Evolution to go - 1
In der Reihe „Evolution to go“ setzt sich der Biologe Michael Kubi aus unserer Arbeitsgemeinschaft mit Beiträgen aus dem Forschungsbereich der Evolutionsbiologie auseinander.
Der erste Teil beschäftigt sich mit der raschen Evolution der Seeanemonenart „Nematostella vectensis“. Wir stellen die Forschungsergebnisse vor und besprechen einen evolutionskritischen Beitrag des Kreationisten Reinhard Junker.
Vielleicht habt ihr sie ja schon am Strand gesehen und vielleicht hattet ihr schon mal das Pech gehabt mit diesen Tieren in Berührung gekommen zu sein: den Quallen. Quallen sind recht einfach gebaute Lebewesen. Sie bestehen zu 99% aus Wasser. Ihr Körper ist ein Gebilde aus nur zwei hauchdünnen Zellschichten, einer inneren und einer äußeren. Dazwischen liegt eine Gallertmasse als Stützschicht. Der Hohlraum an der inneren Zellschicht ist der Magenraum. Die Tiere verfügen zwar über ein feines Nervennetz, doch ein Zentralnervensystem fehlt ihnen.
Quallen zählen zusammen mit den Korallen und Seeanemonen zum Stamm der Cnidaria, auch Nesseltiere genannt. Sie sind im phylogenetischen Stammbaum der Tiere eine recht ursprüngliche Gruppe und bilden die Schwestergruppe der Bilateria, also jener Tiergruppen, die über eine linke und recht Körperhälfte verfügen – mit Ausnahme der Schwämme, Nesseltiere und einigen anderen kleinen Tiergruppen gehören alle Tiere zu den Bilateria.
Trotz ihres einfachen Körperbauplans haben Nesseltiere aber einen Zelltyp, der für sie typisch und in ihrem Aufbau relativ komplex ist. Es sind die namensgebenden Nesselzellen.
Bei Quallen befinden sich diese Nesselzellen an ihren Tentakeln und produzieren hochwirksame Giftstoffe, mit denen sie ihre Beute fangen können.
Der Aufbau der Nesselzellen, auch als Nematocyten oder Cnidocyten bezeichnet, ist relativ komplex. Nesselzellen enthalten als Hauptbestandteil eine Nesselkapsel oder Nematocyste, die fast den gesamten Zellraum einnimmt. Sie ist von einer Kapselhülle umgeben, die durch eine zusätzliche Kollagenschicht versteift ist. Der Zellkern sowie andere Zellkompartimente liegen am Rand der Zelle zwischen dieser Kapsel und der Zellmembran. Die Kapsel selbst enthält einen 5 – 100 Mikrometer langen Nesselschlauch und ist abhängig vom Typ der Zelle mit unterschiedlichen Strukturen wie Stiletten, Stacheln oder Klebeelementen ausgestattet. Die Nesselzelle ist flüssigkeitsgefüllt und enthält einzelne Aminosäuren und einige Proteine, oft mit Giftwirkung.
Die Vielfalt und Komplexität der Nesselzellen gerade bei solch einer einfachen gebauten Tiergruppe haben Biologen schon immer fasziniert. Die evolutionäre Entstehung der Nesselzellen ist noch nicht restlos geklärt, doch eine kürzlich erschienene Studie von Leslie Babonis, Evo-Devo-Forscherin der Conrell University, konnte etwas Klarheit verschaffen. Evo-Devo steht für evolutionäre Entwicklungsbiologie und ist eine Forschungsrichtung der Biologie, die untersucht, wie sich die Steuerung der Individualentwicklung der Lebewesen in der Evolutionsgeschichte entwickelt hat. Mit entwicklungsbiologischen und molekularbiologischen Labor-Methoden wird versucht zu ermitteln, welche Faktoren und Steuerungsmechanismen für die Ausbildung von Geweben und Organen verantwortlich sind. Sachlich damit verknüpft ist die Frage, wie diese Steuerung als Ergebnis des Verlaufs der Stammesgeschichte der Organismen rekonstruiert werden kann. Auf der theoretischen, wie auch der experimentellen Ebene findet daher zwangsläufig eine Integration von Entwicklungsbiologie und Evolutionsbiologie statt. Dieser Zweig der Evolutionsbiologie hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt und es sind umfassende Erkenntnisse gewonnen worden.
Babonis und ihre Kollegen untersuchten die Seeanemonenart „Nematostella vectensis“, eine etwa 5 cm großen durchsichtigen Art, welche in den Mündungsgebieten am atlantischen Ozean vorkommt. Die Forscher schalteten das Sox2-Gen aus, das bei vielen anderen Tieren für die neurale Entwicklung wichtig ist. Es zeigt sich, dass als Folge der Ausschaltung dieses Gens die Nesselzellen in den Tentakelspitzen krumme Harpunen ausbildeten. An der Körperwand fehlten jedoch diese Form Nesselzellen und es bildeten sich fette Nesselzellen, sogenannte robuste Spirozyten, die bei anderen Arten für ihre Klebrigkeit bekannt sind. Diese Zellen waren bei dieser Art bislang noch nie beobachtet worden. Offenbar hat das Sox2-Gen die Funktion eines Schalters. Wenn es aktiv ist, bilden sich Stachelzellen, andernfalls bilden sich Spirozyten, aber nur in der Körperwand.
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