Intelligent Design 2.0 - Teil 4: Das Hintertürchen

Bereits die Vordenker des frühen Christentums haben sich nicht gegen die Logik der antiken Philosophie gewendet, sondern sie durch Scholastik, Apologetik und Sophisterei – also durch Zurechtbiegen der Logik – integriert und zur Theologie ausgeformt. Was damals mit der Philosophie geklappt hat, wird nun auch mit der Biologie und den anderen Wissenschaften ausprobiert. In kleinen aber steten Schritten wird der "Dialog" bemüht, der unüberwindbare Gegensätze zwischen Wissenschaft und Glauben verschmelzen soll.

Intelligent Design 2.0 - Teil 4: Das Hintertürchen

Begriffe wie Gottesgen, Gottesteilchen, Neurotheologie und Natur des Glaubens sind das Hintertürchen einer erneuten Vereinnahmung durch Wortspielereien.

Wunschdenken

Auf der einen Seite wird versucht, der Bevölkerung zu suggerieren, dass alle Menschen in Wirklichkeit an irgendetwas glauben würden und von Natur aus religiös seien [Blume 2009]. Manche behaupten zudem, dass auch Atheisten auf höhere Wesen vertrauen und diese bei Gelegenheit sogar heimlich anbeten. Doch sie würden dies niemals zugeben. Stattdessen würden sie aus Hass über die Kirchen und die Religionen alles abstreiten.

Da viele Atheisten mittlerweile glaubhaft versichern konnten, dass sie nicht irgendwelche personifizierten Götter um Hilfe oder Geschenke anflehen, verwendet das Intelligent Design 2.0 neue Analogien, um ihnen einen religiösen Glauben zu unterstellen. Etwas subtiler ist nun von Konzepten, wie zum Beispiel den Menschenrechten, die Rede, an welche auch Atheisten glauben würden. Unterstellt wird auch, dass Naturalisten an gesellschaftliche Ideologien mit einem paradiesischen Endzustand sowie an Führer, wie Mao, Lenin oder Che, glauben würden. Von Quasi- oder politischen Religionen wird gesprochen. Selbst Begräbnisrituale werden von Gläubigen automatisch als quasi-religiös eingestuft. Alles wird so interpretiert, als ob der religiöse Glauben an Konzepte angeboren sei und lediglich in verschieden Facetten ausgelebt würde. Alter Wein in neuen Schläuchen.

Ärgerlich ist zunächst die altbekannte Sophisterei mit dem Begriff "glauben". Glauben bezeichnet im Deutschen als Prozess sowohl ein Teil des Denkens, im Sinne eines Vermutens (Verb), als auch das Ergebnis dieses Prozesses, im Sinne von Vermutung (Substantiv). Religiös motivierte Wissenschaftler verwenden beide Begriffe zudem in Kurzform für den religiösen Glauben, also für Fehlassoziationen. Denn das bewusste Weglassen der Erklärung “religiöser Glaube” führt zu den Missverständnissen, die für die unredliche Argumentation erwünscht sind. Ein Begriff, wie "Natur des Glaubens", lässt sich also immer so drehen und wenden, wie es gerade gebraucht wird, und ist somit nicht zu falsifizieren, also außerhalb der Wissenschaft.

Und was sagen diese Analogien wirklich aus? In erster Linie sagen sie etwas über die fehlenden biologischen Grundkenntnisse sowie die mangelnde Logik der betreffenden religiös motivierten Wissenschaftler aus. Alle Lebewesen möchten dem Selektionsdruck entweichen und in Zuständen mit uneingeschränktem Ressourcenzugriff leben. Das Paradies ist ein realer irdischer Wunsch, den es zu verwirklichen gilt. Und da alle sozial lebenden Tiere Spielregeln des Miteinanders kennen, sind die Menschenrechte nichts anderes als postulierte Ideale, die dem bestmöglichen Miteinander entsprechen.

Auch Alphatiere haben in Gruppen Aufgaben und sollen Wünsche erfüllen. Selbst Schimpansen und Elefanten verabschieden sich von toten Artgenossen. Die konkreten biologischen Tatsachen bilden die Vorlage für den Wunsch, etwas besser zu machen. Denn Utopien sind kein religiöser Glaube, sondern basieren auf der Fähigkeit, sich eine bessere Zukunft imaginieren zu können. Die Vorstellung eines Himmels basiert hingegen auf der Fehlassoziation mit dem infantilen und egozentrischen Wunsch, dass die biologischen Vorteile für alle Ewigkeit und nur für die "Guten" erhalten bleiben sollen.

Was die beiden großen Kirchen in Deutschland dazu sagen, wenn hier religiös motivierte Ketzer das Leben vor und nach dem Jüngsten Gericht auf eine Stufe stellen, ist nicht bekannt. Wissenschaftlich gesehen werden jedoch bei dieser Analogie Gleichungen mit unterschiedlichem Gültigkeitsbereich mit einander gleich gesetzt. Denn vor dem Tod ist nicht nach dem Tod. Ein fataler logischer Fehler, nicht nur im wissenschaftlichen Sinne.

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