Katholische Kirche: Organisierte Unverantwortlichkeit - Inland - FAZ

2.01.2014  ·  Die deutsche Bischofskonferenz ist eine Ansammlung von Solisten ohne integrierende Führungspersönlichkeiten. Auf die drängenden Frage der Krise der katholischen Kirche haben sie keine Antworten. Ein Kommentar

Das gute neue Jahr meint es mit der katholischen Kirche in Deutschland nicht gut – wieder einmal. Kaum vier Jahre sind vergangen, seit im Januar 2010 die größte, 25 Millionen Mitglieder zählende Kirche endgültig von der Missbrauchs-Vergangenheit eingeholt wurde. Wieder in einem Januar, nun aber dem des Jahres 2013, entpuppte sich das an den medienaffinen Kriminologen Pfeiffer vergebene Forschungsprojekt als Placebo zur Beruhigung der Öffentlichkeit. Dann folgte die Weigerung zweier katholischer Krankenhäuser in Köln, einer mutmaßlich vergewaltigten Frau die „Pille danach“ zu verschreiben. Jetzt, im Januar 2014, zieht die nächste Unheilsbotschaft Kreise: Die Bischöfe haben die Verlagsgruppe Weltbild aufgegeben. Ist also wieder einmal nichts gut in der Kirche in Deutschland?

Gut ist immerhin, dass (bislang) niemand der allgegenwärtigen Versuchung erlegen ist, die Kirche als Opfer notorisch kirchenfeindlicher Medien darzustellen. Das hörte sich in den vergangenen Jahren oft anders an. Dabei war es im Januar 2010 der Jesuitenpater Klaus Mertes, der die Mauer des kirchlichen Schweigens von innen her zum Einsturz brachte. Drei Jahre später war es Pfeiffer, der den Bischöfen ein Forschungsprojekt vor die Füße warf, das von vorneherein auf schwankendem juristischen und wissenschaftlichen Untergrund gebaut war. Und der Krankenhausskandal von Köln mündete immerhin in eine Entschuldigung von Kardinal Meisner.

Eine Ära der Kirchenverfolgung?

Neues Wasser auf die Mühlen derer, die eine neue Ära der Kirchenverfolgung aufziehen sehen, lenkte erst wieder die Affäre Tebartz-van Elst. Dabei hat der Bischof von Limburg mit seinem Finanzgebaren, das er mit Bedacht jeder Kontrolle entzog, die Geister erst heraufbeschworen, die er nun nicht mehr loswird. Seit Monaten hat es Tebartz in der Hand, über sein Verhalten Rechenschaft abzulegen. Er tut es nicht. Stattdessen nimmt er den Vatikan bis hinauf zu Papst Franziskus in Mithaftung.

In der Causa Weltbild sind die Verhältnisse weniger eindeutig. Die Arbeitnehmer, die im Zuge der Insolvenz des in Augsburg ansässigen Unternehmens um Tausende von Arbeitsplätzen fürchten, sehen die Schuld am Niedergang bei den kirchlichen Gesellschaftern – zwölf Bischöfen, der Soldatenseelsorge Berlin und dem Rechtsträger der Deutschen Bischofskonferenz, dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). Die Gesellschafter aber verließen sich über Jahre auf den mit Fachleuten und ranghohen Mitarbeitern besetzten Aufsichtsrat. Dieses Gremium ließ sich wohl zu lange von der Geschäftsführung blenden.

Offenbare Notlage

Die wiederum gab den Bischöfen für eine kurze Zeit das seltene Gefühl, mit der expandierenden Unternehmensgruppe auf dem Feld der Publizistik einmal nicht auf verlorenem Posten zu stehen. Der Niedergang öffentlichkeitswirksamer Unternehmungen ist für die Kirche seit langem ein Problem. Das begann im November 1971 mit der Einstellung der Zeitschrift „Publik“, die den Aufbruch der Kirche im Zeichen des Konzils symbolisieren sollte; es setzte sich fort mit dem Untergang des „Rheinischen Merkur“ und jüngsten kostspieligen Versuchen, sich im Internet eine wegweisende publizistische Bastion aufzubauen.

Den Bischöfen ist das alles nicht verborgen geblieben. Aber nur einer der Bischöfe hat die strukturelle Ursache dieser und so vieler anderer nicht unbedingt schlagzeilenträchtiger Rückschläge auf den Punkt gebracht. Im vergangenen Sommer zieh der Münchner Kardinal Reinhard Marx, die Krise von Weltbild vor Augen, die anderen Bischöfe der „organisierten Unverantwortlichkeit“. Angesprochen fühlen sollten sich zunächst die „Mitbrüder“, die gemeinsam gefasste Beschlüsse nicht sonderlich ernst nahmen, durch Nichtstun unterliefen oder einfach grundsätzlich immer anderer Meinung sind als der Münchner Kardinal. Schon das Veto eines Einzelnen aber reicht zu Blockaden in der Bischofskonferenz, weil die Bischöfe bei finanzwirksamen Beschlüssen an dem Einstimmigkeitszwang festhalten.

Es fehlt an Verbindendem

Nicht, dass es unter den Bischöfen zu Zeiten der Kardinäle Frings, Döpfner, Höffner oder Lehmann harmonischer zugegangen wäre. Aber im Zweifel brachte das Erzbistum Köln nach dem „Schlüssel K“ allein das Geld auf, das andere nicht beisteuern wollten. Und nach dem Rücktritt Lehmanns vom Vorsitz und dem altersbedingten Ausscheiden aller Bischöfe, die von der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1972-1975) geprägt waren, fehlt es an jener Bischofsgeneration, die im Streit gelernt hatte, über dem Trennenden das Verbindende nicht zu vergessen.

Heute ist die fast 70 Mitglieder zählende Bischofskonferenz eine zu so ziemlich allen wichtigen Fragen sprachlose Ansammlung von Solisten ohne die integrierenden Führungspersönlichkeiten. So weitergehen muss es aber nicht. Im Frühjahr wird ein neuer Vorsitzender gewählt, zudem müssen bald wichtige Bischofsstühle neu besetzt werden. Vielleicht meint es das Jahr 2014 dann doch noch besser mit der Kirche als die ersten Wochen.

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