Auch im letzten Teil des Exklusivinterviews mit Hamed Abdel-Samad und Prof. Dr. Mouhanad Khorchide wird deutlich, dass die Koran-Exegese der beiden Autoren deutlich unterschiedlich ausfällt. Einig sind sie sich jedoch darin, dass sie in einer humanistischen Gesellschaft leben wollen.
hpd: Auch Punkt 3 der Gründungserklärung hat mich irritiert. Wie kann ein unveränderter Koran in seinem historischen Kontext und gleichzeitig mit den Augen der Moderne gesehen werden, wenn er vielen als das letzte Wort Gottes gilt? Mohamed sei ja das Siegel der Propheten gewesen. Wäre die dazu notwendige Umdeutung nicht willkürlich oder gar korrupt, wie es der Soziologe und Philosoph Hans Albert in Bezug auf christliche Hermeneutik bezeichnete?
Mouhanad Khorchide (MK): Wie gesagt: Wenn das eine menschliche Projektion von außen ist und ich herkomme und sage: Es ist nicht mehr cool, den Koran so zu lesen; es ist cool ihn humanistisch zu lesen. Das wäre eine menschliche Projektion. Wenn ich aber in meiner Vorgehensweise versuche - wie Herr Abdel-Samad zu Recht erkannt hat -, dass ich vom Text ausgehe, um den Selbstanspruch zu erfüllen, indem ich sage, das ist das, was der Koran an sich als Anspruch stellt und sagt: "Ich bin eine Botschaft der Barmherzigkeit", dann ist das keine Projektion, keine Selektion, sondern ein hermeneutischer Schlüssel, mit dem ich versuche den Koran, die prophetische Tradition und den Islam überhaupt zu lesen und daraus konsequent eine ganze Theologie zu entwickeln.
hpd: Falls sich Ihr islamischer Humanismus verbreiten könnte: Wie erreicht man, dass niemand in Zukunft den Koran als Begründung einer menschenverachtenden Tat nutzt, wenn nur die Lesart, aber nicht die Quelle verändert wird?
MK: Genau, wie man es geschafft hat, mit der Bibel umzugehen und Christen heute sehr friedlich leben und die Menschenwerte bejahen, obwohl im Alten Testament viel Grausameres und Gewalt bejahendes steht, als im Koran.
Hamed Abdel-Samad (HAS): Genau hier sehe ich das Problem: In dem man den Koran als das unveränderbare Wort Gottes auch theologisch zementiert und diesen Anspruch beibehält, macht man es unmöglich, dass diese Lesart, die Sie wünschen, Geltung gewinnt, denn Sie nehmen einen Satz aus dem Koran und behaupten, das ist der Anspruch Gottes. Sie nehmen die Basmala (Die Anrufungsformel [Im Namen Allahs, des …] am Beginn von 113 Suren), die eigentlich kein Vers aus dem Koran ist, sondern dazukommt.
MK: Das kommt auf die Schule an. Manche sehen es als Teil des Korans.
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