams, so wie es im Untertitel des Buches steht, und Herr Hamed Abdel-Samad hat eine andere Lesart. Mein Anliegen ist, mich stark zu machen für eine positive, für eine humanistische Lesart des Islams und die möglichst unter Muslimen zu verbreiten, damit dieses Bild ein Mainstreambild vom Islam wird, auch in der Mehrheitsgesellschaft. Damit man sieht: es gibt eine andere Lesart des Islams. Das ist mein Anliegen.

Hamed Abdel-Samad (HAS): Ja, es ist eine Lesart. Mouhanad Khorchide versucht eine Phase des Islams oder des Propheten hervorzuheben und eine (andere) Phase im historischen Kontext zu begraben. Ich finde, dieses Anliegen ist legitim. Es ist nicht der authentische Islam, sondern der am Humanismus orientierte Islam. Ich hoffe auch, dass sich das Konzept durchsetzt und deshalb unterstütze ich auch seine Bemühungen in seinem Kampf auch mit reaktionären Kräften, die genau das unterbinden wollen, weil sie ja den wirklich authentischen Islam [er kann ein Lachen nicht unterdrücken] weiterhin in der Theologie und im Islamunterricht vertreten wollen. Ich will nicht das Positive hervorheben und das Negative ausblenden, sondern ich will die menschliche Entwicklung von Mohamed zeigen.

Auch in meinem Buch zitiere ich diese friedliche Phase und das ist auch die Legitimation, dass sich friedliche Muslime zu Recht auf diese friedlichen Passagen berufen. Aber die islamische Theologie sollte auch berücksichtigen, dass die späteren Suren des Korans die früheren Suren getilgt oder abrogiert, also außer Kraft gesetzt haben. Das heißt, wenn es früher im Koran hieß "Es gibt keinen Zwang im Glauben", dann heißt es in späteren Passagen: "Tötet die Ungläubigen, wo auch immer ihr sie findet" oder "Die Religion bei Allah heißt Islam". Und das ist nicht nur irgendein Text, sondern ein Text in einem Kontext. Der wurde durch Taten des Propheten auch bestätigt. Sein Werdegang war nicht nur friedlich, sondern er hatte Frieden gepredigt, als er keine Armee hatte. Seine Botschaft war nicht mehr friedlich, als er eine Armee bekam und sich in dieser Kriegslogik verwickelte. Diese gewaltverherrlichenden Passagen – 206 an der Zahl aus den späteren Suren - prägen natürlich den Islamismus von heute und liefern auch eine Legitimation für diese Gewalt.

Ich glaube auch nicht, dass sie den Koran dafür missbrauchen, sondern nur gebrauchen, denn er liefert ja nicht nur diese Texte, sondern auch die historischen Beispiele und das Vorbild des Propheten. Darin unterscheiden wir uns, weil Mouhanad Khorchide das pädagogisch Positive daraus nehmen wird und ich das Ganze in diesem Kontext zeige und sage: Nein! Ich glaube, jemand, der Kriegsgefangene enthaupten ließ, und jemand, der von Kriegsbeute gelebt hat, eignet sich eigentlich nicht, um aus seinem Vorbild eine humanistische Lehre zu entwickeln.

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