Menschenfleisch auf dem Wochenmarkt

Muslimische Rebellen massakrieren Christen, christliche Rebellen massakrieren Muslime. So versank die Zentralafrikanische Republik im Chaos. Französische Soldaten sind in die Hauptstadt Bangui eingerückt. Ganze Stadtviertel liegen dort in Trümmern.

Menschenfleisch auf dem Wochenmarkt

Der junge Mann hat sich gleich drei Messer vor die Brust geschnallt, die Sorte Messer, die Metzger und Kopfschlächter benutzen. Er sagt, er brauche die Waffen, um „seine Leute“ zu verteidigen. Seine Leute, das sind die Christen der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui. Seine Gegner, das sind die Muslime der Stadt. Ob er Menschen getötet hat, will Mathieu, wie er sich nennt, nicht verraten. Das sei nur ein „Detail“. Schließlich gehe es um wichtigere Dinge. „Wir stellen die verfassungsmäßige Ordnung wieder her“, lallt er. Es ist kurz nach Mittag, das Bier und die Joints haben ihre Wirkung längst getan. Eine kleine Gruppe ebenso bekiffter Kameraden gesellt sich zu dem Messerträger. Einer von ihnen trägt eine alte, zweiläufige Schrotflinte an einem Riemen über der Schulter, ein anderer hält eine Handgranate in der Hand. Soweit es ihr derangierter Zustand zulässt, beantworten sie bereitwillig Fragen. Es sind höfliche Massenmörder.

Die Jugendlichen gehören zu der Anti-Balaka-Miliz, der jüngsten Terrorbande, die über die Zentralafrikanische Republik hergefallen ist. Anti-Balaka steht für „Anti-balles AK“, was mit „Gegen die Kugeln aus einem AK“ in Anspielung auf das Sturmgewehr AK 47 übersetzt werden kann. Das ist die Standardwaffe aller Rebellen in Afrika, auch der Rebellen der überwiegend muslimischen Séléka, die im März vergangenen Jahres Präsident François Bozizé stürzten und sich umgehend ans Plündern der von Christen bewohnten Gebiete machten. Die Antwort darauf waren die Anti-Balaka, die sich vor knapp drei Monaten als dörfliche Selbstverteidigung bildeten, inzwischen zu einer Massenbewegung geworden sind und deren ganzer Ehrgeiz darin besteht, jeden noch lebenden Muslim in der Zentralafrikanischen Republik ins Grab zu befördern. „Rache ist ein echt harter Job“, sagt Mathieu und grinst dazu.

Keine fünfhundert Meter von der Basis der Anti-Balaka entfernt, am anderen Ende des Flughafens von Bangui, steht ein schäbiger Flugzeughangar. Drei ausgemusterte Militärflugzeuge und zwei kaputte Kampfhubschrauber russischer Herkunft modern vor sich hin. Sie sind kaum zu erkennen, weil die Maschinen über und über mit trocknender Wäsche bedeckt sind. Der Hangar ist ein Flüchtlingslager. Viertausend muslimische Zentralafrikaner haben in dem „Boeing“ genannten und brütend heißen Hangar Zuflucht gefunden. Mahamat Nouren ist einer von ihnen, ein untersetzter, redseliger Mittfünfziger. „Die sind wie Tiere über uns hergefallen“, erinnert er sich an den 5. Dezember vergangenen Jahres, als die Anti-Balaka in Bangui zum Angriff auf die Séléka blies. Seine elf Jahre alte Tochter Aïsa wurde tödlich von einer Kugel getroffen, als Mahamat sie an der Hand hielt. „Ich weiß nicht, was aus ihrer Leiche geworden ist“, sagt er. „Ich bin nur noch gelaufen, in Richtung Flughafen, weil da die französische Armee stationiert ist.“ Seither wartet er auf Rettung.

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