Eine Rezension von Martin Mahners Buch
Ruhen die Realwissenschaften auf metaphysischen Annahmen? Eine breite Mehrheit von Wissenschaftlern dürfte diese Frage entschieden verneinen. Wissenschaft, so die populäre Meinung, beschäftige sich ausschließlich mit Fakten und Belegen. Und um sie zu gewinnen, genüge ein „virtuoser Zirkel“ aus Theorienbildung und Theorienüberprüfung. Dieser Zirkel ist unter der Bezeichnung wissenschaftliche Methode geläufig. Aber dass diese „Methode“ ohne ein bestimmtes metaphysisches Fundament gar nicht erst sinnvoll anwendbar wäre, ist kaum bekannt. Intellektuelle, die dem Empirismus nahestehen, setzen Metaphysik gar mit nutzloser Spekulation oder Religion gleich – ein schwerer Irrtum, wie der Biologe und Wissenschaftstheoretiker Martin MAHNER in seinem Buch darlegt.
Warum ein Buch über den metaphysischen Naturalismus?
Bereits der Titel verdeutlicht in erfrischender Klarheit, dass die Wissenschaften nicht ohne den metaphysischen (oder: ontologischen) Naturalismus auskommen. Um die bekannten Abwehrreflexe zeitgenössischer Wissenschaftler zu kontern, betont der Autor, dass Metaphysik (Ontologie) mit Religion heute nichts mehr zu tun haben müsse. Vielmehr handele es sich um eine respektable philosophische Disziplin, die allgemeine Fragen zum Sein und Werden der Welt thematisiert. Die Metaphysik behandelt Fragen, die den Zuständigkeitsbereich der Einzelwissenschaften übersteigen: Gibt es eine subjektunabhängige Wirklichkeit? Was ist Kausalität? Kann etwas aus nichts entstehen? Ist das Universum „kausal geschlossen"? Und so weiter.
Der Naturalismus der Realwissenschaften ist ebenfalls metaphysisch; er postuliert, dass es in der Welt überall „mit rechten Dingen“ zugeht. Freilich ist dies ist eine stark verkürzte Definition, die Philosophen im Rahmen einer systematisch ausgearbeiteten Ontologie konkretisieren müssen. Intuitiv weiß aber jeder, was damit gemeint ist: Übernatürliche Wesen wie Götter, Gespenster und Dämonen brauchen sich als personale immaterielle Geist-Entitäten weder an Naturgesetze zu halten noch notwendigerweise mit materiellen Objekten ("Dingen") zu interagieren. Sie sind Wesen mit beliebigen magischen Fähigkeiten. Dem Naturalismus zufolge existieren solche Entitäten nicht. Und in der Praxis verhalten sich alle Wissenschaftler wie metaphysische Naturalisten. Andernfalls müssten sie ihren empirischen Methoden misstrauen, da diese (etwa, wenn ein Experiment scheitert) übernatürlich beeinflusst sein könnten.
Mit der naturalistischen Basis ist es wie mit der muttersprachlichen Grammatik: Intuitiv wenden wir sie alle an, systematisch darlegen können sie nur wenige. Solange sich Wissenschaftler auf ihr Handwerk beschränken, ist das unproblematisch. Da jedoch Angriffe „von außen“ nicht ausbleiben, ist es notwendig, sie zu verteidigen. Spätestens wenn wir uns mit dem Kreationismus beschäftigen und darlegen müssen, warum er nicht als wissenschaftliche Alternative zu den etablierten Theorien taugt, ist die Rückbesinnung auf metaphysische Aspekte erforderlich.
In überzeugender Weise schlägt MAHNER die logische Brücke zwischen naturalistischer Ontologie und Methodologie. Er klärt auf, warum Operationen wie Beobachten, Experimentieren, Erklären sowie das Überprüfen von Theorien nicht metaphysisch voraussetzungsfrei zu haben sind. Bereits die Annahme, dass eine Substanz in einer Messapparatur weder aus dem Nichts entstand noch ins Nichts verschwindet, ist metaphysisch. Experimente wären sinnlos, wenn wir in Betracht zögen, dass unsere Datenerhebung, Wahrnehmung und theoretischen Interpretationen durch Übernatürliches kontaminiert sein könnten.
Kommt die Wissenschaft mit einem schwächeren Naturalismus aus?
Um diese Konsequenz zu vermeiden, einigten sich die Supranaturalisten geflissentlich auf die These, dass sich das Übernatürliche nur dort austobt, wo es um heilsgeschichtliche Zusammenhänge geht: beim Erhören von Gebeten etwa, bei der Erschaffung der menschlichen Seele und der Welt. Dort hingegen, wo experimentiert und theoretisiert wird, soll alles Übernatürliche konsequent wegschauen. Unser Autor entlarvt diesen sogenannten Nicht-Interventionismus als willkürliche Hilfshypothese, die dazu dient, den Supranaturalismus wissenschaftskonform zu gestalten.
Konsequent sind aus MAHNERs Sicht nur zwei Positionen: zum einen der starke ontologische Naturalismus, der die Existenz von Übernatürlichem verneint. Sein Markenkern ist der Anspruch der universellen Geltung bzw. Reichweite, der, wie wir noch sehen werden, scheitern könnte. Konsequent ist zum anderen der Okkasionalismus von Nicolas MALEBRANCHE (1638–1715), wonach alle in der Natur stattfindenden Prozesse, einschließlich kognitiver Zustände, eines göttlichen Anstoßes bedürftig seien.
Wissenschaft zu betreiben wäre unter dieser Annahme nicht vernünftig möglich. Religiöse mögen zwar behaupten, ihr Gott garantiere die Vertrauenswürdigkeit unserer Wahrnehmungen, da er uns nicht täusche. Wer einen solchen Gott ins Auge fasst, kann aber nicht intersubjektiv nachvollziehbar erklären, warum es nicht auch geboten sein sollte, Interventionen des Teufels oder diverser Lügengeister zuzulassen.
Prinzipiell können Supranaturalisten unendlich viele übernatürliche Entitäten einfordern, auch solche, die den einschlägigen Märchen- und Horror-Genres entstammen. Wer dieses sogenannte Proliferationsproblem des Supranaturalismus vermeiden möchte, kommt am starken ontologischen Naturalismus nicht vorbei.
Kann es Belege für Übernatürliches geben?
Überraschenderweise gibt es selbst Atheisten wie den Philosophen Bradley MONTON, die meinen, die Wissenschaft verabschiede sich von der Suche nach Wahrheit, wenn sie nur natürliche Erklärungen zuließe. Der ontologische Naturalismus sei eine unberechtigte Vorfestlegung, ein Dogma. Diese Behauptung weist MAHNER zurück: Wer so argumentiere, übersehe, dass die Erkenntnis von Wahrheit Belege erfordere, und dass Belege an philosophische Voraussetzungen geknüpft seien. Die Annahme, dass es prinzipiell wissenschaftliche Belege für Übernatürliches geben könne, ist, wie unser Autor erläutert (S. 65ff), ein Irrtum.
Um eines seiner Beispiele aufzugreifen: Nehmen wir an, etwas, das aussähe, wie ein Engel, schwebte vom Himmel herab und erweckte einen Leichnam zum Leben (S. 115). Ohne zu zögern, würden dies viele als Prima-facie-Beweis für Übernatürliches werten. Warum? Weil es uns unerklärlich erschiene und mit dem biblischen Weltbild harmonieren würde. Doch so einfach liegen die Dinge nicht!
Der Autor gibt zu bedenken, dass wir als erstes die Frage klären müssten, ob wir einen realen Sachverhalt beobachteten oder einer Halluzination erlägen. Beobachteten wir Reales, müsste weiterhin sichergestellt sein, dass sowohl das Totenerweckungserlebnis als auch unsere Wahrnehmung davon natürlich zustande kämen. Nur dann wäre es, wie oben erläutert, Grundlage für einen empirischen Beleg. Dies führt nach MAHNER zu der paradoxen Situation, dass wir, sobald wir das Übernatürliche akzeptieren würden, nicht mehr ausschließen könnten, dass unsere Wahrnehmung manipuliert wäre.
Mit anderen Worten, der scheinbare Prima-facie-Beweis ist kein wirklicher Beleg. Die wissenschaftlichen Methoden, die wir zur Erlangung empirischer Belege benötigen, setzen nämlich die Abwesenheit dessen voraus, was unser Beispiel dem Augenschein nahelegt: Übernatürliches. Der Naturalismus ist eine notwendige Vorbedingung für Prüfbarkeit.
Zudem würde sich die Frage stellen, von welcher Natur das Totenerweckungserlebnis wäre. Ein übernatürliches Engel-Szenario ließe sich grundsätzlich nicht von einem solchen unterscheiden, in dem uns hoch entwickelte Außerirdische etwas vorgaukelten. Ein solches, rein natürliches Szenario wäre weitaus plausibler als jede übernatürliche Hypothese. Annehmbarer erschiene uns die übernatürliche „Erklärung“ nur, weil die christliche Lehre fester Bestandteil unserer Tradition ist.
Übernatürlich oder transnatürlich?
Der Autor verweist auf einen weiteren Aspekt: Bevor wir übernatürliche Entitäten wie Engel beobachten könnten, müssten sie sich teilweise selbst naturalisieren. Sie müssten wie materielle Gegenstände mit uns interagieren, Licht reflektieren und Laute erzeugen. Damit wären sie aber im engeren Sinn nicht mehr als übernatürlich klassifizierbar. Streng genommen wäre das Übernatürliche von einer gänzlich anderen Kategorie, wie etwa die unbefleckte Empfängnis, die fortgesetzte Schöpfung (creatio continua) oder die Transsubstantiation – die Verwandlung von Hostie und Wein in Leib und Blut Christi. Für derlei Sachverhalte kann es erst recht keine Belege geben, denn sie unterscheiden sich kategorial von allem Natürlichen.
MAHNER (S. 38) unterstreicht daher die Wichtigkeit, in Anlehnung an den Philosophen Herbert SPIEGELBERG das Supernaturale in zwei Formen zu unterteilen. Er unterscheidet das Übernatürliche, das sich zumindest ansatzweise (graduell) auf der Basis natürlicher Eigenschaften und anthropomorph denken lässt, vom Transnatürlichen. Das Transnatürliche entspräche in keiner Weise mehr dem Sinnlich-Physischen und überstiege jede Verständlichkeit. Und während sich die Alltagsreligion anthropomorphen Gottesvorstellungen zuwendet, transnaturalisiert die Theologie Gott als den Ganz Anderen. Letzteres bringt den Vorteil mit sich, dass sich Gottes Natur und Handeln in der Welt bequem gegen Kritik immunisieren lässt (S. 41). Da es transnatürlichen Konzepten eklatant an semantischem Inhalt mangelt, weiß niemand, wovon die Rede ist. Das Unverständliche lässt sich nicht widerlegen.
Nullhypothese oder notwendige Bedingung für Wissenschaft?
Halten wir mit MAHNER fest, dass der Atheist (und allgemeiner auch der Naturalist) „nicht jemand [ist], der die Existenz Gottes dogmatisch leugnet, sondern lediglich jemand, der mangels guter Gründe und empirischer Belege von der Nichtexistenz Gottes ausgeht. Diese Nichtexistenzvermutung ist nichts anderes als eine ontologische Nullhypothese, die vom Theisten zu widerlegen ist, indem er Belege oder wenigstens gute Argumente für die Existenz eines Gottes liefert“ (S. 61).
Diese Aussage legt nahe, der metaphysische Naturalismus sei zumindest indirekt widerlegbar. Ist das nicht ein Widerspruch zur Feststellung, der Naturalismus sei kein Ergebnis realwissenschaftlicher Forschung, sondern eine „notwendige metaphysische Bedingung“ (S. 156) für das Betreiben von Wissenschaft? Der Autor verneint dies und erklärt, warum je nach Kontext beides zutrifft. Würde Anomales wie die beschriebene Totenerweckung geschehen, würden Dinge ins Nichts verschwinden oder aus dem Nichts auftauchen oder magische Romanfiguren unsere gesetzesmäßige Welt auf den Kopf stellen, verflüchtigte sich ein Teil des bislang so erfolgreichen wie kohärenten Theoriensystems der Wissenschaft. Die Nullhypothese, wonach der Naturalismus universell gilt (das heißt: der starke ontologische Naturalismus), wäre gescheitert.
Falls das Anomale Übernatürlichem geschuldet wäre (und nicht irgendwelchen außerirdischen Scherzbolden beispielsweise), könnten wir diese Vermutung nie empirisch-wissenschaftlich absichern. Wir könnten nur das Scheitern der naturalistischen Universalitätsannahme feststellen. Wissenschaft wäre nur noch lokal oder regional erfolgreich, also dort, wo es natürlich zugeht. Auch wenn die Reichweite des Naturalismus abgeschwächt werden müsste, bliebe der Naturalismus metaphysische Grundbedingung der Realwissenschaften.
Metaphysischer oder methodologischer Naturalismus?
MAHNER (S. 147) bezieht auch zu dem Einwand Stellung, wonach statt dem ontologischen Naturalismus eine methodologische Regel ausreiche. Sie laute: „Greife zur Erklärung der Welt nicht auf übernatürliche Ursachen zurück". Dieser sogenannte methodologische Naturalismus bürgerte sich vor allem in den USA ein, wo zwischen Naturwissenschaftlern und religiösen Hardlinern ein regelrechter Krieg tobt. Denken wir an die Auseinandersetzung zwischen Kreationisten und Evolutionsbiologen. Gerade im berüchtigten „Bible Belt“ erscheint es ratsam, die Menschen behutsam zu einer liberaleren Religion zu bringen. Mit der metaphysisch-naturalistischen Keule würden wir sie stante pede ins kreationistische Lager zurücktreiben.
Der Autor kann diese Auffassung nachvollziehen. Zugleich bemerkt er, dass die philosophische Analyse keine Rücksicht auf religiöse Bedürfnisse nehmen und unhaltbare Positionen absegnen könne (S. 149). Unhaltbar ist der „methodologische“ Naturalismus, weil viele Charakterisierungen nicht wirklich metaphysikfrei sind. Die These etwa, Wissenschaft befolge den methodologischen Naturalismus, weil die Welt nach „uniformen natürlichen Prozessen“ funktioniere, ist klar metaphysisch! Würden wir den Naturalismus rein als Verfahrensregel auffassen, wäre unklar, weshalb wir überhaupt nach ihr verfahren sollten. So „bleibt die Wahl und Anwendung dieser Regeln ohne eine dazugehörige Metaphysik unfundiert“ (S. 152).
Intelligent Design als Variante des teleologischen Gottesbeweises
Da sich der Rezensent mit Intelligent Design (ID) befasst, einer „akademisierten“ Variante des Kreationismus, ist für ihn Kapitel 6.4 von besonderem Interesse.
ID behauptet, über Indizien zu verfügen, die einen „intelligenten Ursprung“ der Lebewesen nahelegten. Dazu zählten die sogenannten nicht reduzierbar ("irreduzibel") komplexen Artmerkmale. Nach allem, was wir aus der Technik wüssten, seien solche Merkmale planvoll entstanden. Da ID ferner evolutionsbiologische Erklärungen für deren Entstehung als unzulänglich zurückweist, sei der Schluss auf ID der Schluss auf die beste Erklärung. Dabei lässt ID die Frage nach der Natur des Designers bewusst offen. ID, so lassen dessen Proponenten verlauten, verweise nicht notwendigerweise auf Übernatürliches, sondern auf Planung allgemein.
MAHNER (S.117 ff) erläutert schlüssig, warum die Argumentation des ID philosophisch scheitert. Beispielsweise kommt, entgegen aller Beteuerungen, nur ein übernatürlicher Planer infrage (S. 123). Andernfalls wäre die erstmalige Entstehung von Leben (in Gestalt des ersten Planers) auf natürliche Faktoren wie Mutation und Selektion zurückzuführen. ID wäre ein „unbedeutender explanatorischer Zwischenschritt“ hin zu einer echten evolutiven Erklärung, die ID gerade infrage stellt. Denken wir den Design-Ansatz konsequent zu Ende, greifen dort alle Argumente, die sich gegen den Supranaturalismus ins Feld führen lassen.
Tatsächlich kämpft der ID-Ansatz mit den gleichen Problemen wie die übernatürlichen Erklärungsangebote religiöser Hardliner. Ihr Gegenstandsbereich, das mutmaßliche „Design", ist unbekannt und unerforschlich, der ID-Ansatz praktisch inhaltsleer. Dessen Vertreter wollen nur festgestellt haben, dass irgendeine Intelligenz irgendwie Leben erschuf. Wie häufig und auf welcher Ebene der mutmaßliche Planer in die natürliche Entstehung der Arten eingriff, bleibt ebenfalls unklar. Üblicherweise kontert ID mit der Behauptung, es könne den Artefakt-Charakter an sich feststellen. Kenntnisse über den Designer und dessen Handlungs-Mechanismen seien nicht vonnöten.
Wie aber, fragt MAHNER rhetorisch, wolle man Design außerhalb menschlicher Artefakte „... feststellen, ohne die leiseste Ahnung davon zu haben, wie es zustande gekommen ist“ (S. 129)?
Dass das nicht funktionieren kann, belegt ein Beispiel aus der Archäologie: Prähistorische Steine mit bestimmten Schlagspuren lassen sich mit konkreten Schlagtechniken menschlicher Urheber oder anderer Primaten in Verbindung bringen. So kann die experimentelle Archäologie prüfen, inwieweit bestimmte Vorgehens-Weisen mit dem Muster korrelieren. Zudem kann sie ergründen, welche Absichten die Urheber mit den Steinen verfolgt haben könnten. Und sie kann prüfen, ob es zu besagten Zeiten und an den entsprechenden Orten potenzielle Urheber gab.
Kurz: Indem die Archäologie potenzielle Primaten-Erzeugnisse mit bekannten Technologien abgleicht und nach potenziellen „Designern“ fahndet, gelingt es ihr erst, die Design-Hypothese zu prüfen. Sie generiert Modelle, die konkrete Mechanismen und Nutzanwendungen postulieren und in diesem Sinn echte Erklärungen liefern. Wo dieses Wissen fehlt, ist die Archäologie nicht imstande, die Design-Vermutung zu bestätigen. Das ist das Problem des ID: Es existiert kein Hintergrundwissen, das es erlauben würde, den Schluss auf Design zu ziehen. Potenzielle nichtmenschliche Designer kennen wir nicht, und wir wissen nichts über mutmaßliche Mechanismen.
Entsprechend lautet das Urteil des Autors: „Um den Design-Ansatz glaubhaft zu machen, benötigt man neben Hintergrundwissen über die Absichten des Designers genau wie die Evolutionstheorie spezifische mechanismische Erklärungen als konkrete Modelle, die zeigen, welcher Designer auf welche Weise irreduzibel komplexe Organe geplant und ins Leben gerufen hat. … Damit kann man aber auch prüfen, ob dem Verweis auf einen Designer überhaupt eine mögliche Erklärungskraft zukommen kann, d. h., ob ID überhaupt in der Lage ist, ein alternatives Erklärungsparadigma anzubieten“ (S. 122).
Das heißt, der Verweis auf nicht reduzierbar Komplexes bringt ID nicht weiter, zumal es als Design-Kriterium weder notwendig noch hinreichend ist. Selbst wenn die „augenscheinliche Geplantheit“ (S. 126) eine reale Eigenschaft von Lebewesen wäre und die Evolutionstheorie als Erklärung ausfiele, würde daraus ID nicht zwingend folgen. Es gäbe noch andere natürliche Erklärungs-Möglichkeiten, zum Beispiel ein immaterielles Prinzip der Finalität. Derlei Erklärungen wären nicht weniger plausibel als ein intelligentes göttliches Design.
Fazit
MAHNER entfaltet den metaphysischen Naturalismus systematisch und legt stichhaltig dar, warum er eine notwendige Vorbedingung für wissenschaftliches Arbeiten darstellt. Er kontert Einwände gegen diese These und diskutiert, warum es unter Voraussetzung des Supranaturalismus keine Evidenz gibt. Und er lässt keinen Zweifel daran bestehen, dass jeder Versuch, Wissenschaft und Religion zu harmonisieren, auf einen faulen Kompromiss hinausläuft. Das wird die Religiösen nicht freuen – was nicht heißt, dass die liberaleren ihrer Zunft, im Gegensatz zu den Kreationisten, nicht sauber Wissenschaft betreiben können. Auf der metaphysischen Ebene jedoch knirscht es; religiöses und wissenschaftliches Denken gehen nicht Hand in Hand.
Ein Muss ist das Buch insbesondere für jene, die sich mit Intelligent Design befassen. Manchmal wären konkretisierende Beispiele hilfreich gewesen. Zum Beispiel wird nicht jedem Leser sofort einleuchten, warum ID „spezifische mechanismische Erklärungen“ vorweisen muss, um zu überzeugen. Schließlich behauptet ID, unabhängig von der Mechanismen-Frage den Nachweis zu führen, Lebewesen seien Artefakte. Hier hätte sich der Autor noch tiefer auf die (deutschsprachige) ID-Literatur einlassen können. Doch das sind Aspekte, die nur wenig ins Gewicht fallen.
Alles in allem ist die Lektüre für naturphilosophisch Interessierte und Wissenschaftler, die sich für die metaphysischen Grundlagen ihres Tuns interessieren, ein Gewinn. Sie stellt all jene vor große Herausforderungen, die meinen, Wissenschaft sei metaphysisch neutral oder mit dem Supranaturalismus vereinbar.
Martin Mahner: Naturalismus - Die Metaphysik der Wissenschaft
Alibri-Verlag, 2018. ISBN 3865692230. 246 Seiten. Preis: 18,- €
Kommentare
Einige Aspekte:
Hypothetischer Realismus der EE – Postulat: „…, dass es in der Welt überall ‚mit rechten Dingen‘ zugeht.“
Eve-Marie Engels kritisiert (nach meiner Erinnerung der Lektüre) daran die prinzipielle nicht-Überprüfbarkeit einer solchen Hypothese. Sie meint allerdings damit vornehmlich die Nicht-Belegbarkeit. Wichtiger als eine solche wäre allerdings die Widerlegbarkeit der Hypothese.
Zitat: „Falls das Anomalem Übernatürlichem geschuldet wäre (und nicht irgendwelchen außerirdischen Scherzbolden beispielsweise), könnten wir diese Vermutung nie empirisch-wissenschaftlich absichern. Wir könnten nur das Scheitern der naturalistischen Universalitätsannahme feststellen.“
Statt "nur" könnte man aber auch "immerhin" sagen.
Es zwingt „uns“ niemand etwas empirisch abzusichern, so lange das denkbare Eintreten von diesem und jenem die Hypothese widerlegt.
?
Denn nach der Aussage des Zitats klingt es so als sei damit eine Widerlegbarkeit gegeben.
Und jetzt kommt’s: Die Widerlegbarkeit ist denkbar, aber nur unter der Annahme der Beobachtbarkeit von Übernatürlichem.
Rein logisch würde dies bedeuten, erst, wenn etwas Anomales Übernatürliches beobachtbar wäre, könnte die Hypothese der universellen Gültigkeit widerlegt werden. Da es jedoch die Eigenart von Übernatürlichem ist, sich eben nicht physisch zu zeigen, ist die Widerlegbarkeit nicht gegeben und die Aussage Hypothes deshalb unwissenschaftlich.
uff (?)
Demnach benötigt Wissenschaft zur eigenen Legitimation die Denkbarkeit von Unwissenschaftlichem. (?)
Ehrlich gesagt: Das klingt für mich eigentlich wie ein schlechter Witz!
Gleichzeitig zeigt uns Wissenschaft (inzwischen!) auf, dass die Denkbarkeit von irgendwas immer real existierender Menschen bedarf (sonst kann nichts - im verwendeten Sinne des Wortes denken - gedacht werden). Diese Menschen sind nach wissenschaftlicher Erkenntnis jedoch Produkt von Evolution.
Wenn diese Menschen also der Meinung sein sollten (naja, vielleicht einige davon), es gebe eine absolute Wahrheit und die sei auch noch durch real existierende Menschen erkennbar, dann benötigen diese den obigen Gedankengang, also metaphysische Annahmen.
Im Übrigen müssten sie die Annahme der Existenz einer absoluten Wahrheit UND der prinzipiellen Erkennbarkeit durch real existierende Menschen nachvollziehbar begründen um diese Annahme ihrerseits zu legitimieren.
Nebenbei: Dass Realität als solche prinzipiell nicht zu erkennen ist, darüber sind sich alle einig.
Zitat: „Würden wir den Naturalismus rein als Verfahrensregel auffassen, wäre unklar, weshalb wir überhaupt nach ihr verfahren sollten.“
Und hier bin ich anderer Meinung! Es wäre schlicht Ausdruck einer Bescheidenheit - die einem Lebewesen, das lediglich Produkt von Evolution ist, recht gut anstünde - im Sinne der Abwesenheit von nicht-überprüfbaren Annahmen und übermütigen Interpretationen, die eben den Mangel der Unwiderlegbarkeit aufwiesen.
Mir ist nicht klar, warum die wissenschaftliche Erkenntnis des Vorliegens einer Evolution nicht einen derartigen Einzug in philosophische Grundhaltungen zur Folge haben sollte, außer, dass man das, was einige unter Philosophie verstehen möchten (Metaphysik) aufgeben würde.
Besitzstandswahrung?
Dazu fällt mir der Wiener Kreis ein.
Sei's drum.
Zudem würden wir (das ist ja tatsächlich so) bemerken, dass diese Haltung erfolgreich ist, weil sie gestattet, taugliche Aussagen über die uns wahrnehmbare Welt zu machen und dies ganz gar stetig wachsend. Tauglich im Sinne von „zwanglos verstehbar“ (die Aussagen, nicht die Methode, die wäre dann schlicht Konvention mit Bescheidenheitsbegründung) - wenngleich im Detail durchaus aufwändig UND kein Schenkelklopfer nach dem Motto: „Ich hab’s ja gleich gewusst“ - und zudem auch noch z. B. technisch anwendbar. ...
Warum sollte diese Haltung nicht als Fundament dienen können?
Die These – Naturalismus als Verfahrensregel - ist m. E. nur DANN abzulehnen oder unzulänglich (kann nur DANN nicht als Fundament dienen), wenn man gleichzeitig der Meinung ist, es hätte gefälligst eine absolute Wahrheit zu geben UND diese sei auch noch wenigstens prinzipiell für realexistierende Menschen erkennbar (z. B. unter der Annahme Wissenschaft hätte dies zu leisten). Gibt man beides auf, ist der Weg für die Annahme dieser These/Haltung/Regel geebnet und selbstverständlich könnte man genau die Wissenschaft betreiben, die man jetzt auch betreibt.
?
Deswegen ist:
Zitat: „So ‚bleibt die Wahl und Anwendung dieser Regeln ohne eine dazugehörige Metaphysik unfundiert‘ (S. 152).“
aus meiner Sicht keine zwingende Schlussfolgerung, da ich kein (für mich erkennbares) Problem sehe den Anspruch auf Wahrheitserkenntnis aufzugeben.
Lass' mich gerne eines Besseren belehren, warum diese Haltung nicht legitim sein soll(te).
Antworten
Noch eine Anmerkung.
Es wäre m. E. sehr hilfreich, wenn wir auf die Besonderheiten der Formulierungsmöglichkeiten unserer Sprache achten würden:
Der Satz (Zitat):
"Bereits die Annahme, dass eine Substanz in einer Messapparatur weder aus dem Nichts entstand noch ins Nichts verschwindet, ist metaphysisch."
Stimmt.
Der Satz, der diese Annahme zum Ausdruck bringt, ist aber auch gleichzeitig sinnlos und kann schon allein deshalb nicht Fundament von Wissenschaft sein. (Nebenbei frage ich mich, welche(r) Naturwissenschaftler(in) das heute noch so formulieren würde.)
Warum?
Das sog. Nichts ist eine Substantivierung des Wortes nichts. Diese sprachliche Möglichkeit verleitet uns in dem grammatikalisch richtigen Satz einen Sinn zu vermuten. An der Sinnlosigkeit ändert allerdings weder die Verneinung (bzw. die Möglichkeit derselben) noch die Bejahung (bzw. ...) des Satzes etwas.
Wenn wir das igorieren, so machen wir Aussagen abhängig von einer sprachlichen Besonderheit, nämlich der Substantivierbarkeit von Wörtern. Es wäre demnach zunächst eindeutig zu begründen, warum diese sprachliche Möglichkeit (einige Sprachen der Welt weisen diese Möglichkeit auf, andere nicht) zu irgendwas Universellem taugen sollte außer "Geschwafel" zu produzieren.
Diese Begründung ist m. E. nicht möglich, gleichwohl wäre ich sehr gespannt wie sie denn wohl ausfallen würde.
Antworten
Hallo Huxley,
Ihr Zitat: „Hypothetischer Realismus der EE – Postulat: „…, dass es in der Welt überall ‚mit rechten Dingen‘ zugeht.“ Eve-Marie Engels kritisiert (nach meiner Erinnerung der Lektüre) daran die prinzipielle nicht-Überprüfbarkeit einer solchen Hypothese.“
Dass es in der Welt überall mit rechten Dingen zugeht, ist eine Allaussage. Allaussagen ("Alle x haben die Eigenschaft y") lassen sich nicht beweisen, aber durch ein einziges Gegenbeispiel widerlegen. Insofern liegt die Beleglast, dass es in der Welt nicht überall mit rechten Dingen zugeht, dass es also Wunder gibt, bei dem, der das behauptet. Ansonsten wäre es interessant, wenn Sie eine konkrete Aussage von Eve-Marie Engels zur Diskussion stellen könnten.
Ihr Zitat: „Rein logisch würde dies bedeuten, erst, wenn etwas Anomales Übernatürliches beobachtbar wäre, könnte die Hypothese der universellen Gültigkeit widerlegt werden.“
Solange kein Beleg für Übernatürliches geliefert wird, ist auch von der universellen Gültigkeit auszugehen. Wäre keine universelle Gültigkeit gegeben, müsste davon ausgegangen werden, dass nicht überall auf der Erde die (oder die gleichen) Naturgesetze gelten.
Ihr Zitat: „Wenn diese Menschen also der Meinung sein sollten (naja, vielleicht einige davon), es gebe eine absolute Wahrheit und die sei auch noch durch real existierende Menschen erkennbar, dann benötigen diese den obigen Gedankengang, also metaphysische Annahmen.“
Was ist absolute Wahrheit? Können Sie ein Beispiel nennen?
Ihr Zitat: „Dass Realität als solche prinzipiell nicht zu erkennen ist, darüber sind sich alle einig.“
Bei der Realität handelt es sich selbstverständlich um eine Rekonstruktion des Gehirns.
Antworten
Noch mehr zum hypothetischen Realismus:
Ein fundamentaler Einwand speziell gegen den hypothetischen Realismus ist der:
Der hypothetische Realismus widerlege sich selbst, denn seine Behauptung, alle Erkenntnis sei hypothetisch, führe bei Selbstanwendung zu reiner formalen Inkonsistenz.
Vollmer´s Kritik auf diesen Einwand lautet leicht gekürzt folgendermaßen:
"Der hypothetische Realismus behauptet (…) nicht, alle Sätze seien hypothetisch, sondern nur, ´alle synthetischen Sätze sind hypothetisch´. Dies ist eine schwächere Aussage. Es geht dabei nicht um alle Sätze, sondern nur um die nicht-analytischen, um jene also, die nicht schon aus logischen Gründen wahr sind. Der genannte Satz ist nun selbst entweder analytisch oder nicht. Ist er analytisch, so ist er nicht selbstanwendbar, da er über analytische Sätze nichts sagt. (…) Nehmen wir deshalb an, der Satz ´alle synthetischen Sätze sind hypothetisch´ sei seinerseits synthetisch. Dann sollte er auch für sich selbst gelten, also selbstanwendbar sein. Er sagt dann über sich selbst, er sei, da synthetisch, auch hypothetisch, also falsch oder wahr-und-unbeweisbar. Insbesondere könnte er falsch sein; er könnte nämlich (…) beweisbare synthetische Sätze geben. Sollte es sie geben, so ist zwar die Grundthese des hypothetischen Realismus falsch; das führt jedoch trotz aller Rückbezüglichkeit nicht zu einem Widerspruch. Nach dem hypothetischen Realismus liegt es vielmehr gerade im Wesen synthetischer Aussagen, auch falsch sein zu können. Beweisbar dagegen kann unser Satz nicht sein. Denn unter der Annahme, er sei beweisbar, wir er ja falsch; dann könnte er gerade nicht beweisbar sein. Die Annahme, er sei unbeweisbar, führt dagegen nicht in einen Widerspruch; denn das sagt er ja selbst." (Vollmer, 1985, 252)
Den Konsistenznachweis für die Grundthese des hypothetischen Realismus verwechselt Vollmer dabei nicht mit einem Wahrheitsbeweis, sondern hält fest: "Diese Konsistenz (…) ist nur die notwendige Bedingung, von der wir gezeigt haben, daß sie tatsächlich erfüllt sind. Die Selbstanwendung des hypothetischen Realismus ist also zulässig." (ebd. 288)
Und auf Lorenz zurückgreifend (2) bemerkt er: "Unsere Arbeitshypothese lautet also: ´Alles ist Arbeitshypothese´." (ebd. 289)
Von einem Absolutheitsanspruch, den die Vertreter des hypothetischen Realismus zur Geltung ihrer Position beanspruchen, kann also keine Rede sein.
(Quelle A: Evolutionäre Erkenntnistheorie und Theologie, U. Lücke, 1990, vgl. S. 49 f.)
Ein ähnlicherer Vorwurf an den hypothetischen Realismus lautet:
Evolutionäre Erkenntnistheorie beansprucht, eine Grundfrage der philosophischen Erkenntnistheorie mit Hilfe einer naturwissenschaftlichen Theorie beantworten zu können. Doch liegen hier Grenzen. Angesichts der Aporien der Abbildtheorie - sie müßte den Gegenstand selbst kennen, den sie abbildet - kann der Abbildcharakter unserer Alltagserkenntnis - des Mesokosmos - nur durch die Wissenschaft überprüft werden. An die Realitätsgerechtheit wissenschaftlicher Theorien muß Evolutionäre Erkenntnistheorie dann ihrerseits glauben. Des Problem ist, wie die Korrespondenz wissenschaftlicher Aussagen mit der Realität garantiert werden könnte. (Antwort Vollmer´s: siehe Antwort 1) …Unbefragt setzt Evolutionäre Erkenntnistheorie physikalischbiologische Realität mit Wirklichkeit an sich gleich. Versteht man jedoch den hypothetischen Realismus im Sinne eines internen Realismus, so entfallen die Probleme, die mit einem objektiv und metaphysisch behaupteten hypothetischen Realismus verbunden sind. Vollmer möchte sich allerdings mit dem internen Realismus nicht zufriedengeben (Engels 1989, 222-240). (Antwort Vollmer´s: siehe Antwort 2)
(Quelle: Lehrbuch der Evolutionären Erkenntnistheorie, Bernhard Irrgang, S. 140)
Antwort 1:
Die Korrespondenztheorie der Wahrheit liefert nämlich gar kein Wahrheitskriterium, sondern zunächst nur eine Definition der Wahrheit. Erfüllbar hinreichende Kriterien für Wahrheit gibt es, wie die Erkenntnistheoretiker nach zweieinhalb Jahrtausenden vergeblicher Suche und wachsender Zweifel einsehen mußten, tatsächlich nicht. Was wir haben sind notwendige Kriterien wie Konsistenz, Bewährung, Kohärenz, Konsens, wie sie von den verschiedenen Wahrheitstheorien hervorgehoben werden. Für die Definition von Wahrheit greifen alle diese Theorien letztlich doch auf die Korrespondenztheorie zurück. (Quelle C: vgl. S. 24 f.)
Antwort 2:
Warum sich Vollmer mit dem internen Realismus Putnams nicht zufrieden gibt:
Laut Vollmer ist der interne Realismus Putnams genau genommen keiner mehr. Man könnte einwenden, die Gottesperspektive stelle eine unzulässige Idealisierung dar. Doch kommt keine Wahrheitstheorie ohne Idealisierungen aus. Der interne Realismus z. B. sieht als wahr an, was am Ende aller Forschung über die Welt behauptet wird. Wenn das keine Idealisierung ist! Gegen den zuletzt erhobenen Einwand der Idealisierung verteidigen sich Realismus und Korrespondenztheorie mit einem Tu-Quoque-Argument: Ja, es handelt sich um eine Idealisierung; aber andere Wahrheitstheorien benutzen vergleichbare Kunstgriffe. (Quelle C: vgl. S. 24 f.)
Ursprünglich vertrat Putnam eine realistische Position:
"The typical realist argument against Idealism ist that it makes the success of science a miracle." (Putnam 1976, 177; …) Der Realist kann den Erfolg der Wissenschaft erklären, der Anti-Realist nicht. Denn wenn es Quarks und Quasare gibt, dann ist es kein Wunder, dass Theorien, die deren Existenz behaupten oder voraussetzen, damit Erfolg haben. Wenn es diese Objekte dagegen gar nicht gibt, wieso gelingen uns dann mit diesen Theorien korrekte Voraussagen und so viele weitere Problemlösungen? (Quelle C: vgl. S. 96)
Bedenklich ist, dass Putnam seine Haltung erneut geändert hat:
Er ist zu einem direktem Realismus übergegangen (Putnam 1994), der im Bereich des Mesokosmos dem hypothetischen Realismus von Popper, Lorenz, Campbell, Vollmer (1975, 34-40) weitgehend entspricht. … Dass der Erfolg der Wissenschaft den Realismus stützte, ist ein wissenschaftshistorischer und wissenschaftstheoretischer Gemeinplatz. Aber auch der Erfolg der Wissenschaft ist natürlich kein Beweis für den Realismus. Und umgekehrt gilt: Dass Idealismus, Positivismus, Instrumentalismus etwas nicht erklären können, widerlegt sie nicht. Man wird aber sagen dürfen, dass der Realismus mehr erklärt. (Quelle C: Wieso können wir die Welt erkennen? Gerhard Vollmer, 2003, vgl. S. 97)
Antworten
Im seinen neuen Buch "Im Lichte der Evolution" schreibt G. Vollmer auf S. 365:
Was sind die Hauptthemen des hypothetischen Realismus? Es gibt eine reale Welt, in ihrer Existenz und in ihren Eigenschaften unabhängig von unserem Bewusstsein. Sie ist strukturiert, zusammenhängend, quasikontinuierlich; sie ist teilweise erkennbar und erklärbar durch Wissenschaften, Erfahrung und eine intersubjektive Wissenschaft. Aber all unser Wissen über die Welt ist vorläufig, fehlbar (fallibel), unsicher, eben hypothetisch.
Was spricht für einen Realismus? Das beste Argument für den Realismus ist nicht, wie manche meinen, der Erfolg vieler unserer Theorien. Denn woran sollten Theorien scheitern, wenn nicht daran, dass sie falsch sind, dass die Welt eben anders ist, als die Theorie behauptet? Wahr und falsch werden hier im korrespondenztheoretischen Sinne verstanden, der eine reale, strukturierte und teilweise erkennbare Welt da draußen voraussetzt.
Antworten
"Aber all unser Wissen über die Welt ist vorläufig, fehlbar (fallibel), unsicher, eben hypothetisch."
Da drängen sich aber, sicher nicht nur mir, unaufschiebbare Fragen auf.
Macht das nicht aus unserem allseits geschätzten Klarsich(ig) ebenfalls einen Glaubensinfizierten ?
Noch schlimmer, würde das bedeuten Herr Lehnert könnte ebenfalls einer illusionären Weltsicht unterliegen ?
Und, gar nicht auszudenken, für Herrn Machmeier liegt die Wurzel allen Übels in der Irrationalität; Wie bitteschön kann man denn noch rational handeln in einer vorläufigen, fehlbaren, unsicheren, eben hypothetischen Welt.
Sie sehen mich atemlos auf eine Antwort wartent !
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@ Der Schokopäde:
Ich denke, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen den antagonistischen Positionen der „Glaubens-Infizierten“ und ihren Gegnern darin besteht, dass sie, die Gegner, jederzeit bereit sind, ihre Positionen den in Wissenschaft und Forschung neu gewonnenen Erkenntnissen anzupassen. „Glaubens-Infizierte“ haben sich aber einer erkenntnismäßig „abgeschlossenen Glaubensideologie“ unterworfen und sind Mitglieder des Kollektivs, das mit der Ideologie sympathisiert. Deswegen sind sie durchweg gezwungen, sich gegenüber jeder neuen Erkenntnis oder Argumentation, die die Fortexistenz der Ideologie, der sie sich mit Haut und Haaren ausgeliefert haben, gefährden könnte, gewissermaßen zu verschließen.
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Hallo Schokopaede,
aufgrund der uns allen gegebenen Handlungsfreiheit können auch Sie weiterhin so handeln wie bisher. Und die Erde wird sich weiter drehen. 😉
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Werter Klarsicht(ig),
also unterliegt Herr Lehnert deshalb keiner illusionären Weltsicht weil er seine Erkenntnisse laufend anpasst ? Das stellt mich vor die Frage ob seine alte Weltsicht ebenso illusionlos war wie die neue aber wenn Sie das so sagen wird es schon stimmen. (Irrationalität wäre für Herrn Machmeier ein Greuel, hab ich ja schon erwähnt.)
Dank auch an Herrn Steiner !
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