Für immer und ewig leben, unter den besten Bedingungen für Primaten, 70 Jungfrauen dazu, an der Rechten Gottes mit herrschen und alle Feinde ins Fegefeuer stecken. Paradies, Himmel und Hölle sprechen die primitivsten Egoismen in uns an. Aber stimmt auch die Aussage "Religionen – und nur Religionen – vermögen Menschen in ausreichender Zahl zu einem Verzicht zu bewegen, den Familien mit mehr als zwei Kindern bedeuten" [Blume 2014]?
Wird davon ausgegangen, dass die verantwortlichen Religionswissenschaftler nicht "die Religionen" allgemein, sondern einzelne Glaubensinhalte bestimmter Religionen meinen, die auf das Fortpflanzungsverhalten von Menschen wirken können sollen, dann - und nur dann - ist dies überhaupt eine Betrachtung wert. Bestimmt ein Glaubensinhalt unser Verhalten, oder unser Verhalten den Glaubensinhalt?
Glaubensinhalte zur Verhaltensänderung?Betrachten wir als Beispiel zunächst ein Blatt. Für ein Kind ist dies ein grünes Indiz für eine Pflanze, für einen Abiturienten der Ort der Photosynthese, für einen Vordiplomer 3 Wochen Biochemiebüffeln und für einen Außerirdischen wäre es ein Hinweis auf die Zusammensetzung der Erdatmosphäre, der Gravitationsstärke und somit auf die Größe unseres Planeten sowie dessen Abstand zur Sonne. Die relevante Information liegt folglich nicht im Blatt. Dies ist nur eine Datenmenge, die entsprechend des Vorwissens interpretiert und gelesen werden kann.
Diese Datenmenge zwingt uns nicht, eine bestimmte Information zu entnehmen. Es ist unser Gehirn, welches gemäß seinem Vorwissen in die Datenmenge hineininterpretiert und sich fragt, ob einige der erkannten Informationen aktuell interessant sind. Berührt diese Interpretation ein Grundthema der Evolution (Essen, Trinken, Schutz, Sex, etc.) oder ein momentan favourisiertes Interesse des Organismus (z.B. Teenager-Themen, Karriere, Idole, etc.) so löst dies eine emotionale Antwort des Körpers aus, dass wir Daten zu unserer möglichen Befriedigung gefunden haben.
Es ist diese emotionale Antwort auf eine mögliche Befriedigung, die uns nahelegt, dieses Glück mit Artgenossen zu teilen und uns "zwingt" die Datenmenge zu replizieren, um eventuell noch mehr Informationen zu diesem Thema zu bekommen. Dies geschieht jedoch nicht exakt nach Vorlage, sondern nach den Kriterien, die wir nach unserer eigenen Interpretation für relevant halten. Ist das Thema kompliziert, spielen wir stille Post und geben das weiter, was wir verstanden haben. Ist das Thema durch einen Allgemeinbegriff zu erklären, so verwenden wir diesen. Aber auch diese Weitergabe geschieht nach den jeweiligen Interpretationen von Sender und Empfänger, so dass wir Variationen der Datensätze wahrnehmen.
Es sind folglich nicht Glaubensinhalte, die Menschen zu einer erhöhten Reproduktion bewegen. Sondern Menschen, die sich vermehrt fortpflanzen wollen, lesen aus den säkularen oder religiösen Datensätzen die Informationen heraus, die ihr biologisches Verhalten rechtfertigen und damit positive Gefühle wecken. Nicht Religionen machen mehr Kinder, sondern kinderwillige Menschen suchen u.a. religiöse Rechtfertigungen und schließen sich vermehrt den Gruppen an, die ihr biologisches Verhalten gutheißen. Entsprechende Glaubensinhalte sind somit eine kulturelle Folgeerscheinung.
Spätestens die neuzeitliche Anpassung der christlichen Glaubensinhalte hin zu fast esoterischen Light-Versionen macht deutlich, dass nicht die Religionen die Gesellschaft, sondern die Lebensbedingungen das Überleben der Glaubensinhalte bestimmen. Die Päpste können ein Lied davon singen, wie häufig sie schon ihre unumstösslichen Dogmen und letztgültigen Wahrheiten den neuesten Gesetzen und "ehelichen" Realitäten zu den Scheidungen anpassen mussten. Und die "Hölle" ist zur Zeit halt voll out, während Homöopathie und Yoga im Kommen sind. Wo diese Einsicht nicht gegeben ist, herrscht Austrittsmentalität.
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