Klima-Skeptiker Donald Trump und der Kreationismus

Vom 14. bis 16. November 2016 fand die UN-Klimakonferenz in Marrakesch (Marokko) statt, auf der auch die deutsche Bundesumweltministerin vorgetragen hat.

Klima-Skeptiker Donald Trump und der Kreationismus

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Der neugewählte US-Präsident Donald J. Trump hatte sich im Wahlkampf zur Klimadebatte kritisch geäußert. Ein Interview mit dem Evolutionsbiologen Prof. Dr. Ulrich Kutschera, Mitglied des National Center for Science Education (NCSE) in Oakland, Kalifornien (USA), eine Organisation, die die Themen „Klimawandel & Evolution“ vertritt.

Herr Prof. Kutschera, warum verliefen die Bürgerproteste gegen den neugewählten US-Präsidenten Donald Trump in Oakland besonders aggressiv und heftig?

U. Kutschera: Als ich im März 2016 die neuen Räume des gerade umgezogenen NCSE in Oakland besucht habe, erzählten mir meine kalifornischen Kollegen, dass diese Stadt, östlich von San Francisco, eine Demokraten-Hochburg sei. Die Mehrheit hat dort für Hillary Clinton gestimmt, sodass die Enttäuschung besonders groß war. Drei Tage nach der Wahl von Trump (11.11.2016) hat die Präsidentin des NCSE uns Mitglieder darüber informiert, dass der „President-elect“ ein Klima-Skeptiker sei und einige seiner Kollegen kreationistische Thesen vertreten würden. Man befürchtet daher negative Auswirkungen auf die Unterrichtsinhalte Klimawandel und Evolution.

Gibt es in Deutschland auch Klima-Skeptiker und wie weit ist der biblische Schöpfungsglaube hierzulande verbreitet?

Anders als die Kreationisten, die sich gut organisiert haben, sind Personen, die den vom Menschen hervorgerufenen (anthropogenen) Klimawandel bezweifeln, meist Einzelkämpfer. In Deutschland ist insbesondere die bibeltreue evangelikale Studiengemeinschaft Wort und Wissen (W+W) mit professionellen Propagandamethoden dabei, eine der wichtigsten Entdeckungen der letzten zweihundert Jahre (Tatsache Evolution) verbal zu attackieren. Neben W+W, die sich als Zusammenschluss gläubiger Akademiker versteht, sind aber auch die Zeugen Jehovas sowie andere christlich-fundamentalistische Gruppierungen (z. B. das Missionswerk W. Heukelbach) zu nennen. Die Kreationisten-Bewegung geht, wie in den USA, primär von den freikirchlich organisierten evangelikalen Christen aus (hierzulande ca. 1,3 Millionen Personen) und ist z. B. in der katholischen Kirche weniger vertreten.

Wie agieren die Kreationisten in Deutschland?

Im Zentrum steht das von W+W über „Lehrbücher“, bunt gestaltete „Fachzeitschriften“, das Internet und öffentliche Vorträge bzw. Schulungen verbreitete Konzept sogenannter „erschaffener Grundtypen des Lebens“. Über diese pseudowissenschaftliche „Grundtypen-Lehre“, welche analog dem biblischen Adam- und Eva-Mythos der Menschheitsentstehung zusammengeschustert ist, werden Schüler u. a. biowissenschaftliche Laien in die Irre geführt. Die 2013 erschienene 6. Auflage des W+W-Propagandawerks von Reinhard Junker und Siegfried Scherer – „Evolution. Ein kritisches Lehrbuch“ wird nicht nur in den etwa 100 staatlich unterstützten Christlichen Bekenntnisschulen verwendet, sondern auch von manchen Lehrern im Bio-Unterricht eingesetzt. Das Gedankenkonstrukt wird unter dem Slogan „die vom Designer-Gott erschaffenen Grundtypen sind genetisch polyvalente Stammformen“ verkauft. Das ist eine massive Unterwanderung der rationalen Denkweise. Als Lehrstück für pseudowissenschaftlichen Hokuspokus ist dieses W+W-Kreationisten-Buch allerdings bestens geeignet. Ganz aktuell (Okt. 2016) wird von W+W wieder einmal die präbiotische Evolutions-Forschung („Lebensentstehung“) im Lichte der Design-Hypothese pervertiert.

Wie lässt sich erklären, dass die Kreationisten in den USA besonders erfolgreich sind?

Seit zehn Jahren arbeite ich als Visiting Scientist nebenbei in Stanford/Kalifornien (USA) und bin daher regelmäßig im „Obama-Trump-Land der evangelikalen Bibelgläubigen“. Ich habe mir dort wiederholt öffentliche Abendvorträge führender US-Kreationisten angehört. Wäre ich nicht seit Jahrzehnten als Autor unzählige Fachpublikationen zur Evolution und Physiologie der Organismen ausgewiesen, würde ich auf diese perfekt dargebotenen Propaganda-Darstellungen hereinfallen. Im Jahr 2013 besuchte ich z. B. eine derartige Veranstaltung, die von Bio-Studenten der Stanford University organisiert worden war. Obwohl diese jungen Männer und Frauen zur geistigen Weltelite zählen, ist es ihnen kaum gelungen, einen evangelikalen Kreationisten-Prediger argumentativ in die Schranken zu weisen. Da es in den USA keinen staatlichen Religionsunterricht gibt, versuchen christliche Fanatiker, ihren Schöpfungsmythos als Alternativkonzept zur Evolution in den Biologieunterricht einzuschleusen, und das mit großem Erfolg – siehe z. B. den aktuellen US-Kreationisten-Bestseller von Douglas Axe, Titel „Undeniable“ (2016), eine Bewerbung des christlichen Designer-Gottes als „Motor der Evolution“.

Handelt es sich dabei um eine Ausnahmeerscheinung?

Als Mitglied des NCSE stehe ich diesbezüglich im stetigen Gedankenaustausch mit meinen dortigen Kollegen. Daher kann ich Ihnen versichern, dass der Kreationismus in den USA, wie auch die vermutlich von D. J. Trump unterstützte Kritik am belegten anthropogenen Klimawandel, weltweit keine Ausnahmeerscheinung ist. Da die meisten Menschen nur über rudimentäre biologisch-chemische Kenntnisse verfügen, sind sie anfällig für pseudowissenschaftlich-esoterische „Lebens-Lehren“, und diese Regel gilt für alle menschlichen Kulturen.

Wie sehen die Evolutionsbiologen diese Bewegung und deren Verbreitung?

Leider müssen wir feststellen, dass die Zahl der Evolutions-Leugner in den USA trotz der exzellenten Aufklärungsarbeit des NCSE und der weltweit führenden nordamerikanischen Evolutionsforschung in diesem wirtschaftlich stärksten Land der Erde seit Jahren konstant bleibt. Nach dem aktuellen Gallup-Poll 2016 glauben seit drei Jahrzehnten etwa 40 bis 46 % der befragten US-Bürger an eine göttliche Erschaffung des Menschen und leben somit (geistig) im Vor-Darwin’schen Mittelalter. Nehmen wir die Vertreter der Intelligent Design-Ideologie hinzu, so haben wir auch in Deutschland ca. 30 % Vor-(bzw. Anti)-Darwinianer, mit einer ungleichen Gender-Ratio: es gibt mehr gläubige Frauen als Männer. Eine Stärkung des Basisfachs Biologie in sämtlichen Schulen unter Einbeziehung der Evolutionswissenschaften ist unabdingbar – genau das fordert das NCSE nach der Wahl von Donald Trump.

Wie hat sich die Bewegung in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Gibt es einen Zuwachs?

Vor zehn Jahren hatte ich eine öffentliche Kontroverse mit der damaligen hessischen Kultusministerin Karin Wolff. Diese Dame, eine gelernte Religionslehrerin, wollte, wie die US-Kreationisten, die biblische Schöpfungslehre im Biologieunterricht behandeln lassen, da sie deutliche Parallelen zwischen diesem religiösen Mythos und der Evolution zu erkennen glaubte. Ich habe damals über ein dpa-Interview mit drastischen Argumenten verhindern können, dass diese religiös-esoterischen Inhalte in den hessischen Bio-Lehrplänen Fuß fassen konnten. Einige mutige Journalisten haben meine Verteidigung der Evolutionsbiologie positiv kommentiert und verbreitet. Leider müssen wir ein Jahrzehnt später feststellen, dass W+W, die Zeugen Jehovas und andere christlich-religiöse Sekten mit ihrer Anti-Evo-Propaganda noch immer erfolgreich sind. Unter dem Pseudonym „Intelligent Design“, vermengt mit dem „Grundtypen-Schöpfungsmodell“, wird noch heute vielen Unkundigen eine wundersame biblische „Lebensentstehungs-Theorie“ aufgetischt, die alles und somit nichts erklärt.

Warum glauben Menschen im 21. Jahrhundert überhaupt noch solche absurden Dinge?

Man kann den Kreationismus mit der Homöopathie, dem Wünschelruten-Gehen und dem Kaffeesatzlesen vergleichen. Vermutlich steht dahinter eine evolutionär verankerte irrationale Denkweise, verbunden mit einem Unverständnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge. Zehn Jahre nach meinem öffentlichen Schlagabtausch mit der damaligen Kultusministerin Wolff müssen wir derzeit mit ansehen, wie unter dem Deckmantel der lange widerlegten sozialkundlichen „Gender-Theorie“ eine dem Kreationismus geistesverwandte radikalfeministische „Frau-gleich-Mann-Dogmatik“ über den hessischen Kultusminister R. Alexander Lorz Eingang in den Schulunterricht findet. Derartige, biologische Erkenntnisse leugnende biblisch-genderistische Propaganda-Aktionen sind unakzeptabel und ein Armutszeugnis für den Technologie- und „Wissenschaftsstandort“ Deutschland.

Wie erklären Sie sich den Wahlsieg des Klima-Skeptikers Donald Trump?

Der erfolgreiche Businessman Trump hatte in der korrupt-egomanischen Gegenkandidatin Hillary Clinton eine exzellente Wahlhelferin. Viele US-Bürger wollten Clinton verhindern und haben daher den Außenseiter Trump gewählt. Da dieser Unternehmer sein Studium an der Wharton School (U. of Pennsylvania), d. h. einer mit Harvard und Stanford gleichrangigen Elite-Uni abgeschlossen hat, kann man davon ausgehen, dass er seine früheren Ansichten zum Klimawandel revidieren wird. Am 11.11.2016 hat das US-Magazin Science einen umfassenden Pro-Klimawandel-Artikel publiziert. Dieser liegt dem Mr. President-elect vermutlich vor, und unsere Bundesumweltministerin wird den Review Article hoffentlich mit Gewinn studiert haben.

Dieser Artikel ist die vollständige Version eines Interviews, welches in Auszügen in der FAZ erscheinen wird.

Literatur:

Kutschera, U. (2015) Evolutionsbiologie. Ursprung und Stammesentwicklung der Organismen. 4. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

Kutschera, U. (2016) Das Gender-Paradoxon. Mann und Frau als evolvierte Menschentypen. LIT-Verlag, Berlin

Kommentare

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    Thomas Waschke

    Meiner Meinung nach sollte man sehr scharf zwischen Kreationisten im Sinne von 'Junge Erde Kreationisten' und Vertretern der Intelligent Design Bewegung trennen, denn sonst passen die Argumente nicht mehr. Wenn jemand wie Axe Intelligent Design vertritt, braucht er dazu die Bibel nicht und bekommt von den Kreationisten vorgeworfen, dass er das Evangelum verrate.

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