Postmodernismus vs. Wissenschaft

Die Wurzeln des gegenwärtigen Wahnsinns an den Universitäten

Postmodernismus vs. Wissenschaft

Foto von Brian Dalton

1946 bemerkte George Orwell im London Tribune in einem Essay unter dem Titel „Direkt vor deiner Nase“ („In Front of Your Nose“), dass „wir alle dazu in der Lage sind, Dinge zu glauben, von denen wir wissen, dass sie unwahr sind und dann, wenn wir schließlich widerlegt werden, in unverschämter Weise die Fakten so hindrehen, dass es so aussieht, als hätten wir richtiggelegen. Es ist intellektuell möglich, diesem Prozess für unbestimmte Zeit anzuhängen: Die einzige Möglichkeit des Begreifens besteht darin, dass wir früher oder später mit unserem falschen Glauben direkt mit der harten Wirklichkeit kollidieren, üblicherweise auf einem Schlachtfeld.“

Diese intellektuellen Schlachtfelder der heutigen Zeit sind die Universitäten, wo die festen Überzeugungen der Studenten über Rasse, Ethnie, Geschlecht und sexuelle Überzeugung und ihre Soziale-Gerechtigkeits-Antipathie gegenüber Kapitalismus, Imperialismus, Rassismus, weiße Privilegien, Frauenfeindlichkeit und das „cis-sexistische Hetero-Patriarchat“ mit der Realität aus widersprechenden Fakten und anderen Meinungen kollidieren, was zu Chaos an den Universitäten und sogar zu Gewalt führt. So haben beispielsweise Studenten an der Universität Berkeley in Kalifornien und Unruhestifter von außerhalb randaliert, als lediglich erwähnt wurde, dass die konservativen Hitzköpfe Milo Yiannopoulos und Ann Coulter als Redner eingeladen wurden (aber letztlich nie auftraten). Studenten am Middlebury College attackierten den libertären Autor Charles Murray und seine liberale Gastgeberin, Professorin Allison Stanger, zogen an ihren Haaren, verrenkten ihren Hals und schickten sie so in die Notaufnahme.

Eine der zugrundeliegenden Ursachen für die beunruhigende Situation lässt sich in den Vorgängen am Evergreen State College in Olympia, Washington finden. Dort hatte der Biologe und nach eigenen Angaben „tief progressive“ Professor Bret Weinstein sich geweigert, am „Tag der Abwesenheit“ teilzunehmen, an dem „weiße Studenten, Angestellte und Dozenten dazu angehalten werden, die Universität für einen Tag zu verlassen.“ Weinstein weigerte sich und schrieb in einer E-Mail: „an einer Universität darf das Recht zu sprechen – oder überhaupt anwesend zu sein – niemals an die Hautfarbe geknüpft sein.“ Als Reaktion störte ein wütender Mob aus 50 Studenten seine Biologie-Vorlesung, umringte ihn, nannte ihn einen Rassisten und bestand auf seiner Entlassung. Er behauptet, dass die College-Polizei ihm mitteilte, dass der College-Präsident sie angewiesen hätte, nicht einzugreifen, so dass er um seiner eigenen Sicherheit willen gezwungen war, der Universität fernzubleiben.

Inkompatible Weltanschauungen

Wie konnte es soweit kommen? Einer von vielen Trends wurde von Weinstein in einem Essay für das Wall Street Journal benannt: „Die eher zugeknöpften empirischen und deduktiven Fächer, inklusive der harten Naturwissenschaften, haben Seite an Seite mit der ‘Kritischen Theorie’, Postmodernismus und ihren sonstigen empfindungsbasierten Verwandten gelebt. Seit der Erschaffung neuartiger Gerechtigkeits-basierter Fächer in den 60er und 70er Jahren haben sich diese inkompatiblen Weltanschauungen gegenseitig abgestoßen.“

In einem Artikel auf Quillette.com unter dem Titel „Methoden hinter dem Universitäts-Wahnsinn“, berichtet die Forscherin Smunatra Maitra von der Universität Nottingham in England, dass 12 der 13 Akademiker der Universität Berkeley, die in einem Brief gegen Yiannopoulos protestierten, aus den Bereichen „Kritische Theorie, Gender Studies, Postkolonialismus, Postmodernismus und Marxismus“ stammten. Es gibt einen Wandel in der marxistischen Theorie, weg vom Klassengegensatz hin zur Identitätspolitik – statt Personen nach ihrem Charakter zu bewerten, werden sie nun nach ihrer Hautfarbe (oder Ethnie, Geschlecht, sexueller Orientierung etc.) bewertet. „Postmodernisten haben versucht, sich der Biologie zu bemächtigen, haben weite Teile der Politikwissenschaft übernommen, dazu fast die gesamte Anthropologie, Geschichte und Anglistik“ Maitra kommt zu dem Schluss: „Sie haben selbstreferentielle Zeitschriften erschaffen, Zitierkartelle, nicht reproduzierbare Studien, die Beeinträchtigung nuancierter Debatten durch Aktivismus und Märsche, die Aufwiegelung einer Bande leichtgläubiger Studenten um abweichende Gedanken einzuschüchtern.“

Studenten bekommen von diesen postmodernen Professoren beigebracht, dass es keine Wahrheit gibt, dass Wissenschaft und empirische Fakten Instrumente der Unterdrückung durch das weiße Patriarchat sind und dass jeder in Amerika rassistisch und voreingenommen ist, inklusive ihrer eigenen Professoren, von denen doch die meisten Liberale oder Progressive sind, die sich eigentlich dem Kampf gegen diese gesellschaftlichen Übel verschrieben haben. Unter den 58 Evergreen-Dozenten, die eine Stellungnahme „in Solidarität mit den Studenten“ verfassten und Disziplinarmaßnahmen gegen Weinstein forderten, weil dieser die Gemeinschaft durch Interviews in überregionalen Medien „gefährdet“ hätte, konnte ich nur sieben aus den Naturwissenschaften ausmachen. Die meisten entstammten Anglistik, Literatur, Kulturwissenschaften, Gender Studies, Medienwissenschaften oder befassen sich mit dem „alltäglichen Imperialismus, intermetropolistischer Geographie und kulturelle Zweckentfremdung“. Ein Kurs namens „Fantastischer Widerstand“ wurde als „Trainings-Dojo für angehende Social Justice Warriors“ mit einem Fokus auf „Macht-Asymmetrien“ angepriesen.

Wenn man Studenten beibringt, Krieger gegen jegliche Macht-Asymmetrie zu sein, darf man sich nicht wundern, wenn sie sich gegen die Professorenschaft und die Verwaltung stellen. Genau das passiert, wenn man Fakten von Werten, Empirismus von Moral und Naturwissenschaften von Geisteswissenschaften trennt.

Übersetzung: Lukas Mihr, Jörg Elbe

(Foto von Jordi Play)

Michael Shermer ist Buchautor, Gründer und Herausgeber des „Sceptic Magazine“ und schreibt für die Zeitschrift „Scientific American“.

http://www.michaelshermer.com/​
http://www.skeptic.com/

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Kommentare

  1. userpic
    Manfred Lohnbauer

    Das ist ein sehr treffender Artikel. Leider tummeln sich auch an den europäischen Universitäten viele linksintellektuelle Professoren, deren Fächer nicht wissenschaftlich sondern ideologisch begründet sind. Mit guten Löhnen üppig versorgt, versteigen sie sich in ihre Fantasiewelten und entfernen sich immer mehr von der realen Welt hart arbeitender Leute, die sie letztlich ausbeuten, da sie und ihr Fach von deren Steuern finanziert werden.

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