Ein kläglich bemühter Leitartikel in der britischen Zeitung The Independent bat kürzlich um eine Versöhnung zwischen Wissenschaft und „Theologie“.
Er bemerkte, dass „die Leute so viel wie möglich über ihre Ursprünge erfahren möchten“. Ich hoffe gewiss, dass sie das tun, aber wie um alles in der Welt kommt man auf die Idee, dass die Theologie etwas Brauchbares zu dem Thema beitragen könnte?
Die Wissenschaft ist verantwortlich für das folgende Wissen über unsere Ursprünge. Wir wissen annähernd, wann das Universum begann und warum es überwiegend aus Wasserstoff besteht. Wir wissen, warum sich Sterne bilden und was in ihrem Inneren geschieht, um Wasserstoff in die anderen Elemente umzuwandeln, wodurch die Chemie in eine Welt der Physik geboren wird. Wir kennen die grundlegenden Prinzipien, wie eine Welt der Chemie durch das Hervorbringen selbst-reproduzierender Moleküle zur Biologie werden kann. Wir wissen, wie das Prinzip der Selbst-Replikation durch die darwinistische Selektion alles Leben ermöglicht, auch das menschliche.
Es ist die Wissenschaft und nur die Wissenschaft, welche uns dieses Wissen gab und sie gab es uns außerdem in faszinierendem, überwältigendem, sich gegenseitig bestätigendem Detail. Zu jeder dieser Fragen hat die Theologie eine Position vertreten, die nach und nach widerlegt wurde. Die Wissenschaft hat die Pocken ausgerottet, kann gegen vormals tödliche Viren immunisieren, kann vormals tödliche Bakterien unschädlich machen.
Die Theologie hat nichts getan, außer von Pestilenz als die Strafe für Sünden zu sprechen. Die Wissenschaft kann vorhersagen, wann ein bestimmter Komet wieder erscheinen wird und, zweitens, wann die nächste Sonnenfinsternis zu erwarten ist. Die Wissenschaft hat Menschen auf den Mond gebracht und hat Aufklärungsraketen um Saturn und Jupiter gejagt. Die Wissenschaft kann Ihnen das Alter eines bestimmten Fossils nennen und dass das Grabtuch von Turin eine mittelalterliche Fälschung ist. Die Wissenschaft kennt die genauen DNA-Baupläne von mehreren Viren und wird, noch in der Lebenszeit der meisten Leser, auch die vom menschlichen Genom kennen.*
Was hat die Theologie jemals von sich gegeben, das für irgend jemanden auch nur von allerkleinstem Nutzen wäre? Wann hat die Theologie jemals etwas festgestellt, das nachweisbar korrekt und nicht offensichtlich ist? Ich habe Theologen zugehört, ihre Bücher gelesen und mit ihnen debattiert. Ich habe noch niemals von keinem von ihnen auch nur irgend etwas von allerkleinstem Nutzen gehört, nichts, das nicht entweder schon längst völlig offensichtlich ist oder von vorne bis hinten falsch. Wenn all die Errungenschaften der Wissenschaft morgen ausgelöscht wären, dann gäbe es keine Mediziner, sondern Medizinmänner, kein schnelleres Transportmittel als Pferde, keine Computer, keine gedruckten Bücher, keine Landwirtschaft, die für mehr als zum purem Überleben reicht. Wenn all die Errungenschaften von Theologen morgen ausgelöscht wären, könnte irgendjemand auch nur den allerkleinsten Unterschied feststellen? Sogar die schlechten Errungenschaften der Wissenschaft, wie Bomben oder sonar-gelenkte Wahlfängerschiffe, funktionieren! Die Errungenschaften von Theologen tun nichts, verändern nichts, bedeuten nichts. Wie kommt überhaupt jemand auf die Idee, dass "Theologie" ein Fachgebiet ist?
*Anm. des Übersetzers: Das "Human Genome Project" hat dieses Kunstwerk inzwischen vollbracht.
Übersetzer: Andreas Müller
Original: "The Emptiness of Theology" im Free Inquiry magazine Band 18, Nummer 2
Kommentare
Antwort auf #7 von UweLehnert:
> @Fellhauer: »Tatsächlich gibt es mathematische Objekte, die in der realen Welt keine Entsprechung haben«. Das ist sicherlich richtig. Aber ist es nicht so, dass die Mathematik mit Zählen und Zusammenzählen anfing, also ihre Wurzeln in der Realität hat? Unter Zuhilfenahme der Logik, eine ebenfalls in der Realität vorfindbare Kategorie des Zusammenhangs von Erscheinungen, haben sich daraus dann alle weiteren Konstruktionen ergeben. Sehr viele davon haben aber – wie Sie zu Recht einwenden – keine Entsprechung in der realen Welt. Der Ausgangspunkt für diese Konstruktionen ist aber die reale Welt gewesen. Kann man das von den Konstruktionen Gott, Jenseits usw. auch sagen? Bloße Gedankenkonstruktionen aufgrund von Wünschen und Verzweiflungen zähle ich nicht zu Entsprechungen in der realen Welt.
Ja, das stimmt, und das ist auch der Grund, weshalb sich Mathematik von Religion unterscheidet. Die Mathematik basiert auf Beobachtungen in der Realität (z. B., dass wenn man zwei Äste zu drei Ästen hinzulegt, dass man dann 5 Äste hat usw.).
Mathematik macht aber darauf basierend viele Gedankenspiele der Art "Nehmen wir mal an, das wäre wahr, dann gälte das und das". Die Objekte, die dadurch entstehen, haben dann möglicherweise natürlich keine reale Entsprechung (weil ja die Annahme, die man da gemacht hat, nicht gelten muss), aber trotzdem einen ästhetischen und oft auch einen wirtschaftlichen Wert, der nur aber häufig erst viel später entdeckt wird.
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Antwort auf #3 von UweLehnert:
> Wenn die Frage, ob Gott existiert, nach inzwischen allgemein übereinstimmender Auffassung weder philosophisch noch mit wissenschaftlichen Methoden entscheidbar ist – Kant hatte dies bekanntlich schon klar formuliert – dann ist doch die logische Folgerung, dass solche Fragen nicht an eine Universität gehören.
Ich persönlich vermute, dass es sein kann, dass es eines Tages möglich ist, die Existenz eines Gottes wirklich zu widerlegen. Zumindest jedoch geben einige wissenschaftliche Resultate, gute Gründe an, nicht an die Existenz eines Gottes zu glauben. Zum Beispiel müsste ein göttliches Wesen, welches auf der Erde tatsächlich Wunder vollbringen kann, irgendwie auf diese wirken. Dafür müsste er sich jedoch ganz in der Nähe der Erde befinden, denn sonst würden seine Einwirkungen so viel Zeit brauchen, dass sie ihren Effekt womöglich verfehlen könnten (wenn sich zum Beispiel der zu heilende Kranke ein Stück zu weit nach links bewegt hat). Jedoch gibt es in der Nähe der Erde keinen Hinweis auf eine große Intelligenz (von weißen Mäusen und Delphinen mal abgesehen).
> Die Geistes und Kulturwissenschaften haben begrifflich definierte Gegenstände, denen aber reale Objekte, Verhaltensweisen oder Situationen entsprechen. Gleiches gilt im Prinzip auch für die Philosophie und die Mathematik.
Tatsächlich gibt es mathematische Objekte, die in der realen Welt keine Entsprechung haben. Sie sind das Produkt der Phantasie der Mathematiker :-) Allerdings sind sie darum nicht weniger wichtig oder interessant. Ebenso mag es sein, dass gewisse philosophische Betrachtungen einen gewissen Wert haben, selbst wenn sie die Existenz eines Gottes zu erklären versuchen. In der Tat kann man auf diese Weise z. B. studieren, wann ein Argument falsch ist.
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Die Sache mit dem infiniten Regress: Alles hat eine Ursache, und auch die scheinbar erste Ursache hat wiederum eine Ursache und so weiter, bis in alle rückwärtige Ewigkeit. So wird gern argumentiert.
Aber ist es denn zwingend, dass diese unsere Alltagslogik auch für den – zumindest gedachten – Anfang aller Zeiten ihre Berechtigung hat? Wer kann denn behaupten, dass unsere Alltagslogik, die wesentlich mit den Kategorien Ursache und Wirkung arbeitet, auch für einen allerersten Anfang gelten muss? Die Quantenphysik zeigt uns, dass im Mikrokosmos die Regeln unserer im Mesokosmos so erfolgreichen Logik so gar nicht mehr stimmen. Ereignisse treten ein ohne erkennbare Ursache. Teilchen können gleichzeitig sich gegenseitig ausschließende Eigenschaften besitzen. Beliebig weit voneinander entfernte Teilchen bleiben wie mit unsichtbaren Fäden verbunden (von Einstein einst mit spukhafter Fernwirkung bezeichnet).
Es ist doch in der Tat fragwürdig, ob die simple Verlängerung der Ursachenkette bis zu einem fiktiven Anfang überhaupt erlaubt ist. Man denke an die berühmte Frage, was zuerst da gewesen sei, das Huhn oder das Ei. Diese Frage ist bekanntlich deswegen nicht beantwortbar, weil die Frage so gar nicht korrekt gestellt ist. Die richtige Antwort erfordert ein Zurückgehen auf die Frage, wie sich Leben überhaupt entwickelt hat. Dabei stellt man dann schnell fest, dass die Frage »Huhn oder Ei« so gar nicht sinnvoll beantwortbar ist. (Wolsing fragt zu Recht: »… ob jede Frage, die man stellen, kann auch wirklich einen Sinn hat«)
Es ist doch denkbar, dass der allererste Anfang überhaupt nicht nach den Regeln der uns vertrauten Logik stattgefunden hat. Wenn vor dem Urknall keine Zeit existierte, dann gibt es auch keine Aufeinanderfolge von Ursache und Wirkung, beides ist dann vielleicht gar nicht mehr voneinander unterscheidbar.
Das alles sind nur Gedankenspiele, ohne Anspruch auf Stimmigkeit. Sie sollen nur die Gewissheit etwas ins Wanken bringen, dass wir mit unserer Alltagslogik auch Fragen des allerersten Anfangs durchdenken und beantworten könnten. Meine These ist, dass unsere Alltaglogik ein Spezialfall einer umfassenderen Logik ist, ich nenne sie mal einfach Weltlogik, die diese Fragen »problemlos« beantwortet, auch wenn wir sie mit unserem Alltagsverstand nicht verstehen würden. So etwa wie die Newtonsche Himmelsmechanik ein Spezialfall der umfassenderen Einsteinschen Relativitätstheorie ist.
http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de
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Derzeit wieder aktuell: Streit um die Professur des Islam-Theologen Korchide in Münster.
Meine Meinung: Die Theologie gehört nicht an eine Universität. Der Theologie fehlt die Ergebnisoffenheit ihrer Forschung und die von Kirche und – neuerdings – von Islamverbänden unabhängige Lehrfreiheit. Beide Kriterien kennzeichnen sie als eine Disziplin, die im Auftrag von Organisationen an einer Universität tätig ist und die in erster Linie ein nicht wissenschaftliches Interesse verfolgt, nämlich die Ausbildung von Glaubensverkündern nach vorgegebenen, sogenannten heiligen Schriften.
Hinzu kommt, dass der Theologie der für eine Forschungstätigkeit festmachbare Gegenstand fehlt. Die Naturwissenschaften, die man treffender als Wirklichkeitswissenschaften bezeichnen sollte, haben einen materiell-energetischen Untersuchungsgegenstand. Die Geistes und Kulturwissenschaften haben begrifflich definierte Gegenstände, denen aber reale Objekte, Verhaltensweisen oder Situationen entsprechen. Gleiches gilt im Prinzip auch für die Philosophie und die Mathematik. Die Theologie hat einen nur in den Köpfen der Gläubigen existierenden Gegenstand als Untersuchungsobjekt (wäre somit eher ein Fall für die Psychologie).
Etwas, das in der realen Welt nicht existiert, kann logischerweise dann alle denkbaren Eigenschaften und Verhaltensweisen annehmen. Die unzähligen Gottesbegriffe und ebenso vielen Versuche, das Jenseits zu erklären, sprechen für diese Feststellung. Mit wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und wissenschaftlicher Untersuchungsmethodik ist das jedenfalls schwerlich zu vereinbaren.
Wenn die Frage, ob Gott existiert, nach inzwischen allgemein übereinstimmender Auffassung weder philosophisch noch mit wissenschaftlichen Methoden entscheidbar ist – Kant hatte dies bekanntlich schon klar formuliert – dann ist doch die logische Folgerung, dass solche Fragen nicht an eine Universität gehören.
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@Fellhauer: »Tatsächlich gibt es mathematische Objekte, die in der realen Welt keine Entsprechung haben«.
Das ist sicherlich richtig. Aber ist es nicht so, dass die Mathematik mit Zählen und Zusammenzählen anfing, also ihre Wurzeln in der Realität hat? Unter Zuhilfenahme der Logik, eine ebenfalls in der Realität vorfindbare Kategorie des Zusammenhangs von Erscheinungen, haben sich daraus dann alle weiteren Konstruktionen ergeben. Sehr viele davon haben aber – wie Sie zu Recht einwenden – keine Entsprechung in der realen Welt. Der Ausgangspunkt für diese Konstruktionen ist aber die reale Welt gewesen. Kann man das von den Konstruktionen Gott, Jenseits usw. auch sagen? Bloße Gedankenkonstruktionen aufgrund von Wünschen und Verzweiflungen zähle ich nicht zu Entsprechungen in der realen Welt.
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Die Theologie ist ein Machtapparat, der auf der Tatsache fußt, dass in unserem Gehirn Strukturen existieren, die das zum Ergebnis haben, was man heute als Aberglauben bezeichnet. Abgesehen von den drei großen Monotheismen und deren Ablegern gilt dies heute für alles, was unsere Vorfahren als ihre "Religionen" angesehen haben.
Diese Strukturen, dienen der Auflösung infiniter Regresse, die aus der Möglichkeit erwachsen, immer weiter fragen zu können. Der Trick, das ehedem unüberschaubar große Feld des Unbekannten in einem gesonderten Bereich zu verarbeiten, einer der zwar existent ist, das alltägliche Leben jedoch nicht unmöglich macht, hat wohl sehr lange sehr gute Dienste geleistet, sonst wären wir wohl schon ausgestorben. Heute jedoch ist das Problem die Verschiebung im Bereich des Wissens um Wirklichkeit (der Begriff Wirklichkeitswissenschaften ist hier wahrhaft treffend! Danke an Uwe Lehnert) auf Kosten des Unbekannten, welches zuvor die Religion abgehandelt hat. Dabei sind viele Gedanken die durch die Religion aufgebracht wurden heute ad absurdum geführt worden und folglich im Abfluss der Geschichte gelandet.
In Deutschland (zumindest hier in Baden-Württemberg) gibt es immer wieder Plakataktionen seitens religiöser Gruppierungen. Die letzte war aus atheistischer Sicht besonders erheiternd: Ein Vater mit seinem Sohn auf dem Schoß, und die Aussage darunter: Für alle die Warum-Fragen beantworten müssen. Dies war eine Aktion der Evangelischen Kirche.
Der Gedanke der sich mir dabei aufdrängt ist, dass wir alle - auch die Wissenschaft - Warum-Fragen beantworten müssen. Die Wissenschaft hat aber im Gegensatz zu Kirchen oder anderen religiösen Einrichtungen die Größe bei bestimmten Warum-Fragen einzugestehen, keine fundierte Aussage machen zu können und stellt darüber hinaus die Frage, ob jede Frage man stellen kann auch wirklich einen Sinn hat. Welchen Ton hat Gelb kann ich fragen, aber es kann keine wirklich brauchbare Antwort darauf geben.
Theologie hingegen behauptet lediglich in diesen Fragen, (woher kommen wir, wohin gehen wir, woher kommt die Welt - das es ein Universum gibt wissen Kirchen wie wir alle erst seit Edwin Hubble) Antworten geben zu können. Die tausende von Generationen erfolgte Indoktrination die durch die Religion gegebenen Antworten nicht weiter zu hinterfragen, ist einer der zentralen Gründe dafür, dass trotz des rasant erweiterten Wissens die religiösen Mechanismen weiterhin funktionieren. Leider interpretieren die Kirchen die Quantität der gläubigen als Beweis für die Qualität ihrer Leh(e)re. Sie sehen gleichzeitig die Säkularisierung als Wurzel allen Übels.Ein fataler Irrtum der leider viel zu wenigen Menschen bewusst ist. Aber die Zeit arbeitet für die Wahrheit und gegen den Aberglauben!
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Der physische, psychische und moralische Zustand unserer Gesellschaft wäre mit Sicherheit weitaus befriedigender, wenn die in der Summe ungeheuren geistigen Anstrengungen unzähliger Theologen, das angebliche Wort Gottes, wie es in der Bibel niedergelegt ist, mit der Logik und der Wirklich-keit in Übereinstimmung zu bringen, sich auf die Bewältigung konkreter, die Menschen tatsächlich bedrängender Probleme gerichtet hätten. Welchen Ertrag das intellektuelle Vermögen eines Apostel PAULUS, THOMAS VON AQUIN oder etwa MARTIN LUTHER hätte erbringen können, wenn sie ihre geistigen Energien in die Lösung tatsächlich existierender Nöte und Übel und nicht künstlich geschaffener theologischer Probleme investiert hätten, kann man nur erahnen. Ihr Anspruch war die Wahrheit, ihr Ziel war des Menschen Heil – leider haben sie ihre Talente am falschen und untauglichen Objekt entfaltet. Was würden wir vermissen, wenn es die Theologie nicht gäbe? (www.warum-ich-kein-christ-sein-will.de)
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