In wissenschaftlichen Kreisen ist völlig unabhängig vom Fachgebiet hin und wieder ein Phänomen zu beobachten, welches ich persönlich als eine Art “ontologische Altersangst” bezeichnen würde.
Dieses Phänomen äußert sich zuweilen durch veröffentlichte Bücher oder Interviews, deren Inhalt einen angeblich ultimativen Hinweis oder zumindest eine hochspekulative These für eine Existenz nach dem Tod bietet.
Im Speziellen wird damit eine Trennung des menschlichen Geistes vom Körper und somit der Fortbestand des Bewusstseins über den Tod hinaus postuliert. Nicht selten wird dabei auch noch unterschwellig eine Brücke zu religiösen Themen geschlagen. Solche Veröffentlichungen stammen jedoch diesmal nicht, wie man üblicherweise annehmen könnte, von Esoterikern oder Theologen, sondern von alternden Wissenschaftlern, die sich bisher mehr oder weniger untadelig auf dem Boden wissenschaftlicher Regeln bewegt haben.
Keine Frage also, dass man bei solchen Aussagen unwillkürlich die Augenbrauen ungläubig nach oben zieht und erst einmal überprüft, ob es sich bei dem oder der AutorIn denn überhaupt um die in der Wissenschaft anerkannte Person handelt. In der Tat stellt man dann erstaunt fest, dass tatsächlich manche der bis dato fachlich unverdächtigen WissenschaftlerInnen mit zunehmendem Alter urplötzlich zu neuen ontologischen Ufern aufbrechen. Dabei machen sie zuweilen auch nicht vor philosophischen und schlimmstenfalls vor esoterischen Verzerrungen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Interpretationen halt. So wird in den entsprechenden Artikeln und Büchern immer wieder um eine krampfhafte Wiederentdeckung außerphysikalischer, religiöser oder spiritueller geistiger Ewigkeitsstrukturen in Bezug auf das eigene Bewusstsein gerungen.
Häufig konstruieren die AutorInnen ihre vermeintlich neuen Thesen auf der Basis oder in unmittelbarer Nähe zu ihrem Fachgebiet und unterstützen sie mit neurowissenschaftlichen oder quantenphysikalischen Erkenntnissen. Dass hauptsächlich diese beiden Disziplinen von solchen spekulativen Ewigkeitswünschen betroffen sind ist kaum verwunderlich. Hier nämlich bieten die bisher zahlreichen Forschungslücken und die zum Teil schwer verständlichen Ergebnisse ein weitläufiges Interpretationsfeld und laden daher regelrecht zu wilden Spekulationen ein. Gleichwohl verlieren sich die AutorInnen dabei häufig in verquere Einzelheiten, in denen sich ihre eigene schlechte Recherche und das fehlende Verständnis für die komlexen Vorgänge des fachfremden Gebiets bemerkbar macht. So werden in beiden Disziplinen häufig vermeintliche Rückschlüsse und Forschungsergebnisse kritisiert, zu denen tatsächlich jedoch niemand gekommen ist oder – im günstigsten Fall – von einem Journalisten fehlinterpretiert veröffentlicht wurde.
Mit derart handwerklichen Fehlern versehen offenbaren die AutorInnen in ihren Ewigkeitspostulaten eher persönliches Wunschdenken als kritische Forschung. Häufig beruhigen sie damit nicht nur ihre eigenen ontologischen Ängste, sondern auch die ihrer Leser. Die nämlich sind ob des um sich greifenden Verlusts religiösen Urvertrauens dankbar über mögliche neue Erkenntnisse ewigen Überlebens. Dabei schenken sie nur allzu gerne unkritisch den falschen oder im günstigsten Fall hochspekulativen Ausführungen Glauben, deren Inhalte sich oftmals beim interessierten Laienpublikum genauso einnisten wie der angeblich hohe Eisengehalt im Spinat. Für den fachlich versierten Lesenden aus den oben genannten Disziplinen sind jedoch solche Bücher kaum relevant, da aufgrund der für sie leicht erkennbaren Fehler die Theorie bereits im Ansatz scheitert.
Letztendlich verfolgen die AutorInnen jedoch mit solchen selbstgebackenen und fehlerbehafteten Erkenntnissen lediglich den Zweck, das Bewusstsein über den Tod hinweg zu retten und den Fortbestand desselben auf einer anderen Ebene zu sichern. Gleichwohl liegt die Ursache für ein solches Begehren in der womöglich schmerzhaften Erkenntnis eigener Endlichkeit durch den unausweichlichen Tod, der ihnen zumeist aufgrund ihres zunehmenden Alters mehr oder weniger deutlich vor Augen steht. Um zu retten, was noch zu retten ist konstruieren sie weitreichende ewige Daseinsgesetze mit verquer physikalisch begründeten und dennoch tiefreligiösen Hintergründen. Oftmals sind sie sich dabei auch nicht zu schade, eine überirdische und damit religiöse Instanz aus der eigenen indoktrinierten Kindheit unter der fehlbenutzten Wissenschaft zu postulieren und sich damit endgültig pseudowissenschaftlich zu verlieren. Im Prinzip ist jedes krude Mittel recht, um dem eigenen Bewusstsein die gewünschte Unendlichkeit zu verpassen.
Jedoch erreichen die AutorInnen der bewusstseinsrettenden Schriften damit nicht mehr als den Betrug des eigenen Gewissens. Gleichzeitig führen sie sich selbst und die Lesenden hinters Licht. Denn allem Anschein nach ist der Tod endgültig. Zumindest spricht keine reale Erkenntnis dagegen. Zusätzlich halten alle philosophischen und theologischen Ausführungen, die bisher ein Überleben behaupten einer strengen rationalen Überprüfung nicht stand. Ob wir dafür im Gegenzug je in der Lage sein werden, die biologische und chemisch-physikalische Komplexität des Gehirns zu durchschauen steht in den Sternen, obwohl ich persönlich davon überzeugt bin. Insofern werden wir sicher auch die vollständige Abhängigkeit des Bewusstseins und somit aller Denkprozesse vom Gehirn in allen Einzelheiten irgendwann erkennen, ob sie nun deterministisch sind oder nicht. Ohne Gehirn kein Bewusstsein, und ob es überhaupt so etwas wie einen in loser Abhängigkeit mit dem Bewusstsein agierenden Geist gibt wage ich ganz heftig zu bezweifeln. Eher werden wir wohl nichts von solchen religiösen Fantasieprodukten finden, denn mehr als das sind sie wohl auch nicht.
Auf eines können wir uns jedoch immer voll und ganz verlassen. Es wird nach dem Tod genau das kommen, was die Physik für uns bereit hält, auch wenn es nicht mehr als nichts ist. Da nutzt auch kein Glaube an was auch immer. Ob es uns passt oder nicht.
Kommentare
Manche Wissenschaftler bringen eben im Alter etwas Mut auf und durchbrechen die Dogmen des Atheismus. Es ist doch ganz einfach so, dass die meisten an ihren Job und ihren Forschungsgeldern hängen. Wer etwas von der vorherrschenden Lehrmeinung an den Universitäten abweicht, wird gleich diskriminiert, wie hier in dem Artikel zu erkennen ist. Ich möchte hier natürlich nicht die dogmatischen Vorstellungen der Religionen verteidigen, sondern die neue ganzheitliche Wissenschaft. Im Übrigen gibt es auch immer mehr jüngere Wissenschaftler, die sich vom Atheismus abwenden. Nach meinen Recherchen gibt es mittlerweile mehr Argumente die für als gegen ein unsterblichen Bewusstsein sprechen. Fakt ist auch, der Atheismus hat keinen einzigen Beweis, dass das Bewusstsein nach dem Tod erlischt.
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Sehr interessant! Die Links führen zu einem empfehlenswerten Blog, der unterhaltsam geschrieben ist und zum Nachdenken anregt. Ich freue mich, hier darauf gestossen zu sein!
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