Kann Denken die Realität ändern?

Ich liebe die Dokumentarserie „The Day the Universe Changed“ von James Burke. Es ist eine Fortsetzung seiner ebenso guten Serie Connections (ich weiß, sie haben ihre Kritiker, aber alles in allem sind sie sehr gut). Der ursprüngliche Name ist eine Metapher – wenn sich unser Modell für die Realität verändert, verändert sich auch das Universum. Als wir glaubten, die Erde sei bewegungslos im Zentrum des Universums, war dies unsere Realität.

Aber Burke hat nicht behauptet, dass sich die Natur des Universums tatsächlich geändert hat. Denken alleine kann die externe Realität nicht verändern. Das ist magisches Denken.

Solches Denken stellt jedoch den Kern vieler spiritueller New-Age Behauptungen dar. Das Geheimnis „des Geheimnisses“ ist, dass du deine Welt durch wünschen ändern kannst. Befürworter solcher Ideen suchen verzweifelt nach wissenschaftlicher Bestätigung ihrer Grundannahme. Solch ein Beweis existiert nicht. Tatsächlich zeigt über ein Jahrhundert solcher Forschung recht schlüssig, dass es in unserer Welt einen solchen Effekt in keinem nennenswerten Maß gibt.

Ein neuer Artikel, der behauptet, es gäbe einen solchen Beweis, hat die Runde in den sozialen Medien gemacht: „10 wissenschaftliche Studien, die beweisen, dass Bewusstsein unsere physisch materielle Welt verändern kann“. Nach blumigem östlichen Mystizismus und dem eher unnötigen Missbrauch des Andenkens Nikola Teslas gibt der Autor eine kurze Zusammenfassung dessen, was für zehn Beweislinien gehalten wird, die die Vorstellung unterstützen, dass Bewusstsein die physische Realität ändern kann. Man würde Postings in voller Länge brauchen, um jede dieser zehn Behauptungen angemessen zu widerlegen; ich werde hier jedoch nur eine kurze Zusammenfassung geben.

1 – Quanten Doppelspalt-Experiment

Es war klar, dass dies auf der Liste stehen muss. Die Behauptung ist, dass das klassische Doppelspalt-Experiment beweist, dass das Bewusstsein die Realität auf einer fundamentalen Ebene beeinflusst. Licht (oder andere Elementarteilchen, selbst kleine Atome), das durch einen Spalt geht, erscheint auf der anderen Seite als Fleck, als würden sich die Lichtpartikel auf der anderen Seite des Schlitzes einfach anhäufen. Wenn jedoch zwei benachbarte schmale Schlitze geöffnet sind, sehen wir nicht zwei Lichtflecke, sondern eher ein Interferenzmuster, als würde sich das Licht wie Wasserwellen bewegen, die sich gegenseitig beeinflussen, wenn sie durch die Schlitze gehen. Das ist das zentrale Experiment, das den Welle-Teilchen-Dualismus von Licht demonstriert – es bewegt sich wie eine Welle, interagiert dann aber wie Partikel.

Diese Experimente werden häufig zu der Behauptung verzerrt, dass die Versuchsleiter hinsehen müssen, dass also ihr Bewusstsein Auswirkung auf das Ergebnis hat. Das ist jedoch schlicht nicht wahr. Alles, was nötig ist, ist ein Detektor, der physisch mit den Partikeln interagiert. Die „Messung“ zwingt die Wellenfunktion dazu, zu Partikeln zu zerfallen.

2 – Regierungsfinanzierte Psychokinese-Experimente

Behauptet wird, dass von Regierungen durchgeführte Experimente die Fähigkeit aufgezeigt hätten, Löffel und Gabeln mit dem Verstand zu verbiegen. Die Links, die als Referenz bereitgestellt werden, belegen diese Behauptung jedoch nicht. Das ist natürlich ein Schema des Artikels: Links angeben, die den Anschein des Beweises liefern, ohne dass sie die Behauptungen, auf die sie sich beziehen, belegen. Zum Beispiel verlinkt der Autor zu einem Regierungsbericht über Teleportation. Die „Studie“ ist jedoch kein Experiment, sondern nur eine die Fakten darstellende Zusammenfassung. Sie befasst sich hauptsächlich mit Quantenteleportation und hat in Wirklichkeit nichts mit Psychokinese zu tun. Aber der Autor erzählt uns, dass sie zeigt, dass das Thema ernst genommen wird. Die US Regierung hat Millionen in die Erforschung psychischer Phänomenen investiert, aber das legitimiert sie noch nicht. Außerdem führte ihr Bemühen zu nichts.

Das Verbiegen von Löffeln ist ein klassischer Zaubertrick. Jeder skeptische Magier, den ich kenne, beherrscht ihn. Projekt Alpha hat gezeigt, dass selbst untrainierte Kinder Wissenschaftler mit vorgetäuschtem Löffelbiegen in die Irre führen können.

Psychisches Löffelbiegen, wurde nie unter Beobachtungsbedingungen demonstriert, die die Möglichkeit des Betrugs ausschalten. Wäre dies geschehen, hätte der Autor zu der Referenzquelle verlinkt. Aber sie existiert nicht.

3 – Das „Global Consciousnes“ Experiment/Zufallszahlengenerator

Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit „Data-mining“ („Extraktion signifikanter Daten aus einer großen Datenmenge“ [Anm. d. Übers.], p-hacking [eventuell unbewusste Beeinflussung von Experimenten, um den Wert der Ergebnisse nicht unter die statistische Signifikanz sinken zu lassen, Anm. d. Übers.] und Mustererkennung. Die Forscher in Princeton kreierten ein physikalisches System, das Zufallszahlen erzeugt. Sie ließen es laufen und erzeugten gewaltige Mengen an Zufallszahlen. Dann suchten sie in diesen Zufallszahlen nach Ketten von Zahlen, die – auf welche Art auch immer – von der statistischen Zufälligkeit abweichen. Diese setzten sie in Beziehung zu Weltereignissen. Das Problem hierbei ist, dass das Experiment auf Data-Mining und Datenauslese ausgelegt ist. Außerdem sind die Kriterien offen – man kann von jeder beliebigen globalen Begebenheit sagen, dass sie mit jeder Abweichung von statistischer Beliebigkeit korreliert. Natürlich ist die Datenbasis zufällig, aber wenn man ohne Begrenzung in den Daten suchen kann, kann man Ketten von offensichtlicher Nicht-Zufälligkeit finden. Genau darum geht es beim Data-mining.

Die Ergebnisse solcher Experimente sind auch winzig, zeigen eine inverse Beziehung zur Datenmenge und sind heterogen (was bedeutet, dass es kein klares Muster gibt). Das weißt alle Eigenschaften von p-hacking auf. Es wurde auch nahe gelegt, dass ein wenig Befangenheit bei der Veröffentlichung alles sein könnte, was nötig ist, um solch grenzwertige Ergebnisse zu produzieren.

In anderen Worten – solche Experimente sind sehr gut damit zu vereinbaren, dass es keine Effekte von Bewusstsein auf Zufallszahlengeneratoren gibt. Auf mehr können sich Unterstützer dieser Theorie jedoch nicht stützen.

4 – NSA/CIA Experimente zur Fernwahrnehmung in Verbindung mit der Stanford Universität

Fernwahrnehmung oder Hellseherei ist die Fähigkeit, Dinge zu sehen, die sich an anderen Orten befinden. Der Autor ist offenbar von der reinen Tatsache, dass die Regierung Forschung in Fernwahrnehmung finanziert hat, sehr beeindruckt und behauptet, dass diese viele Male bewiesen und demonstriert worden ist.

Die Wirklichkeit ist jedoch eine ganz andere. Wie alle Forschungsparadigmen für angebliche psychische Phänomene tendierten die Aufzeichnungen der Experimente zur Fernwahrnehmung dazu, anfänglich beeindruckende Ergebnisse zu zeigen, aber als die Versuchsanordnung verschärft wurde, um Täuschungen oder Beeinflussungen zu verringern, reduzierten sich die Ergebnisse auf das Level bloßen weißen Rauschens.

Im „Sceptics Dictionary“ gibt es eine hervorragende Rezension der gesamten Ganzfeld-Affäre. Die Kurzversion ist, dass nur 55% der Ganzfeld-Experimente positiv waren, und nachdem die auf fatale Weise fehlerhaften Studien eliminiert wurden, nur 31% positive Experimente übrig sind.

Man muss Metaanalysen verwenden, um positive statistische Ergebnisse zu bekommen, und diese müssen immer rückläufig sein. Die Metaanalyse von Wiseman et al. war im Wesentlichen negativ, aber selbst die begünstigenden Studien hatten ein rückläufiges Ergebnis hinunter bis zu etwa 28% (wobei 25% Zufall bedeutet).

Die Befürworter von ESP konzentrieren sich auf frequentistische Analysen, die besagen, wie unwahrscheinlich es sei, dass diese Ergebnisse allein auf Zufall beruhen. Jedoch entgeht ihnen dabei der Punkt – solch geringe Ergebnisse bewegen sich im Bereich des prozeduralen Rauschens (wenn nicht gar im Rauschen der Statistik). Es ist schwierig bis unmöglich, Einflüsse des Prozesses derart zu beseitigen, dass winzige systematische Effekt nicht durchdringen können.

Darüber hinaus ist Metaanalyse eine schwache Form der Datenanalyse, da sie neue Einflüsse hinzu bringt und prozedurale Beschränkungen nicht bereinigt. Was wir nicht haben, sind wiederholbare und strenge Studien, die klare und signifikante Resultate zeigen.

Es gilt auch im Hinterkopf zu behalten, worüber wir hier sprechen – es soll erraten werden, auf welches von vier Zielen der „Sender“ schaut. Die CIA hat ihre ESP Forschung abgebrochen, weil sie zu dem Schluss kam, dass sie nutzlos ist. Niemand kann mit Hilfe der Fernwahrnehmung ein einziges Wort lesen. Sie können nur ein ganz klein wenig besser als zufällig (und nur mit Metaanalyse) Multiple Choice Fragen über mögliche Ziele erraten.

Das ist alles weit davon entfernt, anomale Erkenntnis zu beweisen, aber etwas Besseres haben PSI-Befürworter nicht.

5 – Gedanken und Intentionen verändern die physische Struktur von Wasser

Hier wird behauptet, dass Wasser, wenn es „guten Intentionen“ ausgesetzt wird, dazu gebracht wird, beim Gefrieren symmetrische und ästhetisch ansprechende Eiskristalle zu formen und Wasser, das schlechten Intentionen ausgesetzt wird, armselige und hässliche Kristalle formt.

Hier beziehen sich die Befürworter hauptsächlich auf Experimente von Masaru Emoto, ein alternativer Heiler, der davon ausgeht, dass Schwingungen der Schlüssel zu Heilung sind. Emotos Forschungen sind jedoch völlig wertlos. Es handelt sich um kein Doppelblindexperiment, bei dem er die Intentionen, denen das Wasser ausgesetzt wurde, nicht kennt - und sucht deshalb nach genau jenen Kristallen, die seine Schlussfolgerungen unterstützen. Tatsächlich sind seine Bilder hässlicher „Kristalle aufgrund schlechter Intentionen“ überhaupt keine Wasserkristalle.

Ein einziger, dem Übernatürlichen gegenüber freundlich gesinnter Forscher, der unglaubwürdige Ergebnisse mit Hilfe undurchsichtiger Protokolle produziert, ist kaum ein zwingender Beweis. Deshalb versichert uns der Autor, dass die Experimente von einem „richtigen“ Wissenschaftler wiederholt wurden. Er bezieht sich natürlich auf Dean Radin.

Radin hat alle möglichen angeblich positiven Untersuchungen zu PSI-Phänomenen gemacht, ist aber nie wirklich in der Lage, Ergebnisse zu produzieren, die ernst genommen werden können oder von anderen objektiven Wissenschaftlern reproduziert werden können.

In seiner Studie zu Eiskristallen vergleicht er Wasser, welches positiven Intentionen ausgesetzt wurde, mit einer nahen und einer distanzierten Kontrollgruppe. Hier sind die Ergebnisse:

Wie man sehen kann, war die distanzierte Kontrollgruppe ein wenig besser als das mit Intentionen behandelte Wasser, und beide waren besser als die nahe Kontrollgruppe. Dies ist die Sorte widersprüchlicher Daten, die Radin zu produzieren neigt und dann als positiv erklärt, wobei er sich auf die statistische Unwahrscheinlichkeit dieser speziellen Ergebnisse beruft.

Natürlich haben wir keine Ahnung, wie viel p-hacking stattgefunden hat – mit der Freiheit des Forschers spielend, bis einige Ergebnisse, die als positiv interpretiert werden können, aus den Daten herausgequetscht wurden. Die Ergebnisse sind auch heterogen - womit dann zu rechnen wäre, wenn man aus einem Datensatz mit zufälliger Streuung auf jenen Teilbereich der Daten fokussiert, den man so aussehen lassen kann, als wäre er positiv.

Unterm Strich sind diese Daten absolut nicht überzeugend und wurden nicht unabhängig reproduziert, mit rigorosen Kontrollen von einem Wissenschaftler, dem nicht massiv etwas daran liegt, PSI-Phänomene zu beweisen.

Schlussfolgerungen

Ich muss hier nach den ersten 5 Beispielen unterbrechen, und den Rest in Teil 2 besprechen. Es dauert immer länger, Unsinn zu widerlegen, als ihn zu formulieren.

Das Muster hier sollte jedoch bereits offensichtlich sein. Befürworter von PSI-Phänomenen und der Vorstellung, dass Gedanken direkt die externe Realität beeinflussen können, neigen dazu zu behaupten, dass das Grundphänomen durch wissenschaftliche Untersuchungen demonstriert wurde. Sie tragen jedoch immer die gleiche armselige Liste von Beispielen vor, um ihre Behauptungen zu belegen.

Unter scharfer Beobachtung erweist sich diese Behauptungen als fadenscheinig. Sie basieren auf schlechten Studien und dubiosen Ergebnissen.

Was es nicht gibt, ist ein einziges Forschungsparadigma, welches alle folgenden Eigenschaften gleichzeitig demonstriert:

1 – statistisch signifikante Ergebnisse

2 – ein erkennbares Signal gegenüber dem statistischen Rauschen (womit eine gute

     „Effektgröße“ gemeint ist)

3 – rigorose Methodik

4 – unabhängig reproduzierbare, beständige Ergebnisse.

Man kann ein oder zwei gleichzeitig bekommen, oder unterschiedliche Eigenschaften in unterschiedlichen Experimenten nachweisen, aber nie alles zusammen. Das liegt daran, dass man nur dann alle Punkte zugleich bekommt (ohne zu betrügen), wenn das untersuchte Phänomen auch real ist.

Was wir wirklich von Befürwortern von PSI-Phänomenen sehen ist, dass die Schwelle für das, was sie als annehmbaren Beweis betrachten, entweder extrem niedrig oder höchst selektiv ist.

Natürlich beschuldigen sie Skeptiker, Standards zu haben, die zu hoch sind, oder gegenüber PSI-Phänomenen negativ eingestellt zu sein, aber das liegt nur daran, dass sie Wissenschaft nicht verstehen. Die Schwelle für Anerkennung, die ich oben beschreibe, ist der Standard der Wissenschaft. Das einzige, was angepasst werden kann, ist die Plausibilität der Behauptung, die aufgestellte wird. Je extravaganter die Behauptung, desto höher die Schwelle des Beweises, der die Gemeinde der Wissenschaftler davon überzeugen würde, die Behauptungen ernst zu nehmen.

PSI-Forscher sind nirgends auch nur in der Nähe der Schwelle, auch wenn ihre Behauptungen nicht die Gesetze der Physik brechen würden.

Fortsetzung folgt.

Steven Novella  ist klinischer Neurologe an der Yale University School of Medicine; er ist Mitbegründer und Präsident der New England Skeptical Society und betreibt den NeuroLogica Blog, der sich vor allem den Themen Wissenschaft, Skeptizismus, Neurowissenschaft und kritisches Denken widmet.

Übersetzung von: Joseph Wolsing, Daniela Bartl

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Kommentare

  1. userpic
    Estelle

    https://www.spektrum.de/news/schafft-unser-bewusstsein-die-realitaet/1436898

    Ich habe den Artikel gelesen. Und immer wenn ich quasi denke andere Menschen seien zb in Wirklichkeit Fantasie Gestalten oder böse dann sehen sie auf einmal so aus und es ist auf einmal so. Oder kommt mir das in dem Moment nur so? Weil es ist echt auf einmal so ich nehme sie auf einmal so wahr. Sie sind dann so.. Also ist das nur einbildung dass es wirklich so ist?

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