„Kein Rassist im herkömmlichen Sinn“

In einem kürzlich mit der Financial Times geführten Interview erklärte James Watson seine Entscheidung seine Nobel Preis Medaille zu versteigern (er gewann sie zusammen mit Francis Crick für die Entdeckung der Doppel-Helix-Struktur der DNA). Er gab an, seit seinen kontroversen Äußerungen über Rassen (Anm. d. Ü. Im Deutschen findet dieser Begriff weder in der gehobenen Alltagssprache und erst recht nicht in der Wissenschaftssprache noch Verwendung. Im Anglo-Amerikanischen Raum wird ´race` aber noch in allen Kontexten benutzt. Wir haben uns entschieden, den Begriff mit ´Rasse` wiederzugeben, da er in diesem Kontext der Intention des Autors, nämlich Rassismus anzuprangern, am besten Rechnung trägt.):  „war ich eine Unperson, ich wurde aus den Vorständen von Firmen gefeuert, also hatte ich kein Einkommen, außer dem aus der Wissenschaft.“ In diesem Interview von 2007 sagte er, er sei „bedrückt“ über die Ansichten zu Afrika, denn all unsere Sozialpolitik basiert auf dem Gedanken, dass ihre Intelligenz der unseren gleich ist, obwohl die Tests alle sagen: nicht wirklich. Er führte den Unterschied auf genetische Ursachen zurück. Gleichwohl so berichtet die Financial Times, dass Watson in seinem neuesten Interview darauf beharrte kein Rassist im gewöhnlichen Sinne zu sein.
 

„Kein Rassist im herkömmlichen Sinn“

Was tun wir, wenn wissenschaftliche Idole nicht den Erwartungen entsprechen, die wir in sie setzen? Watson und Cricks elegante Arbeit über die DNA Struktur ist eine fantastische Fallstudie dazu, wie Wissenschaft gelingen kann, ein Produkt eleganter theoretischer Arbeit, genialem Erstellen eines Models und (leider unbeachtet) der Zusammenarbeit mit Experimentalforschern wie Rosalind Franklin um ihr Model zu testen und zu verbessern.

Wenn ein bekannter Wissenschaftler die Macht und das Prestige, welche ihm die Wissenschaft eingebracht hat missbraucht und insbesondere wenn er seine Wissenschaft missbraucht, um eine politische Vorstellungen zu unterstützen und ganz besonders wenn diese im Widerspruch zur Wissenschaft selbst steht, ist es problematisch sich auf diese Person zu berufen.

Es ist nur natürlich Menschen zu verehren, die zu solch außergewöhnlicher Arbeit in der Lage sind. Aber es ist ebenso weise, mit solcher Verehrung vorsichtig zu sein, denn selbst einen Nobelpreis zu gewinnen, oder das Cold Spring Harbour Labor zu leiten, oder dem Human Genome Projekt zugearbeitet zu haben macht einen nicht zum universalen Experten. Auch macht das Entdecken wie Gene aufgebaut sind und wie sie repliziert werden jemandes Aussage zu Genetik nicht unfehlbar. Die Times und auch wieder Watson zeigten ihren Willen, genetisch basierte Erklärungen auf Unterschiede zwischen Menschen anzuwenden, obwohl dies nicht wissenschaftlich belegt war. Sich auf das selbe Interview von 2007 berufend, in dem er den Intellekt von Afrikanern verunglimpfte, kommentierte der Wissenschaftsjournalist Adam Rutherford kürzlich im Guardian: „Er sagte zur Sunday Times 2007, dass: Während die Menschen glauben möchten, dass alle Rassen mit gleicher Intelligenz geboren werden, diejenigen, die sich mit schwarzen Angestellten auseinandersetzen müssen, dies als nicht wahr ansehen.“ Nennen sie mich altmodisch, aber das hört sich für mich nach völlig normalem Allerweltsrassismus an.

Aber natürlich möchte niemand glauben, dass der eigene Rassismus alltäglich ist, oder würde den eigene Rassismus im gleichen Maß zugeben, zu dem Watson bereit zu sein scheint. Jahrzehnte der Forschung über implizierte Tendenzen zeigen, dass wir alle Rassisten (und Sexisten, altenfeindlich etc.) sind, selbst wenn wir nicht merken, wie Wahrnehmung von Rasse unsere Interaktionen mit anderen beeinflussen. (Die Gruppe für implizite Tendenzen und Philosophie hat eine gute Leseliste und die Nationale Konferenz der State Courts hat eine gute Zusammenfassung des Konzepts, seiner Konsequenzen und wie wir es überwinden können). Zum Beispiel zeigen die Untersuchungen, dass weiße Amerikaner schwarze Amerikaner häufig als stärker, weniger schmerzempfindlich und auf andere Weise übermenschlich wahrnehmen.

Ganz gleich wie unterbewusst diese Tendenzen auch sind, sie haben reale Konsequenzen, wenn z. B. ein weißer Polizist einen unbewaffneten schwarzen Teenager erschießt und später aussagt: „Ich habe mich gefühlt, wie ein Fünfjähriger, der Hulk Hogan gegenüber steht“. (Das Opfer und der Polizist waren nahezu gleich groß); er sagte über das Gesicht des Jugendlichen, er habe wie ein Dämon ausgesehen und versicherte unter Eid: „Es sah aus, als würde er durch die Schüsse die ich auf ihn abgegeben habe einfach hindurch laufen und ich ihn dadurch, dass ich auf ihn schoss nur noch wütender machen würde“. Sich auf die Erschießung von Michael Brown durch Officer Wilson in Ferguson Missourie beziehend beobachtet Jamelle Bouie von Slate:

Die Lehre die aus der Handlung Wilson gezogen werden muss ist, dass er nicht einzigartig ist. Das seine Ängste weitverbreitet sind. Und dass die gleichen Kräfte, die Wilson und Brown zur Konfrontation gebracht haben – andere Wilsons und Browns mit den gleichen tödlichen Konsequenzen zur Konfrontation bringen können und werden.
(Das wurde geschrieben, bevor die Grand Jury dahingehend versagte, den weißen NYPD Officer anzuklagen, der den unbewaffneten Afroamerikaner Eric Gardener zu Tode würgte und bevor ein Weißer Polizeibeamter in Cleveland, den 12 Jahre alten Afroamerikaner Tamir Rice tötete, weil er eine Spielzeugwaffe bei sich trug.)

Wilsons Handlung wie Watsons Worte, wurzeln in einem Morast aus Geschichte, wirtschaftlichen Strukturen, kultureller Kämpfe, kultureller Stereotype und gewachsener kognitiver Vorurteile. Es ist unmöglich diesen Einflüssen zu entkommen und leicht sich ihnen zu ergeben. Dank der Forschung, die die Art und Weise herausarbeitet wie Wahrnehmung von Rasse die Gesellschaft formt, können wir diese unterbewussten Einflüsse in uns selbst erkennen und bewusst daran arbeiten, ihnen entgegen zu wirken und ihren Einfluss um uns herum beseitigen. Watson mag in der Lage sein, seinen un-“konventionellen“ Rassismus mit wissenschaftlicher Legitimation und pseudowissenschaftlichem Jargon zu verkleiden, aber am Ende, wird sein Reaktion auf Rasse aus dem Bauchgefühl heraus, von vielen geteilt.

Watsons Bezug auf konventionellen Rassismus ist eine Ironie, da Rassen, die wir wahrnehmen nicht eine Sache der Wissenschaft, sondern der Konventionen sind. Der Entdecker des genetischen Materials sollte mehr über die Struktur der Populationsgenetik wissen. Man bedenke, seine Art des Rassismus fasst alle Afrikaner in einer Gruppe zusammen, obwohl wir wissen, dass es mehr genetische Diversität innerhalb der menschlichen Bevölkerung Afrikas gibt, als innerhalb irgendeiner anderen geographischen, ethnischen oder rassischen Kategorie. Das ist nicht überraschend, wenn wie Baba Brinkman (die Arbeit von Dead Prez kanalisierend) feststellt, jeder sagen kann: „Ich bin ein Afrikaner“.

(Das ist einer der Gründe, weshalb Brinkman den, durch die NCSE's verliehenen „Friend of Darwin award“ verdient hat.)

Zum Glück ist Watsons Mangel an Sensibilität nicht der einzige Weg für Wissenschaftler (oder den Rest von uns). Unsere familiäre Beziehung zur gesamten Menschheit zu verstehen, kann uns dabei helfen den Rassismus zu untergraben, aber ebenso wichtig ist es, uns den Erfahrungen anderer zu öffnen. 1946 nahm Albert Einstein eine Einladung an, an der Lincoln Universität, einem historisch schwarzen College in Pennsylvania. Einstein erklärte, den Passagen nach, die in der schwarzen Presse dieser Zeit zitiert wurde (und die von den Mainstream Medien ignoriert wurden):

Meine Reise zu dieser Institution ist für einen lohnenswerten Zweck. Es gibt eine Trennung von farbigen und weißen Menschen in den Vereinigten Staaten. Diese Trennung ist nicht eine Krankheit der farbigen Menschen. Es ist eine Krankheit der weißen Menschen. Ich habe nicht vor, darüber Schweigen zu bewahren.

Weder hatte er es, noch hätte es haben sollen. Er war in der Lage die Erfahrungen seiner schwarzen Nachbarn im segregierten Princeton mit seinen eigenen Erfahrungen als Deutscher Jude zu verbinden und schloss Freundschaften mit Führern des Civil Rights Movement und äußerte sich zu dem Thema. Er konnte sehen was Dr. King so eloquent in seinem „Letter from a Birmingham Jail“ sagte:

Ungerechtigkeit irgendwo ist eine Gefahr für die Gerechtigkeit überall. Wir sind in einem unentrinnbaren Netzwerk der Gegensätzlichkeit gefangen, in ein einziges Gewand des Schicksals gekleidet. Was immer einen direkt betrifft, betrifft alle indirekt.
Ich sehe die Arbeit, die wir hier bei der NCSE leisten aus der selben Warte. Studenten eine wissenschaftliche Ausbildung zu verweigern ist eine Ungerechtigkeit. Lehrer oder Schuldistrikte oder Politiker oder Eltern, die als Störenfriede versuchen die öffentlichen Schulen dazu zu verwenden, ihre religiösen oder politischen Ansichten durchzusetzen erzeugen Ungerechtigkeit. Und in diesem Andenken habe ich nicht vor, über Ungerechtigkeit zu schweigen, besonders dann, wenn es von berühmten Wissenschaftlern stammt oder zur Folge hat, dass Wissenschaft für politische Zwecke missbraucht wird.

Übersetzung: Joseph Wolsing und Manuela Lindkamp

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Kommentare

  1. userpic
    Bernd Kammermeier

    Ein interessanter Bericht, der mich wie immer in diesen Fällen, einigermaßen fassungslos zurücklässt. Rassismus ist ein weltweites Phänomen. Es nimmt keine GRUPPE aus, wenn sie sich nur intensiv als Gruppe wahrnimmt und daraus Vorteile ableitet - und sei es nur, sich ein wenig weniger minderwertig zu fühlen. Jeder gegen jeden habe ich manchmal den Eindruck.

    Ich hatte aus welchen Gründen auch immer schon immer die größten Schwierigkeiten, dieses Trennende wahrzunehmen oder gar zu leben. Meine Schwierigkeiten sind dabei so groß, dass ich es nicht einmal versuche. Ich sehe schlicht den Vorteil der Synergie, der vorurteilsfreien, offenen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Zwist, Gegeneinanderarbeiten, Ausgrenzen bringt, wenn überhaupt, nur einen äußerst kurzfristigen Vorteil - wenn man der Stärkere ist. Aber auch der wird in einer Welt, in der körperliche Kräfte nicht mehr annähernd diese Rolle spielen, wie sie Bodybuilding-Studios gerne suggerieren, auf Dauer keinen Erfolg haben.

    Dank menschlicher Cleverness haben wir Maschinen entwickelt, die uns schneller, weiter und höher als jemals zuvor, als jedes Tier, gemacht und gebracht haben. Das Körperliche ist in den Hintergrund getreten. Und damit die "rassischen" Unterschiede, selbst, wenn sie "Vorteile" genannt werden. So könnten wir problemlos die Äußerlichkeiten der Menschen nivellieren, ohne sie zu negieren. Also sollte sich auf Dauer die Erkenntnis durchsetzen, dass das Vertrauen auf eigene Stärken als selbst praktiziertes Ausgrenzungsmerkmal keinen Vorteil mit sich bringt. Jeder kann jeden einholen. Also wäre echte, offene Zusammenarbeit angesagt. Wäre! Leider ist die Welt noch weit entfernt davon, dies zu erkennen und zu praktizieren. Dass James Watson das nicht einmal erkennt, wie sinnlos eine rassische Unterscheidung ist (selbst wenn sie wissenschaftlich möglich wäre), macht mich regelrecht sprachlos. Unterschiede gibt es innerhalb der Population eines bayrischen Dorfes, in das nie von außen eingeheiratet wurde. Vielleicht nicht in der Hautfarbe, aber das meinte Watson ja auch nicht.

    Ich habe als Kind auch die Geschichten vom "schwarzen Mann" gehört. Doch habe ich damit nie den netten, wirklich rabenschwarzen Untermieter meiner Großeltern in Verbindung bringen können. Das eine war ein Schreckgespenst, das andere ein echter Mensch. Das ist das einzige, was ich immer strikt auseinandergehalten habe: Fantasie und Wirklichkeit!

    Menschen waren und sind in meinem Universum Teile einer Menschheit. Da bin ich sogar gegen Begriffe wie Europäer, Afrikaner, Amerikaner (die jeder für sich schon evolutionäre Fortschritte für manchen Nationalisten oder Rassisten wären). Ich bin Mensch und jeder andere, der zur Spezies des Homo sapiens sapiens gehört, auch.

    Wäre das nicht viel einfacher?

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