Lasst uns die Rhetorik ändern. Klimawandel und Evolution als Glaubenssysteme?

Wir müssen damit aufhören, über Fakten in der Wissenschaft als Glaubenssysteme zu sprechen. Es wird allzu oft von gebildeten oder aufgeklärten Menschen in den Medien gesagt, dass sie an den Klimawandel „glauben“, und für die Evolution wird häufig die gleiche Rhetorik angewandt.

Es gibt ein Problem mit dem Verständnis von Wissenschaft seitens der Allgemeinheit, und wegen dieses mangelnden Verständnisses wurde bestimmten religiösen Leuten gestattet Wissenschaft (sic) als Werkzeug zu verwenden, um ihren Glauben missionarisch an Menschen zu bringen, die es nicht besser wissen. Gebildete und aufgeklärte Menschen in den Medien sagen zu hören, sie glaubten an die Evolution oder den Klimawandel, oder sie glaubten daran, dass die Erde 4,5 Milliarden Jahre alt sei, ist bestenfalls enttäuschend und im schlimmsten Fall defätistisch, weil wir von diesen Dingen wissen, dass sie Fakten sind. Zu sagen, man glaubt an Evolution, gibt denen, die es nicht verstehen, ein Gegenargument, schon fast die Freiheit zur Ignoranz; es gibt ihnen die Möglichkeit, nicht zu glauben - und das ist Teil des Problems.

Wissenschaftler wissen, dass die Evolution eine Tatsache ist, und wir benutzen den Begriff Theorie, wenn wir eine gut belegte Erklärung von Fakten meinen. Das gleiche kann vom Klimawandel oder z. B. dem Alter der Erde gesagt werden. Jemanden sagen zu hören, man glaube an den Klimawandel, reduziert dessen Bedeutung und setzt ihn auf die gleiche Stufe mit Pseudo-Wissenschaften und albernen Ideen wie dem Kreationismus. Das bringt Menschen wie Kreationisten auf die Idee, sie könnten gegen echte Wissenschaft mit erfundenen Vorstellungen davon, wie das Universum funktioniert oder geformt wurde, debattieren, und das gibt ihnen die Möglichkeit, einen Gott in die Auseinandersetzung einzubringen; es lässt sie glauben, dass es eine Wahl gäbe zwischen dem, was real ist (Wissenschaft) und dem, was nicht real ist (Kreationismus).

Als Wissenschaftler (Geologe) ergreife ich jede Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass Wissenschaft kein Glaubenssystem ist: Sobald wir etwas wissen und dieses Wissen durch Experimente, Beobachtung und rigoroses Qualitätsmanagement belegen können, können wir es schließlich als wahr anerkennen. Wir müssen uns von der Idee trennen, die Wissenschaft sei ein Glaubenssystem. Wir müssen die Vorstellung lehren, dass das, worum wir uns in der Wissenschaft bemühen, die Fakten dazu sind, wie die Dinge funktionieren oder nicht, und nicht Vermutungen darüber, wie die Dinge funktionieren könnten. Und wir müssen den Menschen dabei helfen, das Wort Theorie zu verstehen - und den Unterschied zum Wort Hypothese.

Geologen kennen das Alter der Erde sehr gut, und es hat Jahre der Beobachtung und des Experimentierens gebraucht, um das Alter der Felsen als Fakt zu beweisen, entweder mit radiometrischen Datierungsmethoden oder Beobachtungen, oder einer Kombination von beidem.

Man muss noch nicht einmal die Wissenschaft verstehen, um die Fakten zu verstehen. Nehmen wir die beiden Bilder als Beispiel. Sie zeigen die Muster von Wachstum oder Nähten auf den Schalen der beiden Ammoniten (eine Art Tintenfisch mit einer gewellten Schale, einem Nautilus ähnlich). Das erste Bild zeigt eine Ammonitennaht aus dem Jura und wie man sehen kann, ist die Naht sehr einfach. Als Ammoniten sich entwickelten, wurden deren Nähte viel komplexer. Sehen wir uns das zweite Bild an: Es zeigt einen Ammoniten aus der Kreidezeit; wie man sehen kann, ist die Struktur der Naht viel komplexer. Der Grund dafür, dass die Ammonitenschalen immer komplexer wurden, war hauptsächlich die Auftriebskontrolle. Die Ammoniten mit einfacheren Strukturen waren sehr stabil, während die mit den komplexeren Strukturen vergleichsweise schwächer waren. Die Ammoniten mit den stabileren Strukturen lebten in tieferem Wasser und konnten höheren Druck aushalten, die mit den komplexeren Strukturen lebten im flacheren Wasser und waren bessere Schwimmer. Das zeigt, dass sich die Tiere, nachdem sich die Umwelt veränderte, an diese Veränderungen anpassten; sie entwickelten sich weiter.

Von der direkten Beobachtung der Ammoniten und des Gesteins, in dem die Fossilien gefunden wurden, wissen wir, dass die Veränderungen in den Schalen ein Ergebnis der Evolution sind.

Die versteinerten Wachstumsringe können ein anderes Beispiel illustrieren, das jeder verstehen kann, ohne die Wissenschaft dazu zu kennen. Das Stück versteinertes Holz wurde auf Ellesmere Island in der Arktis gefunden; obwohl es 40 Millionen Jahre alt ist, sind die Wachstumsringe im versteinerten Holz noch sehr gut sichtbar. Während des frühen Känozoikums, dem Paläogen (vor 65 Mio. bis 23 Mio. Jahren), waren die Kontinente sehr nah an den Positionen, die sie heute einnehmen. Ellesmere Island war praktisch am selben Ort, an dem es heute ist, weit oben in der nördlichen Hemisphäre innerhalb des Arktischen Zirkels. Dieses Stück versteinerten Holzes zeigt etwas höchst Interessantes: Der Baum hatte sehr breite Ringe, die von sehr schmalen getrennt werden. Das bedeutet zweierlei: Erstens hatte der Baum, von dem dieses versteinerte Stück Holz stammt, teils eine sehr lange jährliche Wachstumsphase (Sommer mit langen Tagen, der an den dicken Ringen zu erkennen ist), während die dünnen Ringe dunkle Winter über einige Jahre repräsentieren. Zweitens muss das Klima in der Periode, in der der Baum dort gewachsen ist, sehr warm gewesen sein, und das zeigt, dass Klimaänderungen tatsächlich sehr real sind. Ebenso wurden zusammen mit dem versteinerten Holz Fragmente einer ausgestorbenen Schildkröte gefunden. Durch unsere Kenntnis der Plattentektonik wissen wir, wo sich die Kontinente während des Känozoikums befunden haben. Wir wissen, dass das versteinerte Holz aus dem Paläogen stammt (ca. 40 Mio. Jahre alt) und mit derselben Gewissheit wissen wir auch, dass das Klima auf der Erde damals sehr anders war; wie wir alle wissen und beobachten können, ist es momentan kalt in der Arktis; es gibt da momentan keine großen Bäume.

Dies waren nur zwei Beispiele von Tatsachen, die wir tatsächlich mit Hilfe der Wissenschaft der Geologie beweisen können. Wir akzeptieren nicht blind, dass diese Dinge wahr sind; um das zu beweisen, waren Jahre der Forschung und Beobachtung nötig. Wir wissen, dass die Arktis während der letzten 10.000 Jahre sehr kalt war; wir wissen, dass die letzte Eiszeit real war, also muss die Frage gestellt werden: Wie ist dieser Baum in der Arktis mit den Sommern voller Tageslicht und Wintern totaler Finsternis vor der Eiszeit gewachsen, wenn die Welt erst vor 6000 Jahren erschaffen worden ist? Die Antwort ist für jeden, der Fakten von Phantasie unterschieden kann, einfach und offensichtlich.

Also lasst uns die Rhetorik ändern, lasst uns alle damit aufhören, zu sagen, wir würden an den Klimawandel oder an die Evolution glauben. Wissenschaft sollte nicht als Glaubenssystem betrachtet werden. Wir müssen Leute wie Ken Ham und sein lächerliches Kreationismus-Museum davon abhalten, mit Glauben Debatten gegen die Wahrheit zu führen, und wir müssen sicherstellen, dass Dummheit aus dem wissenschaftlichen Klassenzimmer verbannt bleibt. Lasst uns der nächsten Generation ein Vermächtnis machen, dass ihnen dabei hilft, vorwärts zu kommen und sich zu entwickeln, anstatt ihre Bildung zu hemmen (so wie es aussieht, würden Leute wie Ken Ham es vorziehen, wenn sich unsere Kinder gar nicht entwickeln würden). Es wäre der nächsten Generation von Kindern gegenüber ungeheuer unfair und verantwortungslos, wenn wir Kreationismus in den Klassenzimmern erlauben oder Wissenschaft tatsächlich als Glaubenssystem betrachten würden, welches keinen Beweis benötigt. „Ich glaube, Gott hat das gemacht“ ist niemals eine akzeptable Antwort und sollte von nun an auch nicht mehr als eine solche unterrichtet werden.


Edwin Layzelle ist ein englischer explorativer und vermessender Geologe, der in Kanada lebt. Seine Arbeit hat ihn rund um die Welt gebracht, einschließlich der hohen Arktis sowohl in Kanada, als auch in Sibirien, und seine veröffentlichten Arbeiten beinhalten die Datierungen von Diamanten unter Verwendung der Messung von Kalium- und Argonisotopen und Halogen-Zusammensetzung sowie die Evolution der Erde.


Übersetzung: Joseph Wolsing, Adrian Fellhauer

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